Digitalisierung von Frachtbriefen: Smarte Dokumente

2019 hat Adam Transporte aus Neuried bei Offenburg als BGL-Mitglied am EU-Projekt "Aeolix" teilgenommen. Kernaufgabe der Projektgruppe: einen digitalen Frachtbrief (E-CMR) zu testen, der über die Plattform TransFollow abgewickelt wird (siehe VR 18/2019). So richtig glücklich war Geschäftsführer Christian Adam, der sich mit seinem Unternehmen auf europaweite Fahrzeugtransporte spezialisiert hat, mit der Lösung allerdings nicht: Er hielt sie gar für "wenig praxistauglich", wie er heute sagt. Auch Guido Koschany, seinerzeit noch Leiter Umwelt, Gefahrgut und Entsorgung beim BGL und für die Koordination des Testlabors zuständig, hat im Rückblick einiges zu kritisieren: "Was wir aus dem Aeolix-Projekt mitgenommen haben, war vor allem die Erkenntnis, dass eine zentrale Plattform für die Digitalisierung von Dokumenten nicht zielführend ist, weil sie als neu geschaffene kritische Infrastruktur einfach zu viel Angriffsfläche bieten würde." Interdisziplinäres Team Die damaligen Projektpartner Adam und Koschany haben über die Jahre nicht nur Kontakt gehalten, sondern nach den Erfahrungen aus dem EU-Projekt ihre eigene Lösung für die Digitalisierung von Dokumenten gestartet: das Open-Source-Projekt Doctag, das von einer noch zu gründenden Gesellschaft betrieben werden soll. Als Teilhaber sind Logenios/Spedion, die Adam Gruppe und Guido Koschany vorgesehen. Die Wahl des Software-Partners ist naheliegend: Adam ist langjähriger Kunde des Telematikanbieters Spedion und nutzt auch die von Spedion mitgegründete Datendrehscheibe Logenios. Die Arbeit an Doctag habe im März 2020 angefangen, erzählt Christian Adam. "Wir begreifen uns als interdisziplinäres Team. Ich kenne die Nutzerbedürfnisse von Transportunternehmen aus erster Hand", so der Spediteur. Mit Frank Englert, Entwicklungsleiter von Logenios, habe er bereits einige Schnittstellenprojekte umgesetzt. Guido Koschany bringe seine lange Verbandserfahrung und sein Netzwerk mit, um die gemeinsame Idee bei Unternehmen und perspektivisch auch Behörden unterzubringen. "Vor allem aber haben wir schnell gemerkt, dass wir ähnlich ticken und dasselbe Ziel verfolgen: eine neutrale und sichere Lösung zu schaffen, die das Zeug zu einer Standardsoftware hat", sagt Adam. Koschany betont dabei den dezentralen Ansatz: "Die sensiblen Daten bleiben auf dem Unternehmensrechner." Mit Doctag soll aber nicht nur der CMR digitalisiert werden. "Nur das digitale Abbild eines starren Formulars zu schaffen, bringt nicht viel", sagt Adam. Viele Unternehmen arbeiten schließlich seit Jahrzehnten mit den für ihre Bedürfnisse perfekt gestalteten Dokumenten. "Wir ermöglichen, dass diese digital geteilt und mit einer sicheren Signatur versehen werden können. Wir nennen das Smart Document." Jedes beliebige Formular kann als PDF auf jedem internetfähigen Endgerät verwendet, für jeden Dokumententyp ein Wunsch-Workflow angelegt werden. "Das reicht von der Vergabe von Rollen im Lieferprozess über Zusatzfelder wie Anhänge und Checklisten bis hin zur Art der Signatur", erklärt Adam. Ein weiterer Anreiz sei demnach die Schaffung eines digitalen Dokumentenmanagements: Sogenannte Tags können manuell oder automatisiert an Dokumente gehängt werden und ermöglichen feingliedrige Zugriffsregeln sowie eventbasiertes Messaging. Vermarktet werden soll die Software über ein Duale-Lizenz-Prinzip. "Wer Doctag unter Eigenregie hostet und betreibt, kann sich die Software kostenlos herunterladen und zahlt keine Nutzungsgebühren. Für die Cloudlösung mit der App fällt eine monatliche Nutzungsgebühr an", umreißt Englert von Logenios das angedachte Geschäftsmodell. Das benötigte Teilnehmerzertifikat, sozusagen der digitale Firmenstempel, wird nach einem Verifizierungsprozesses gegen eine Gebühr von 30 Euro im Jahr zur Verfügung gestellt. Als Clou der Lösung sehen die Entwickler die Verschlüsselungstechnologie. Doctag sei zwar keine Blockchain-Anwendung, so Englert, die Verschlüsselung funktioniere aber nach einem ähnlichen Prinzip. "Wenn ein Dokument hochgeladen wird, wird es mit einer eindeutigen URL, ähnlich dem Hashwert, versehen. Nachträgliche Änderungen oder Fälschungen werden so ausgeschlossen." An die Dokumente können workflow-gesteuerte Informationen angehängt werden. Die Speichervorgänge und Dokumente sehen dabei nur die beteiligten Parteien, denen die URL beziehungsweise der dazugehörige QR-Code vorliegt. Dieser Punkt ist auch für Adam von zentraler Bedeutung: "Wohl kaum ein Transportunternehmer hat ein Interesse daran, dass Mitbewerber sehen können, wie viele Aufträge man im Monat fährt." Oft funktionieren Digitalisierungsvorhaben aber nur, wenn alle mitmachen. "Die meisten digitalen Lösungen funktionieren nach dem Schwarzweiß-Prinzip, sprich: Entweder alle im Prozess nutzen eine digitale Plattform oder sind weiterhin analog unterwegs", weiß auch Adam. Das Papier könne aber neben der digitalen Variante koexistieren, "beispielsweise nur noch als Laufzettel und als Back-up", so Adam. "Wir machen Bestandsprozesse nicht kaputt", sagt auch Englert. Der Doctag-QR-Code befinde sich auch auf dem ausgedruckten Dokument. Er könne zur digitalen Signatur genutzt werden, der Verlader oder Empfänger könne aber auch weiterhin auf Papier unterschreiben. "Digitalisierung gelingt selten von heute auf morgen - wir wollen eine Brücke schlagen", so Englert. Brücke zu Behörden schlagen Das sieht auch Koschany so, der seine Aufgabe vor allem darin sieht, die Brücke zu den Behörden zu schlagen. "Ich habe viele Ideen, wie unsere Technologie auch bei der Digitalisierung bei Behörden helfen kann. Das kann beispielsweise auch die effizientere Überwachung von Gefahrguttransporten mithilfe digitalisierter Ladelisten sein", führt er aus. Und wie geht es jetzt weiter? Man habe zwar keine millionenschwere Förderung vom Bund im Rücken und auch kein großes Marketingbudget, räumt Adam ein. "Was wir aber erreicht haben, ist eine praxistaugliche Lösung, mit der viele Unternehmen ihre Prozesse bereits jetzt digital abbilden können. Es liegt an uns, nun Überzeugungsarbeit zu leisten", sagt Adam. Man sei kurz davor, Doctag mit einem Verlader und einem Kunden in der Praxis zu testen. Mehr zum Thema finden Sie unter #SpeditionsSoftware www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Spedition Adam Transporte aus Neuried bei Offenburg hat eine Open-Source-basierte Lösung zur Digitalisierung von Dokumenten mitentwickelt. Das Projekt namens Doctag setzt dabei auf Datenhoheit dank dezentralem Ansatz, eine sichere Verschlüsselung und die Wahrung individueller Workflows.

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