Was nun, GLS?

Ihr Mutterkonzern Royal Mail, zu dem Paketdienstleister GLS gehört, schreibt aktuell tiefrote Zahlen. Vor diesem Hintergrund sollen Royal Mail und GLS bald getrennte Wege gehen. Ist das so? Als Vorsitzender der Geschäftsführung von GLS Germany kann ich hierzu keine direkten Auskünfte geben. Was ich sagen kann, ist, dass wir als GLS an unserer Strategie "Accelerate" festhalten, die besagt, dass wir sowohl in unseren Kerngeschäftsfeldern B2B, B2C und dem internationalen Versand wachsen wollen als auch die Transformation dieses Geschäfts in puncto Kundenzentrierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit konsequent vorantreiben werden. Fakt ist, dass GLS diese Strategie 2020 verabschiedet hat. Seitdem ist die Welt im Umbruch und gerade der E-Commerce schwächelt derzeit massiv. Sind Ihre geplanten Wachstumsziele für Sie noch zu halten? Lassen Sie mich für GLS Germany sprechen: Dieses Jahr ist in der Tat herausfordernder als wir es vorhersehen konnten. Zum einen, weil alle Unternehmen enorme Kostensteigerungen zu verkraften haben. Zum anderen, weil es möglich ist, dass sich der momentane Konsumeinbruch durch die Rezession noch deutlich verschärft. Die Folge könnte ein spürbarer Mengenrückgang sein. Nicht weil wir als GLS Germany Kunden verlieren, sondern weil alle Kunden schlichtweg weniger Geschäft machen. Ich habe da keine Glaskugel, weil das eine äußerst dynamische Situation ist. Wir haben Respekt vor der zweiten Hälfte unseres Geschäftsjahres, aber bis jetzt halten wir an unseren Ergebniszielen fest. Mit welchen Mengen und mit welchem Umsatz hatten Sie in diesem Jahr geplant, und wo werden Sie da konkret landen? Da kann ich nur erste Tendenz-Aussagen treffen, weil unser Geschäftsjahr 2022/2023 erst Ende März endet. Alles in allem wird GLS Germany voraussichtlich bei einem mittleren einstelligen Prozentrückgang der Mengen gegenüber dem Vorjahr herauskommen. Das ist eine herausfordernde Situation, aber insbesondere im Vergleich zu anderen Wirtschaftsunternehmen eine stabile Leistung. Dabei gibt es zwei Effekte. Auf der einen Seite normalisiert sich B2C nach Corona. Vor Corona lag unser B2C-Anteil bei 30 Prozent, während der Pandemie in ex-tremen Wochen bei bis zu 60 Prozent, und inzwischen pendelt sich unser B2C-Anteil bei durchschnittlich 35 bis 40 Prozent ein. Auf der anderen Seite kommt das B2B-Geschäft zurück, das während der Corona-Pandemie gelitten hat. Allerdings machen sich inzwischen in beiden Segmenten rezessive Tendenzen bemerkbar. Werden Sie vor diesem Hintergrund Ihr Umsatzniveau aus dem Vorjahr noch halten können? Unsere Ambition ist, dass wir im Geschäftsjahr 2022/23 einen ähnlich hohen Umsatz erzielen wie im Geschäftsjahr 2021/22, ohne hier bereits konkrete Zahlen nennen zu können. In Summe entwickelt sich GLS Germany, verglichen mit den veröffentlichten Geschäftszahlen vergleichbarer Unternehmen, verhältnismäßig gut. Sie haben ja nun, wie alle anderen Paketdienste auch, aufgrund des Mengenbooms der Jahre 2020 und 2021 deutlich Ihre Kapazitäten aufgestockt und auch in Neubauten investiert. Was tun Sie jetzt mit diesen überschüssigen Kapazitäten? Ich sehe da nicht so schwarz: Diese Kapazitäten, von denen Sie sprechen, sind ja die Grundlage für unser kommendes Wachstum. Wenn wir also in ein neues Paketzentrum mit viel Automatisierung investieren, wie aktuell in Potsdam, ist das eine Investition für die nächsten 15, 20 Jahre nach vorne, die übrigens auch auf unsere Ziele der technologischen und nachhaltigen Transformation einzahlt. Und 15 Jahre wird uns die aktuelle Krise, hoffe ich, nicht begleiten. Richtig ist aber, dass wir durch die momentane Krise das eine oder andere Projekt bewusst verschieben, weil wir mit kurzfristigen Effekten gerechnet haben, die jetzt nicht eintreten. Geht das so weit, dass Sie Ihr Depot-Netz hierzulande verkleinern? Nein, wir stoppen jetzt keine wichtigen Investitionsprojekte. In der Regel betrifft das eher kleinere Erweiterungen an einzelnen Standorten, die wir vorerst aussetzen. Was relevanter ist: In Deutschland verfügt GLS derzeit über rund 75 Depots. Diese Zahl werden wir ganz sicher nicht weiter aufstocken. Sie klingen erstaunlich zuversichtlich. Was ist das Erfolgsgeheimnis von GLS? Ich sagte ja bereits, dass auch wir die Krise spüren. Wichtig ist aber auch, dass GLS Germany in Deutschland nach wie vor einen hohen B2B-Anteil hat. Auch weil wir im Gegensatz zu anderen Paketdiensten sehr heterogene Paketstrukturen erfolgreich bedienen können, zum Beispiel neben den kleinen auch große Pakete, Reifen und Gefahrgüter. Während Corona hat uns das B2B-Geschäft teilweise gefehlt, jetzt sind diese Mengen zurückgekehrt. Die KEP-Unternehmen, die dank E-Commerce während Corona deutlich höhere Spitzen erlebt haben als wir, trifft also jetzt der Einbruch im Online-Handel stärker. Was uns aber wie jedes andere Unternehmen umtreibt, ist die extreme Kostenexplosion, die wir natürlich in Teilen an unsere Kunden weitergeben müssen - auch über Preissteigerungen. Das führt in Summe beim Umsatz dazu, dass sich dieser ausgleicht. Um wie viel Euro konkret sind Ihre Kosten im Vergleich zum Vorjahr gestiegen? Alles in allem sind unsere Kosten in diesem Jahr im niedrigen zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Blickt man auf die Steigerung der Energiekosten auf dem Markt, ist das bei plus 50 Prozent für Kraftstoff, plus160 Prozent bei Strom und gar plus 330 Prozent bei Gas (Stand Mitte Oktober 2022) nicht verwunderlich. Hinzu kommt in Deutschland, dass in den vergangenen 1,5 Jahren der gesetzliche Mindestlohn viermal angepasst worden ist. Zuletzt zum 1. Oktober 2022. Das ist eine Steigerung um über 25 Prozent - von 9,50 Euro pro Stunde auf zwölf Euro pro Stunde. Das bedeutet 25 Prozent Lohnkosten-Steigerung. Und diese Anhebung des Mindestlohns treibt auch die mindestlohn-nahen Löhne der anderen Mitarbeitenden. Das heißt nicht, dass wir gegen die Anhebung des Mindestlohns sind - im Gegenteil. Es ist wichtig, den vielen tausend Mitarbeitenden im gewerblichen Bereich angemessene Löhne zu zahlen und dazu steht GLS. Wir betonen nur die Herausforderung der Geschwindigkeit, mit der die Wirtschaft diese gesetzlichen Stufen umsetzen musste. Wichtig ist mir in dem Zusammenhang auch: Wir bei GLS haben auch die Entgelte derjenigen Mitarbeitenden, die auf oder über Mindestlohn lagen, in den vergangenen sechs Monaten freiwillig angehoben. Sie sagen, dass Sie die Mehrkosten in Teilen an Ihre Kunden weitergeben wollen. Um wie viel Prozent und bis wann werden Ihre Paketpreise für Geschäfts- und Privatkunden nun steigen? Ja, wir planen eine weitere Preisanpassung. Und dieses Mal werden wir deutlich höhere Kostensteigerungen einpreisen müssen als in den Vorjahren. Unsere Kosten sind im niedrig-zweistelligen Bereich prozentual gestiegen. Unsere Paketpreise im Geschäftskundensegment werden wir in Höhe der aktuellen Inflation anheben. Das verbleibende Delta müssen wir durch Effizienzsteigerungen kompensieren, das ist jedenfalls der Anspruch. Zum 1. Januar 2023 prüfen wir außerdem, wie wir unsere Paketpreise im Privatkundenbereich anpassen. Entscheidend ist bei all dem, dass wir auch und gerade in dieser Situation weiter in Innovation für unsere Kunden und die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Nachhaltigkeit investieren. In welcher Form lassen Sie Ihre Systempartner, die für GLS fahren, an diesen höheren Preisen partizipieren? Natürlich können unsere Transportpartner diese Kostensteigerungen nicht alleine stemmen. Deshalb steht GLS vor und hinter ihren Zustellpartnern, zum Beispiel beim Mindestlohn. Wir kontrollieren permanent unsere Vergütungsstruktur. Wir haben das auch in unserer Nachhaltigkeits-Strategie so verankert. Sprich: Wir lassen unsere Partner nicht im Regen stehen. Deshalb kompensieren wir natürlich auch vollumfänglich ihre Diesel-Mehrkosten und weisen nachdrücklich auf die Vorteile und Relevanz des Einsatzes von E-Fahrzeugen hin. Sie sagen, dass Sie Ihre Zustellpartner nicht im Regen stehen lassen. Was tun Sie konkret, um diesen in der aktuellen Lage zu helfen? Wir setzen uns mit offenem Visier mit unseren Transportpartnern zusammen und schauen gemeinsam, wie sich die aktuellen Kostenmehrbelastungen auf sie auswirken. Natürlich prüfen wir auch, ob der jeweilige Transportbetrieb seine Hausaufgaben macht, um eine effiziente Leistung zu erbringen. Das was aber rein faktorkostengetrieben ist, wird von uns in Form höherer Vergütungen bezahlt. Zudem ergreifen wir Maßnahmen, um unseren Transportpartnern die Arbeit leichter zu machen, etwa über digitale Tools und intelligente Tourenplanung, die ihnen hilft, so effizient wie möglich zu fahren. Klingt gut, andererseits hören angesichts der aktuellen Misere immer mehr kleinere Transport- und KEP-Betriebe auf. Welche Zukunft hat das Subunternehmer-Modell für Sie also noch? Die Logistikbranche generell ist auf diesen Bereich des Mittelstands angewiesen. Wir sprechen in der Branche von Betrieben ab zehn bis hin zu 250 Mitarbeitenden und Fahrzeugen - sowohl im Transport-, Speditions- und im KEP-Segment, die sehr viel unterwegs sind. Das ist in Deutschland ein Erfolgsmodell. Denn es hat dazu geführt, dass die Wirtschaft die Flexibilität hat, konjunkturelle Wellen auszuhalten. Klar ist aber auch, dass dieses Modell keinesfalls dazu führen darf, dass etwa Arbeits-, Lohn- oder Arbeitssicherheits-Standards nicht eingehalten werden. Die GLS steht dafür ein, dass Partner auch partnerschaftlich behandelt werden. Dafür gibt es viele, viele Mechanismen, die wir jeden Tag im Blick haben - Stichwort Compliance-Richtlinien, Audits, Präqualifizierung unserer Partner, aber auch die richtige Unternehmenskultur, die auf offener und fairer Zusammenarbeit basiert. Kurz gesagt: Ja, das deutsche Werkvertrags-Modell hat für uns ganz klar auch in der Paketlogistik eine wichtige Bedeutung, auch weil wir im Jahr zwei massive Mengenpeaks im Frühjahr und im Herbst von bis zu 40 Prozent zu bewältigen haben. Ohne die Flexibilität unserer Systempartner könnten wir diese nicht stemmen. Aufgrund der Krise brechen diese Betriebe aber zunehmend weg. Investieren Sie jetzt doch in eigene Fahrzeuge und Fahrer? Bislang haben wir kein flächendeckendes Problem, Partner zu finden. Ich glaube nicht, dass das Zufall ist, sondern daran liegt, was wir mit und für unsere Lieferanten und Partner tun. Das ist auch für uns wichtig, weil wir für unsere Kunden ein hochleistungsfähiges Transportnetz vorhalten müssen. Instabilität im Transport können wir uns nicht erlauben. Diese Strategie verfolgen wir weiter. Zurück zu Ihrer Wachstumsstrategie "GLS Accelerate", mit der Ihr Unternehmen trotz der Krise erfolgreich wachsen will. In welchen Bereichen sehen Sie Wachstumspotenzial, und welche Ziele stehen da an? GLS Germany hat im Kerngeschäft die drei Haupt-Standbeine "B2B", "B2C" und "Export". In allen drei Geschäftsfeldern haben wir uns ambitionierte Wachstumsziele gesetzt. Im B2B wollen wir Marktanteile gewinnen und unsere Kunden wissen um die Vorzüge der GLS. Aber auch in B2C sind wir zuletzt über Markt gewachsen und wollen das weiter tun, unter anderem im Fashion- und Freizeit-Segment, in der Online-Pharmazie, aber auch in High-Value-Segmenten wie etwa Electronics. Deutliches Wachstumspotenzial sehen wir auch im Export- und Importgeschäft. Wir sind bereits in Europa und Nordamerika in über 40 Märkten präsent, und wir werden uns sicher in den kommenden Jahren weiter verstärken. Und wie wollen Sie in Deutschland Wachstum heben? Wir setzen an all den Hebeln an, die ich Ihnen hier genannt habe. Zusätzlich schauen wir uns angrenzende Segmente genau an - wie zum Beispiel das Fulfillment. Die Wachstumsraten im deutschen Fulfillment liegen bei zehn bis elf Prozent pro Jahr - ein attraktives Geschäftsfeld. Abgesehen davon kann ich mir sehr gut vorstellen, gerade hier in Deutschland, mit unserer Tochtergesellschaft "der Kurier" im Expressgeschäft weiter zu wachsen. Sind für Sie hierzulande auch Zukäufe ein Thema? Durchaus. Die GLS hat international ja in den vergangenen Jahren immer wieder Zukäufe getätigt. Zuletzt haben wir zum Beispiel in Kanada einen sehr erfolgreichen Anbieter integriert. Wir investieren auch in Start-ups, zuletzt mit einer Übernahme in Frankreich, die ähnlich wie unser deutsches Start-up, das "Ecom Lab", digitale Services auf der letzten Meile entwickelt. In Deutschland und vielen anderen europäischen Märkten bieten wir unseren Endkunden mittlerweile mit unserem Produkt "Bettermile" eine lückenlose Echtzeitverfolgung auf der letzten Meile an. Die Empfänger können "live" mit uns kommunizieren und interagieren. Dadurch erreichen wir höchste Zufriedenheitswerte - auch und gerade bei Privatempfängern. Welche Art von Unternehmen ist für Sie da attraktiv? Potenzial sehe ich für GLS in angrenzenden Segmenten, etwa im Pharmalogistikoder aber im Fulfillment-Geschäft. Es geht für uns Paketdienste darum, dass wir nicht ohne Weiteres ausgetauscht werden können. Umso wichtiger ist es, dass wir uns stärker in die Wertschöpfungskette unserer Kunden integrieren und noch mehr Services bieten - auch außerhalb unseres klassischen Paketgeschäfts. Das kann so weit gehen, dass wir dank der Digitalisierung bis ins Ökosystem von klassischen E-Commerce-Unternehmen vordringen - beispielsweise als Schnittstelle zwischen Onlineshop und Versandabwicklung, sprich Software-Plattformen, die einem Shop helfen, Logistikdienstleistungen anzubinden. Wie Sie sehen: Auch in herausfordernden Zeiten halten wir an unseren strategischen Zielsetzungen, nämlich Kundenzentrierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und langfristiges Wachstum im und angrenzend zum Kerngeschäft fest. Mehr zum Thema finden Sie unter #GLS www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Trotz drohender Rezession will Karl Pfaff, Vorsitzender der Geschäftsführung des Paketund Expressdienstleisters GLS Germany, an seinen Ergebniszielen für das Geschäftsjahr 2022/23, das Ende März 2023 endet, festhalten. An welchen Stellhebeln er dafür ansetzen will und welche Rolle die externen Transportpartner für GLS spielen. Vita Karl Pfaff ist seit Juni 2022 Vorsitzender der Geschäftsführung des Paket- und Expressdienstleisters GLS Germany. Konzernmutter von GLS ist die britische Royal Mail. Pfaff startete seine Laufbahn bei GLS zunächst als Leiter der Strategie. Später übernahm er die Verantwortung für die zentrale Vertriebsentwicklung, seit 2018 dann die Führung der Region Nord. Vor seiner Zeit bei GLS war er mehrere Jahre bei der Unternehmensberatung Bain & Company sowie als Joint-Venture-Manager mehrere Jahre beim Lufthansa Konzern tätig. eh Daten und Fakten Paket- und Expressdienstleister GLS Paket- und Expressdienstleister GLS gehört zum Mutterkonzern Royal Mail. Branchenkennern zufolge sollen GLS und Royal Mail aber bald getrennte Wege gehen. Offiziell bestätigt ist dies indes nicht. GLS profitierte zuletzt, wie viele Paketdienste, stark vom E-Commerce-Boom. So stieg im Geschäftsjahr 2021/22 das GLS-Mengenvolumen auf 870 Millionen (plus vier Prozent) und der Umsatz um 9,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Aktuelle Deutschland-Geschäftszahlen nennt GLS nicht. eh

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