Fahrassistenzsystem: Wie sicher ist es?

Kommt ein neues Fahrerassistenzsystem (FAS) auf die Straße, ist dieses sicher. Warum sich Verkehrsteilnehmer darauf verlassen können, erklärt Andreas Schäffler, Leiter Homologation bei TÜV SÜD Division Mobility.
War da nun eben vor der Kurve eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h oder nicht? Dank des Intelligenten Geschwindigkeits-Assistenten (ISA = Intelligent Speed Assistant) muss man sich das nicht mehr fragen und auch kein Blitzerbild mehr riskieren. Denn dieses Fahrerassistenzsystem detektiert über Kamerasysteme und Kartenmaterial die Umgebung und zeigt den Fahrenden die ermittelte, jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit an.
Dabei werden sowohl explizite Verkehrszeichen als auch implizite Geschwindigkeitsanzeigen wie Orts- oder Autobahnschilder erfasst. Je nach Hersteller erfolgt eine optische, akustische oder haptische Warnung bei Geschwindigkeitsüberschreitung und das Fahrzeug kann in Kombination mit dem Tempomaten eigenständig die Geschwindigkeit regulieren.
General Safety Regulation
Kontrolle bleibt beim Fahrer
"ISA, das mit dem Motorstart aktiviert wird, bleibt aber immer ein Assistent, der den Fahrer entlasten soll - er kann daher auch deaktiviert werden, der Fahrer kann jederzeit die Kontrolle übernehmen", sagt Andreas Schäffler, Leiter Homologation bei TÜV SÜD Division Mobility. "Deswegen zahlt auch immer noch der Fahrer den Strafzettel und nicht etwa der Hersteller, wenn er den Tempomaten falsch oder gar nicht stellt und geblitzt wird." Schäffler weiß aus eigener Erfahrung, dass sich der Eingriff durch ISA je nach System und Situation auch mal ruppig anfühlen kann, wenn etwa von hohem Tempo nach unten korrigiert wird, doch er betont: "Das System ist sicher." Schäffler kann das mit Sicherheit behaupten, da er gemeinsam mit seinem Testteam in Deutschland von etwa zehn Ingenieuren und 30 Sachverständigen akribisch überprüft, dass Assistenten wie ISA alle Sicherheitsanforderungen erfüllen, bevor sie auf den Markt kommen.
Der clevere Geschwindigkeitsassistent ist gemäß General Safety Regulation 2 für alle Fahrzeugklassen mit Zulassungsdatum Juli 2024 Pflicht (siehe Infokasten) und hat folglich ebenfalls das Prüfprozedere durchlaufen.
Die Prüfprozedur, also wie und was genau getestet werden muss, ist im Fall von ISA in der EU-Verordnung VO (EU) 2021/1958 geregelt. Demnach muss sich ein System, das auf den Markt will, zunächst auf einem Prüfgelände bewähren und dort die Verkehrszeichen erkennen. TÜV SÜD testet das meist auf Teststrecken in Garching und Penzing, mietet sich aber auch auf anderen Prüfgeländen ein. Zudem gilt es, eine Realfahrt von rund 400 Kilometern auf der Straße in drei Teilen zu absolvieren: innerhalb geschlossener Ortschaften, auf der Landstraße und auf der Autobahn. "Dabei muss das System mindestens 90 Prozent der Verkehrszeichen erkennen", konkretisiert Schäffler. "Bei einem Erfüllungsgrad von 90 Prozent ist der Gesetzesnachweis für uns getroffen, das Fahrzeug ist zulassungsfähig." Die Realfahrt führen die Prüfer von TÜV SÜD meist auf einer Strecke rund um München durch. "Da unsere Messtechnik beweglich ist, können wir auch zum Kunden kommen und dessen Strecke benützen", ergänzt Schäffler. "In diesem Fall prüfen wir allerdings vorab, ob die Strecke den Anforderungen entspricht."
Eine dritte Anforderung lautet: Die Verkehrszeichen-Erkennung muss in der gesamten Europäischen Union funktionieren, wobei diese Prüfung Aufgabe des Herstellers ist. "Im frühen Anlauf von ISA haben wir diese Europa-Rundfahrten teils für Hersteller übernommen, mittlerweile garantiert der Hersteller uns meist schriftlich, dass er die Tests durchgeführt hat - diese Dokumentation reichen wir an die Genehmigungsbehörde weiter, die dann ohnehin das letzte Wort hat", erklärt Schäffler.
TÜV SÜD war von Anfang an bei der Entwicklung der Vorschriften und Methoden zur Prüfung von Fahrerassistenzsystemen involviert. "Entsprechend groß ist unsere Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung von Fahrerassistenzsystemen", berichtet Schäffler. "Auch neue Fahrzeughersteller aus dem außereuropäischen Ausland haben wir bereits erfolgreich beim Markteintritt begleitet."

Prüf-Profis am Werk
Die Tests auf dem Prüfgelände plus die Testfahrten auf der Straße dauern inklusive Testvor- und Nachbereitung rund zwei Wochen, bis die Systemgenehmigung vorliegt. Danach müssen die Hersteller laut Schäffler weitere zwei, drei Wochen für den Erhalt der Gesamtbetriebserlaubnis einplanen.
Wenn sich die Rahmenbedingungen von ISA bei neuen Fahrzeugmodellen eines Herstellers nicht verändert haben, gilt die Genehmigung auch ohne neue Prüfung. Involviert sind dabei aufseiten von TÜV SÜD Division Mobility zwei bis drei Mitarbeiter: Ein Ingenieur fährt das Fahrzeug, ein zweiter bedient die Messtechnik und dokumentiert und falls der Sachverständige selbst nicht bereits an Bord war, erstellt dieser im Anschluss das Gutachten für den Hersteller.
"Der Intelligente Geschwindigkeits-Assistent ist folglich ein verlässliches System, das gerade Berufskraftfahrer entlasten kann", resümiert Schäffler. "Fahrer können damit darauf vertrauen, nicht fahrlässig, sondern im Rahmen der zugelassenen Geschwindigkeit unterwegs zu sein - abgesehen von Situationen wie Nebel oder Glatteis, die eine Anpassung der Geschwindigkeit erfordern."
TÜV SÜD Ansprechpartner
TÜV SÜD Division Mobility
Andreas Schäffler
Leiter Homologation Deutschland
Tel.: +49 151 543 333 70
E-Mail: andreas.schaeffler@tuvsud.com