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VCD: Wirtschaftsverkehr profitiert von Stadtmaut

13.09.2007 16:44 Uhr
mueller
Michael Müller, VCD-Verkehrsreferent (VCD)
© Foto: VCD

Die VerkehrsRundschau fragte Michael Müller, Referent für Verkehrspolitik des Verkehrsclubs Deutschlands (VCD), zu den Plänen einiger deutscher Städte eine Citymaut einzuführen

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Mehrere Großstädte in Europa haben bereits eine Citymaut eingeführt und konnten damit die Verkehrssituation deutlich entspannen. Wie sieht die Verkehrsentwicklung in den deutschen Großstädten aus? Wo gibt es nach Ansicht des VCD Handlungsbedarf? Michael Müller: Das „Central London Congestion Charging Scheme“ ist ganz auf die spezielle Situation des Londoner Stadtzentrums zugeschnitten. Es ist eine Lenkungsabgabe, die die hohe Stauhäufigkeit in der City verringern soll. Die Mauteinnahmen sollen der Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs und dem Geh- und Radverkehr dienen. Die hohe Stauhäufigkeit ist bedingt durch die außergewöhnliche Konzentration von rund einer Million vorwiegend Büro-Arbeitsplätzen in der Innenstadt, verbunden mit der geringen Kapazität des Straßennetzes. In deutschen Städten liegt eine andere Problemlage vor. Die City ist nicht das Hauptproblemgebiet des Stadtverkehrs. Es ist eher der dichtbebaute und vorwiegend wohngenutzte Ring von Gründerzeitvierteln um die City herum, der unter den Umweltbelastungen des KFZ-Verkehrs und der totalen Inanspruchnahme der Straßenräume durch abgestellte Fahrzeuge am stärksten leidet. Verkehrsbehinderungen durch Stau sind auch hier teilweise ein Problem, aber schwerer wiegen Behinderungen und Gefährdungen für den Geh- und Radverkehr durch zu hohe Geschwindigkeiten des KFZ-Verkehrs. Ferner stellt eine anhaltende autoorientierte Suburbanisierung, die die Abhängigkeit vom Verkehrssystem Auto erhöht, ein wesentliches Problem für die Stadt und Verkehrsentwicklung dar. Wann führt Ihrer Meinung nach in Deutschland die erste Stadt eine Citymaut ein? Michael Müller: Es gibt zwar Überlegungen einiger weniger Städte, wie zum Beispiel in Hamburg, eine Citymaut einzuführen, aber das Thema ist sehr emotional besetzt und daher werden Kommunen so schnell keine Citymaut einführen. Dies kann sich aber insbesondere dann ändern, wenn weitere Maßnahmen zur Begrenzung des KFZ-Verkehrs aus Umweltgründen nötig sind beziehungsweise die Kommunen in dem Instrument Citymaut auch Möglichkeiten sehen, Einnahmen daraus zu generieren. Welche Ziele lassen sich durch die Einführung einer Citymaut realistisch gesehen umsetzen? Michael Müller: Positiven Wirkungen einer City-Maut wie bessere Erreichbarkeit des Stadtzentrums durch weniger Staus und sinkende Umweltbelastungen durch Schadstoffe und Verkehrslärm stehen negative Auswirkungen wie das Ausweichen auf mautfreie (Vor-)Stadtgebiete und in der Folge eine Verödung der Innenstädte entgegen. Die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur, Stauvermeidung und eine Verbesserung der Lebensqualität sind Gründe für die Einführung einer Citymaut. Diese Ziele können auch mit anderen Instrumenten erreicht werden, etwa mit Verkehrsbeschränkung und -beruhigung, Parkraumbewirtschaftung und einer ökologischen Finanzreform. In der Summe ergeben sich mit der Einführung einer Citymaut Vorteile für den Wirtschaftsverkehr, da die Zeitgewinne die Mautkosten mehr als aufwiegen. Zudem würden die Mautsätze bezogen auf das Ladungsgewicht kaum ins Gewicht fallen. Hierzu folgendes am Beispiel: Ein klassischer KEP-Transporter in der Innenstadt hat pro Tour zwischen 100 und 150 Paketen geladen. Eine City-Maut von fünf Euro pro Tag verteuert – bei 100 Paketen – das Paket also um fünf Cent. Erst eine drakonische Maut ab 50 Euro pro Tag würde zu einer nennenswerten Verteuerung des Transports, nämlich von 50 Cent pro Paket, das sind 10 bis 15 Prozent des Paketpreises, führen und damit auch für den Wirtschaftsverkehr eine Lenkungswirkung haben. Welche Alternativen zum LKW sehen Sie in der Nahversorgung der Städte? Michael Müller: Der städtische Güterverkehr wird auch in Zukunft überwiegend auf der Straße stattfinden. Daher gilt es, diesen so stadt- und umweltverträglich wie möglich abzuwickeln. Hier helfen Bonus-Malus-Systeme. Aus umweltpolitischer Sicht hieße das konkret: Ich lasse Belieferungen der Fußgängerzone nur noch mit besonders sauberen und leisen Fahrzeugen zu. Ich schaffe für diese Fahrzeuge vielleicht sogar besondere Haltemöglichkeiten. Ich schaffe also Anreize für realistische Lösungen, die mir helfen. Einige Kommunen setzen bereits auf diese „Nutzervorteile“für schadstoff- und lärmarme Lieferfahrzeuge. Lassen sich die Konzepte zur Einführung von Umweltzonen und Citymautpläne verbinden? Michael Müller: Citymaut und Umweltzone sind erst mal zwei verschiedene Instrumente. Bei der Einführung von Umweltzonen geht es darum, die Schadstoffbelastung für die Bevölkerung in den dichtbesiedelten Innenstadtbereichen zu verringern, indem Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß keine Zufahrt mehr erhalten. Damit soll auch die Nachrüstung mit einem Partikelfilter beziehungsweise der Kauf emissionsärmerer Fahrzeuge beschleunigt werden. Reichen auch Verschärfungen der Umweltzonenzugangsregelung nicht aus und ist auch eine Verringerung der Verkehrsmengen notwendig, könnte eine Kombination von Umweltzonen und Citymaut eine Möglichkeit sein. Dann wird allerdings der bisherige Nachweis über die Schadstoffplaketten an der Windschutzscheibe und deren stichprobenartige Kontrolle durch Polizei und Ordnungsämter nicht mehr ausreichen. (sb) Mehr zum Thema Citymaut lesen Sie in der aktuellen Titelgeschichte der VerkehrsRundschau (VR38).
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