Kein echter Gegenschlag

Die Ergebnisse der in den letzten Wochen stattfindenden Schwerpunktkontrollen sind interpretationsbedürftig: Rund ein Viertel aller Lkw aus Osteuropa werden beanstandet. Nicht zu vergessen eine vermutlich hohe Dunkelziffer, da die Kontrolleure oft nicht die Möglichkeiten haben, auf den ersten Blick ordentliche, aber dennoch gefälschte Unterlagen zu erkennen. Das mag der Grund für eine im Vergleich niedrige Quote an Kabotage-Verstößen sein. Bei den jüngst erfolgten Kontrollen in Duisburg, Mannheim und München wurden 19 Lkw bezüglich Kabotage überprüft. Festgestellt wurde nur ein Verstoß. Auch der beteiligte Zoll stellte bei Kontrollen an den drei GVZ zunächst keine Verstöße bezüglich des Mindestlohngesetzes fest - stellt aber noch nachgelagerte Ermittlungen an. Diese Ergebnisse bestätigen Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer des BWVL in Bonn: "Kabotage ist zunächst mal unter Beachtung der Regeln erlaubt und, nicht zu vergessen, man haftet als Auftraggeber - ebenso wie beim Mindestlohn. Ich kann also davon ausgehen, dass bei unseren Mitgliedsunternehmen, die durchaus osteuropäische Frächter beauftragen, trotz der erhöhten Kontrolldichte alles in Ordnung ist." Gibt es also gar keine Kabotageverstöße in der vom BGL dargestellten Höhe (s. S.16)? Das lässt sich wohl erst klären, wenn noch mehr und vor allem dezidierter kontrolliert wird. In einer Stellungnahme, welche die VerkehrsRundschau vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG) eingefordert hat, erläutert Pressechef Josef Thiel, dass es tatsächlich keine Hinweise auf vermehrte Verstöße gebe. Er weist aber darauf hin, dass es einen überarbeiteten Meldebogen für Fuhrunternehmen gibt, der eventuell zu anderen Ergebnissen führen könnte. Der sei über die Website des BAG abrufbar. Die komplette BAG-Stellungnahme unter #BAG www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Teile des deutschen Transportgewerbes beklagen existenzgefährdende Marktverzerrungen durch Kabotage-Verstöße. In der Folge forciert das BAG die Kontrolltätigkeit und der BGL (Interview S. 16) richtet seine "Task-Force Kabotage" neu aus. Task-Force "Kabotage" und EU-Mobilitätspaket bringen Entlastung Am 27. Juni gab es eine Demo gegen Sozialdumping in Berlin. Der BGL hat sich daran nicht beteiligt, warum? Viele der Forderungen, die an dem Tag gestellt wurden, hat der BGL schon vor Längerem formuliert, sind also deckungsgleich. Dennoch sind wir als BGL mit dem BMVI und anderen Ministerien im Gespräch auf einem guten Weg und finden auch Gehör, sodass wir eine Demonstration zum aktuellen Zeitpunkt als kontraproduktiv empfunden haben. Das haben wir den Veranstaltern der angesprochenen Demonstration auch so mitgeteilt. Es gibt aber zeitnah ein "Treffen" mit besagten Veranstaltern, bei dem wir quasi eine Nachlese halten. Ich weiß aber selbst noch nicht, um welche Themen es konkret gehen wird - informiere aber gerne im Nachgang dazu. Der BGL hat schon vor einiger Zeit eine Task-Force "Kabotage" ins Leben gerufen. Wie steht es damit? Die Arbeit dieser Task-Force haben wir die letzten zwei, drei Monate auf komplett neue Beine gestellt. Wir haben mittlerweile sehr guten Zugang zum BAG wie auch zur General-Zolldirektion, vor allem in die Bereiche Unterwegs- und Betriebskontrolle. Wir als BGL haben fast jede Woche einen Austausch mit den handelnden Personen und können jetzt Verstöße, die uns die Mitglieder melden, direkt weitergeben. So hatten wir kürzlich den Fall, dass uns im Bereich Kalamitäten-Holztransport ungewöhnlich viele osteuropäische Lkw gemeldet wurden, obwohl die Kabotage in dem Bereich nicht mehr ausgesetzt ist. Nachdem wir dem BAG die relevanten Sägewerke genannt hatten, fand kurz danach eine Schwerpunktkontrolle statt. Die festgestellten Kabotage-Verstöße sowie diverse andere Delikte wurden auch sofort sanktioniert. Die Kooperation mit dem BAG ist inzwischen so gut, dass wir auch andere Dinge melden können - etwa die fingierten LNG-Lkw aus Osteuropa unter anderem im Bereich Berlin/Brandenburg. Welche Rolle spielt dabei der Zoll? Das BAG hat seine Zusammenarbeit mit dem Zoll intensiviert. Das heißt, die letzten Schwerpunktkontrollen wurden gemeinsam durchgeführt. Ein Beispiel war die Kontrolle im GVZ Leipzig, wo sich BAG und Zoll die Aufgaben gut aufgeteilt haben - der Zoll den Mindestlohn, das BAG GüKG und Kabotage. Die Aktion war auch erfolgreich und gut gemacht, mit mehreren Kontrollpunkten, sodass kein Lkw der Kontrolle ausweichen konnte. Reichen die Maßnahmen denn aus? Es sollte bereits im 26. Mai 2020 ein vom BAG initiiertes Treffen unter Schirmherrschaft des BMVI stattfinden. Dort wollten sich Vertreter von BAG, Zoll und Polizei gemeinsam mit den Vertretern der Verbände AMÖ, BGL, BWVL und DSLV treffen, um die weitere Ausrichtung der Task-Force zu besprechen. Der Termin ist Coronabedingt in den Herbst verschoben worden. Ich kann also sagen, dass das BMVI und die beteiligten Kontrollbehörden das Thema auf dem Schirm haben, und das läuft nicht mehr so lasch, wie es vielleicht in der Vergangenheit mal gelaufen ist. Das ist nicht nur ein Strohfeuer und der massiven Beschwerde der Unternehmer geschuldet, die in Corona-Zeiten noch mehr unter der nicht immer fairen Konkurrenzsituation leiden? Und hat das Bundesamt für Güterverkehr BAG überhaupt genügend Kontrollpersonal? Ich schätze es nicht als Strohfeuer ein, zumal das BMVI das Thema jetzt auf dem Schirm hat und auch der neue BAG-Vizepräsident das Problem klar ausgemacht hat. Soweit ich weiß, hat das BAG 60 neue Stellen ausgeschrieben und fallweise bereits besetzt. Ich bin also fest davon überzeugt, dass wir auch nach Corona so weitermachen. Ganz entscheidend ist natürlich die Qualität der Meldungen. Denn klar ist, dass nicht jedes ausländische Kennzeichen einen Kabotage-Verstoß bedeutet. Da helfen also nur qualifizierte Meldungen unserer Landesverbände beziehungsweise der Transportunternehmer. Je qualifizierter die Meldungen sind, desto schneller können wir und damit die Kontrollbehörden dem nachgehen. Was heißt denn qualifiziert? In dem Zusammenhang ist vielleicht interessant, dass es einen neuen Meldebogen gibt. Dieser Meldebogen ist ziemlich konkret, fragt unter anderem nach dem Kennzeichen, nach den Sachverhalten, die zur Meldung geführt haben - also Daten, auf deren Basis Zoll und BAG weitere Ermittlungen tätigen können, um eine Kontrolle einzuleiten. Vielleicht ein Beispiel: ein niederländischer Lang-Lkw, der immer wieder auf dem Negativ-Netz unterwegs ist. Den hat ein Mitglied samt Kennzeichen und Ereignistagen gemeldet. Worauf das BAG dann sehr gezielt eine Kontrolle durchgeführt hat. Das Thema ist inzwischen auch bei den Nachbarn in Skandinavien, Frankreich und den Niederlanden angekommen, die ähnliche Probleme mit illegaler Kabotage haben. Das Thema hat also die EU-Verkehrspolitik erreicht. Das EU-Mobilitätspaket ist dennoch aus unserer Sicht nur ein erster Schritt, gegen illegale Praktiken vorzugehen. Irgendwie entsteht der Eindruck, fast alle osteuropäischen Transportunternehmen würden die Regeln brechen. Wie dramatisch ist es tatsächlich? Der BGL glaubt schon, dass es ziemlich extreme Marktverwerfungen gibt. Und unter der aktuellen Situation ist illegale Kabotage kaum zu kontrollieren - was ich jetzt nicht dem BAG ankreiden möchte. Wir haben auf jeden Fall mit zahlreichen osteuropäischen Fahrern gesprochen, die heute bei deutschen Unternehmen angestellt sind. Die bestätigen, dass früher ihre händisch ausgefüllten Frachtbriefe stets den Kabotage-Bestimmungen "entsprachen". Falls also nur anhand der Frachtdokumente kontrolliert wird, ist die Gefahr, aufzufliegen, sehr gering. Hat das BAG ohne Mautdaten überhaupt eine Handhabe? Nein, aber in dem Fall sind alle wichtigen deutschen Transportverbände mit Toll Collect im Gespräch und Toll Collect wiederum mit dem BMVI. Wir erkennen zumindest eine Bereitschaft, über das Thema nachzudenken. Aber es gibt natürlich das Problem, dass man diese Daten im Rahmen des Datenschutzes nur sehr sensibel nutzen kann. Im dem Bereich entsteht ein Zielkonflikt aus Datenschutz und illegalen Transportaktivitäten, der aufgelöst werden muss. Wie sehen denn die Transportverbände in Osteuropa, mit denen der BGL sicher spricht, das Thema? Die äußern sich entweder gar nicht oder weichen aus. Falls eine Äußerung kommt, dann allenfalls, dass das nur eine Wahrnehmung der Westeuropäer wäre und wir uns nicht so haben sollen ...Die Einschätzung des BGL ist ganz einfach: Natürlich können sich osteuropäische Unternehmen hier gerne niederlassen und ihre Dienstleistungen anbieten. Dann aber sollen sie hier Niederlassungen gründen und vor allem auch Löhne auf Westniveau bezahlen. Mit fairem Wettbewerb hat niemand ein Problem. Wenn aber ganze Flotten illegal hier stationiert sind und die Fahrer unter Mindestlohn bezahlt werden, ist das für den deutschen Mittelstand existenzgefährdend. Deshalb lassen wir als BGL nicht locker, melden solche Fälle und wollen, dass, wenn BAG, Polizei und Zoll zuschlagen, es richtig wehtut. Das hört sich an, als würde das BAG nur noch darauf warten, dass der BGL Verstöße meldet, um dann aktiv zu werden. Nein, so ist es natürlich nicht. Das BAG macht ganz normal seine Kontrolltätigkeit. Wenn wir aber auf Sachverhalte hinweisen, bekommen wir sofort Rückmeldung, ob dem nachgegangen wird oder nicht. Ziel ist ein regionales Netzwerk von Meldenden mit anschließenden Schwerpunktkontrollen, um illegalen Machenschaften wirkungsvoll begegnen zu können. Trotzdem noch einmal die Frage, ob es wirklich ein existenzbedrohendes Thema für mittelständische Transportunternehmen ist - denn "Osteuropäer-Bashing" ist in der aktuellen Lage, wo Europa eigentlich einig sein sollte, sicher keine Lösung? Es ist ein Problem, das deutsche und westeuropäische Transportunternehmen vor teilweise große Schwierigkeiten stellt. Und noch einmal: Unsere Mitgliedsunternehmen haben kein Problem mit Wettbewerb, der mit gleichen Mitteln kämpft. Man muss nur aktuell einen Blick in die Transportbörsen werfen - was da abgeht, ist der Wahnsinn. Da werden die Lastkilometer für 40, 50 Cent aufgerufen, und doch gibt es viele Transportunternehmer, die bei solchen Preisen schwach werden ... Andererseits haben doch gerade große osteuropäische Transportunternehmen aktuell massiv Probleme - trotz der propagierten Standortvorteile und der niedrigeren Lohnkosten? Ja, so machte Waberer nach eigener Aussage im letzten Geschäftsjahr 13 Millionen Miese. Schließlich kochen alle nur mit Wasser! Trotzdem können wir nicht warten, bis der Markt das von alleine regelt. Deshalb ist uns die Task-Force so wichtig und das Thema Verlader-Haftung, das wir integrieren müssen. Wir richten uns ja nicht gegen die osteuropäischen Fahrer. Deren Bedingungen sind ohnehin nicht gut. Das Problem sind die großen Verlader, die aus der aktuellen Lage noch Gewinn schlagen. Das geht so weit, dass sich selbst das Kartellamt inzwischen für das Thema interessiert. Es kann einfach nicht sein, dass man wegen Corona die Transportpreise pauschal um 20 Prozent reduziert. Schenker zum Beispiel hat hier aufgrund medialen Drucks reagiert: In den Frachtenbörsen werden die Aufträge nicht mehr mit fest vorgegebenen Preisen eingestellt, sondern nur noch im Auktionsmodus. Wird das EU-Mobilitätspaket, sofern es denn so kommt wie aktuell bekannt, etwas daran ändern? Davon bin ich fest überzeugt. Ich glaube, dass Geschäftsmodelle gerade großer osteuropäischer Transportdienstleister obsolet werden und dass die Kontrollmöglichkeiten besser werden. Die Idee, dass ein Lkw spätestens alle acht Wochen nach Hause muss, ist ein guter Ansatz. Das marktverzerrende Vagabundentum wird damit der Vergangenheit angehören. gg

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