"Wir sind nicht billig!"

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat soeben entschieden, dass ausländische Spediteure ihren Lkw-Fahrern den deutschen Mindestlohn zahlen müssen, auch wenn sie nur für kurze Zeit in Deutschland arbeiten. Wie kommentieren Sie diese Entscheidung? Das ist für Waberer's kein Problem, weil unsere Fahrerlöhne über dem deutschen Mindestlohn liegen. Sie sind fair und liegen deutlich über den Durchschnittslöhnen in Osteuropa. Angesichts des freien Marktes, den wir in der EU haben, halte ich diese Entscheidung trotzdem für befremdlich. Ich kann den Protektionismus, den ich im deutschen Transportmarkt derzeit beobachte, nicht nachvollziehen. Welche jährlichen Mehrkosten haben Sie durch die neuen Auflagen wie das Verbot, die regelmäßige Wochenruhezeit im Lkw zu verbringen, und dem Mindestlohngesetz? Der Lohn unserer Fahrer ist in diesem Jahr um sieben bis acht Prozent gestiegen. Diese Steigerung lässt sich aber nicht ausschließlich auf die neuen Regelungen zurückführen, sondern hat auch mit dem Fahrermangel zu tun. Beides führt dazu, dass unsere gesamte Branche eine niedrigere Produktivität hat. Denn um dieselbe Leistung erbringen zu können, braucht die Transportindustrie nicht nur viel mehr Fahrer, sondern auch mehr Lkw und zusätzliche Flächen. In den USA gibt es solche Gesetze nicht. Da dürfen Lkw-Fahrer auch am Wochenende ihre Ruhezeiten im Fahrzeug verbringen. Dadurch schaffen die US-Transporteure mehr Meilen und sind um 15 bis 20 Prozent produktiver als ihre europäischen Branchenkollegen. Würden Sie so weit gehen, dass dadurch das Waberer's-Geschäftsmodell gefährdet ist? Bislang wuchsen Sie ja deshalb so rasant, weil Sie durch die Billiglöhne Ihrer Fahrer alle preislich unterboten haben. Einspruch! Da verstehen Sie unser Geschäftsmodell falsch! Vor 15 Jahren mag das so gewesen sein. In den letzten fünf Jahren waren wir aber dank unserer Qualität und großen Kapazitäten so erfolgreich. Denn durch unsere Größe haben wir Skaleneffekte, die wir etwa im Einkauf nutzen können, und sind so produktiver und effizienter als unsere Konkurrenten. Deshalb ist unser Geschäftsmodell auch nicht gefährdet. Die Kosten sind durch den Fahrermangel und die neuen Auflagen zwar deutlich gestiegen. Aber wir haben viele andere Hebel, an denen wir ansetzen, um produktiv zu bleiben. Denken Sie an das Thema Leerkilometer. Europaweit liegt die Lkw-Auslastung im Schnitt bei 85 Prozent. Das ist verschwendetes Geld! Da setzen wir an. Zum einen indem wir unser Niederlassungsnetz in Europa weiter verdichten. Zum anderen indem wir in modernste IT investieren und eigene Algorithmen entwickeln, um unsere Fahrzeugflotte zu steuern. So konnten wir, um ein Beispiel zu nennen, unsere Lkw-Auslastung auf 92 Prozent steigern. Trotzdem ist Waberer's im zweiten Quartal 2018 ins Minus gerutscht. Ihr Umsatz stieg da zwar um 16,8 Prozent. Aber Ihr Ergebnis vor Zinsen, Steuern (EBIT) ist um 68 Prozent gesunken, und Sie haben sogar Verluste gemacht! Das erste und zweite Quartal 2018 waren für uns in der Tat herausfordernd. Wir standen da unter Druck. Das lag aber nicht nur an den neuen gesetzlichen Auflagen. Problem ist der derzeitige Margendruck, den unsere gesamte Branche in Europa aufgrund des Fahrermangels und der steigenden Dieselkosten hat. Jedes Unternehmen leidet darunter. Bei vielen ist es nur nicht sichtbar, weil die meisten Transportbetriebe nicht an der Börse notiert sind, wie wir es sind. Europaweit fehlen derzeit mehrere Hunderttausend Lkw-Fahrer. Vor allem in Deutschland, Polen und in Ungarn. Und das wird sich in Zukunft noch verschlimmern. Angeblich verdient bei Waberer's ein rumänischer Lkw-Fahrer ja auch nur 1000 Euro brutto im Schnitt. Bei uns verdienen Lkw-Fahrer im Schnitt 1600 Euro im Monat. Und zwar netto! Das ist zwei bis drei Mal so viel, wie ein Arbeiter in der Automobilproduktion hier in Ungarn verdient. Bezahlen Sie Ihren Lkw-Fahrern auch den deutschen Mindestlohn, also die 8,84 Euro pro Stunde? Ja, unser Entgelt liegt sogar darüber. Ansonsten finden wir keine Fahrer mehr. Rund ein Viertel unserer Gesamtkosten machen mittlerweile die Fahrerkosten aus. In welchen Ländern finden Sie überhaupt noch qualifizierte Lkw-Fahrer? Ungarn und Polen sind fast leergefegt. Fast ganz Zentraleuropa leidet unter dem Fahrermangel. Nur in den Balkanländern, in Russland und der Ukraine findet man tendenziell noch Fahrer. Zum Glück waren die Dieselkosten 2015 und 2016 so niedrig. Damit konnten wir in den vergangenen Jahren die steigenden Lohnkosten kompensieren. Die Situation hat sich grundlegend geändert. So lag der Jahresdurchschnittspreis in 2016 für das Barrel Rohöl noch bei 44,5 US-Dollar. Und in diesem Jahr lag er fallweise bei über 80 US-Dollar. Diese Quersubventionierung funktioniert also nicht mehr. Sprich: Auch das Billig-Preismodell von Waberer's funktioniert nicht mehr! Einspruch! Wir haben zwar schon vergangenen Herbst unsere Preise um zehn Prozent angepasst. Im April, Mai 2018 sind die Dieselpreise aber so stark gestiegen, dass wir jetzt im September unsere Transportpreise im internationalen Teil- und Komplettladungsverkehr nochmals um bis zu 15 bis 20 Prozent anheben werden. Waberer's ist nicht das einzige Unternehmen, das jetzt höhere Preise fordert. Dazu sind wir alle in der Transportindustrie gezwungen. Welche wirtschaftlichen Vorteile haben Sie allein durch Ihre massive Größe? Interessant, dass Sie das fragen. Unsere Unternehmensgröße birgt in der Tat viele Vorteile, hat aber auch Nachteile. Große Unternehmen haben zum Beispiel immer hohe administrative Kosten. Das ist ein Nachteil. Wobei Waberer's stets Wert auf eine schlanke Organisation gelegt hat. Andererseits haben wir durch unsere Größe Skaleneffekte, die ein kleiner Frachtführer nicht hat. Allein durch unser dichtes Lkw-Netz, das wir in Europa haben, ist es für uns einfacher, die Zahl der Leerkilometer zu reduzieren. Das ist zum Beispiel in Frankreich für uns sehr hilfreich. Dadurch können wir Kunden bessere Preise bieten. Oder wir können durch unsere Größe deutlich günstiger einkaufen, etwa Lkw, Auflieger, Diesel und Versicherungen. Zudem wird ein kleiner Transportbetrieb nie so viel Geld in moderne IT investieren können wie wir. Apropos IT: Wie sieht Ihre Digitalisierungs-Strategie aus? Wir erwarten, dass die Digitalisierung den Transportmarkt in Europa in den nächsten fünf, sechs Jahren komplett verändern wird und auch muss. Wobei ich den Begriff Digitalisierung weiter fassen will. Das umfasst auch das Thema Innovationen. So werden wir in den nächsten Jahren deutlich mehr E-Lkw, Lkw mit Erdgas- und vor allem mit Wasserstoff-Antrieb in Europa sehen. Dazu kommen Themen wie autonomes Fahren und Telematik-gestützte Trailer. Das für uns relevante Thema ist aber, wie kann uns die Digitalisierung helfen, unsere Lkw-Flotte noch effizienter zu steuern? Wir haben dazu ein interessantes Pilotprojekt aufgesetzt zum Thema "Predictive Maintenance", also vorausschauende Wartung. Das Verfahren nutzt Mess- und Produktionsdaten unserer Lkw, die dafür alle mit einer bestimmten Telematik ausgestattet sind, und wir können daraus Wartungsinformationen ableiten. Unser Ziel ist es, damit unsere Fahrzeuge proaktiv zu warten und Störungszeiten zu minimieren. Sie haben zudem, wie man hört, die SAP-HANA-Plattform mit SAP umgesetzt. Welche Vorteile haben Sie dadurch? Wir arbeiten in der Tat mit SAP an dieser Internetplattform-Lösung. Mit Unterstützung von SAP und der SAP-Activate-Methode haben wir unser ERP-Altsystem von Oracle durch SAP S/4HANA ersetzt. Ziel war es, unsere Finanz- und Logistikprozesse in 56 Unternehmen zu konsolidieren. Mit dem neuen System stehen Waberer's nun Echtzeitinformationen über Umsätze und Kosten zur Verfügung. Gleichzeitig konnten wir die Arbeiten für den Monatsabschluss um 60 Prozent reduzieren. Darüber hinaus kann ich Ihnen zwei weitere Neuerungen verraten: Waberer's wird Anfang Januar 2019 ein neues TMS-System von SAP einführen. Zudem wird Big Data in den kommenden Jahren das große Thema für uns. Gerade durch Tools wie Predictive Analytics. Wie viel Euro investieren Sie jährlich in IT? Wir investieren jedes Jahr sieben bis zehn Millionen Euro in neue IT, um so technologisch immer vornedran zu sein. Ihr Mitbewerber Girteka möchte bis 2021 rund 10.000 Lkw in seiner Flotte haben. Sie selbst haben rund 4400 Lkw. Wie wollen Sie gegen Girteka punkten? Unsere Strategie ist klar, und an der halten wir auch fest: Wir nehmen jedes Jahr rund 700 neue Lkw und Anhänger in unseren Fuhrpark. Dafür investieren wir jedes Jahr 70 Millionen Euro ausschließlich in Lkw. Darüber hinaus investieren wir jedes Jahr sieben bis zehn Millionen Euro in neue IT, um technologisch stets vornedran zu sein. Was sind Ihre Wachstumsziele für 2018 in Bezug auf Umsatz, EBIT und Gewinn? 2017 lag unser Umsatz bei 674,4 Millionen Euro. In diesem Jahr gehen wir von einem moderaten Wachstum aus, aber immer noch im zweistelligen Bereich sowie einem leicht reduzierten bereinigten Ebitda. Im ersten Halbjahr gelang es uns, höhere Preise in unseren Verträgen zu fixieren. Und dies dürfte sich jetzt im Herbst günstig auswirken. Der Herbst ist ja traditionell eine Hochsaison für unser Geschäft, Wird Waberer's am Ende des Jahres also wieder schwarze Zahlen schreiben? Ja, davon gehe ich aus. Da wir börsennotiert sind, darf ich Ihnen nicht mehr sagen. Lässt sich im klassischen Ladungsverkehr überhaupt noch Geld verdienen? 80 Prozent unseres Umsatzes machen wir im Ladungsverkehr. Das ist unser Kerngeschäft, mit dem Waberer's vor rund 20 Jahren in Ungarn begonnen hat und das wir seit Jahren schrittweise in ganz Europa ausrollen. Im regionalen Bereich, auf kürzeren Distanzen, mögen andere Unternehmen uns überlegen sein. Aber als zentral geführtes Unternehmen sind wir auf den langen internationalen Distanzen im europäischen Ladungsverkehr extrem wettbewerbsfähig. Das Einzige, das das Wachstum unserer Branche einbremst, ist derzeitig der Fahrermangel in ganz Europa. Werden Sie vor diesem Hintergrund im Jahr 2025 noch Europas Billig-Trucker sein? Wir sind nicht billig! Das ist nicht das Geschäftsmodell von Waberer's. Es ist auch nicht unsere Strategie, der billigste Trucker zu sein. Wir wollen wettbewerbsfähig, aber nicht billig sein. Wenn wir wirklich billig wären, würden wir alle Ausschreibungen gewinnen. Unser Ziel sind die großen Mengen und die qualitativ hochwertigen Transporte, zum Beispiel im Automobilsektor. Dieses Geschäft ist für uns attraktiv. Und in welchen Ländern sehen Sie das größte Wachstumspotenzial? Das sind alles die Märkte, die eine starke Industrie haben, wie Deutschland, Frankreich, Polen, Vereinigtes Königreich, Italien und Ungarn - und genau in dieser Reihenfolge. Abgesehen davon ist der Maschinenbau für uns interessant, der insbesondere in UK und in Schweden, Dänemark und Finnland stark ist sowie in Spanien und Italien. Weniger interessant sind für uns Irland, Griechenland. Sind Zukäufe ein Thema für Sie, und in welchen Ländern planen Sie diese? Wir haben im vergangenen Jahr das polnische Unternehmen Link übernommen, das wir jetzt in unsere Aktivitäten integrieren. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Aber natürlich sind Zukäufe für uns immer interessant. Das hängt aber von dem einzelnen Unternehmen ab. Attraktiv sind für uns insbesondere mittelständische Transportbetriebe, die familiengeführt sind und regionale Stärken haben. Wie sieht Ihr mittelfristiges Szenario für den europäischen Verkehrsmarkt aus? Wir gehen von einem weiteren Konsolidierungsprozess aus, der sich in den nächsten Jahren deutlich beschleunigen wird. Zum einen wegen des Kundendrucks, zum anderen durch den Fahrermangel. Denn große Kunden arbeiten lieber mit großen Transportfirmen wie Waberer's. Durch unsere Größe können wir kostengünstiger produzieren als ein kleinerer Carrier und bieten qualitativ hochwertigen Service zu einem wettbewerbsfähigen Preis. Kleine und mittelständische Transportbetriebe werden dagegen in den nächsten zwei, drei Jahren sukzessive ausscheiden. Die Zukunft gehört ganz klar großen Transportfirmen wie Waberer's, die über eigene Assets und Fahrer verfügen. Deshalb investieren wir auch so viel in eigene Lkw und in moderne Technologie. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Landverkehr" Daten & Fakten Waberer's InternationalFerenc Lajkó ist seit 2016 CEO von Waberer's International mit Hauptsitz in Budapest. Waberer's International ist nach eigenen Angaben führender Flottenbetreiber im internationalen Komplettladungsverkehr (FTL) in Europa. Das Unternehmen setzt 4300 eigene Sattelzüge ein und beschäftigt 6000 Lkw-Fahrer. Zudem verfügt es über rund 200.000 Quadratmeter Logistikflächen. Im zweiten Quartal 2018 rutschte Waberer's International ins Minus. Der Umsatz stieg zwar um 16,8 Prozent im Jahresvergleich auf 184,5 Millionen Euro. Gleichzeitig sank das EBIT von 8,9 Millionen Euro (2. Q. 2017) auf 3,1 Millionen Euro (2. Q. 2018). Unterm Strich machte Waberer's im zweiten Quartal 2018 einen Verlust von 100.000 Euro. Im Vorjahreszeitraum lag der Gewinn noch bei 4,8 Millionen Euro. eh