Treibhausgase

TreibhausgaseWettkampf zwischen Bahn und LKWBahn oder LKW? Wer verursacht mehr Treibhausgase beim Gütertransport? Bei der Beantwortung dieser Frage streiten sich Nutzfahrzeugindustrie und Deutsche Bahn vor allem um den korrekten Dieselverbrauch von Lastkraftwagen. Der Bahntransport von Gütern ist nicht per se klimafreundlicher als der Einsatz von Lastkraftwagen. Diese Botschaft verkündete der Verband der Automobilindustrie (VDA) Anfang Juli (siehe VR 27/2010, Seite 12). Eine Aussage, die auch bei der Bahn kaum auf Widerspruch stößt. „Der Bahntransport von Gütern ist zwar meistens, aber nicht in jedem Einzelfall klimafreundlicher als der Einsatz eines LKW“, sagt Ulrich Ostermayer, Leiter Strategie und Prozessoptimierung im DB Umweltzentrum. So weit die Gemeinsamkeiten von Bahn und Automobilindustrie, die erst kürzlich eine engere Zusammenarbeit beschlossen hatten. Strittig aber die Frage, in welchen Fällen der LKW der Bahn bei der Emission von Klimagasen ebenbürtig oder sogar im Vorteil ist. Der VDA verweist auf die Ergebnisse einer Studie, die das Beratungshaus PE International für den Automobilverband erstellt hat (siehe Kasten unten). Die Bahn beurteilt diese Analyse kritisch: Allgemeine Aussagen darüber, wann der LKW der Bahn oder die Bahn dem LKW in Sachen Treibhausgasemissionen im Vorteil sei, halte man nicht für sinnvoll. „Um die Frage nach dem Klimavorteil adäquat zu beantworten, müssen sich Verlader die Mühe machen, Transportrelationen individuell zu analysieren und dafür ist der von uns unterstützte Umweltrechner Ecotransit World die beste Grundlage“, sagt Bahn-Experte Ostermayer. Aber gerade über dieses Berechnungstool von Treibhausgasemissionen entbrennt derzeit ein Streit zwischen Bahn und VDA. Die Automobilindustrie hat öffentlich besonders scharf kritisiert, dass Ecotransit mit Verbrauchswerten für einen voll beladenden 40-Tonnen-Sattelzug (Euro 5) von 39 bis 46 Litern Diesel je 100 Kilometer rechne. Veraltete Werte in PE/VDA-Studie„Ich weiß nicht, woher die Studienautoren diese Werte haben. Im Ecotransit werden sie jedenfalls nicht verwendet“, sagt dazu DB-Umweltexperte Ostermayer. Das Modell arbeite mit Verbrauchswerten für einen massenmäßig zu hundert Prozent ausgelasteten 40-Tonnen-Sattelzug von 37,1 Liter Diesel je 100 Kilometer. Für den leeren Sattelzug würden 22,7 Liter angesetzt. Aussagen, die durch aktuelle Kontrollrechnungen der VerkehrsRundschau am Ecotransit bestätigt werden. Gegenüber der VerkehrsRundschau räumte PE-Studienleiter Michael Spielmann jetzt ein, dass der Wert von 46 Litern zum einen aus der alten Ecotransit-Version (bis Mai 2010 im Internet verfügbar) stamme und sich der ermittelte Wert vielleicht auch um eine Fehlfunktion des Systems handeln könnte. Denn im Methodenbericht der alten Ecotransit-Version werde auf das Handbuch Emissionsfaktoren (HBEFA) verwiesen, das einen Verbrauch von 39 Litern ansetze. Zugeben musste Spielmann auch, dass der in der VDA/PE-Studie kritisierte HBEFA-Verbrauchswert von 39 Litern ebenfalls aus einer alten Veröffentlichung stamme und vom Umweltbundesamt schon im Januar 2010 auf 37,1 Liter aktualisiert wurde. VDA und PE haben in ihrer im Juli veröffentlichten Studie diese aktuell gültigen HBEFA- und Ecotransit-Verbrauchswerte nicht erwähnt. Verbrauch von 37,1 Litern zu hoch? Dennoch bleibt die Frage, ob nicht auch ein Dieselverbrauch von 37,1 Litern je 100 Kilometer für einen gewichtsmäßig voll beladenden 40-Tonnen-Sattelzug mit Euro-5-Abgastechnologie zu hoch angesetzt ist? Der VDA stützt seine Vergleichsrechnungen auf einen Verbrauch von 30 Litern. Einen solchen Wert hält DB-Umweltleiter Ostermayer für „definitiv zu niedrig“. Auch Verbrauchswerte von 30 bis 34 Litern, die in den Fahrzeugtests der VerkehrsRundschau regelmäßig ermittelt werden, hält der Bahn-Manager für zu optimistisch. „Diese berücksichtigen nicht Staus, unplanmäßige Fahrsituationen, Steigungen und Gefälle sowie den Faktor Mensch“, meint Ostermayer. Das Handbuch Emissionsfaktoren mit seinen 37,1 Litern sei, so Ostermayer, der in Europa von allen Seiten akzeptierte Datenstandard für Emissionen im Verkehr. Auch die EU-Kommission verwende diese Quelle für ihre Datenmodelle. Das HBEFA sei außerdem auch Basis für das deutsche Rechenmodell Tremod, das unter anderem vom VDA unterstützt, finanziert und in Publikationen verwendet werde. „Insofern sollte hier eigentlich ein breiter Konsens über diese Eingabedaten bestehen“, meint Ostermayer. PE-Studienleiter Spielmann hingegen hält den von ihm gewählten Verbrauchswert von 30 Litern für die CO2-Vergleichsrechnungen für am sinnvollsten und in der Praxis für durchaus erreichbar. Der Experte von PE International kritisiert deshalb am Ecotransit auch, dass Transporteure und Spediteure ihre wirklichen Verbrauchswerte nicht in das System eingeben könnten. Durch die von den Ecotransit-Machern vorgegebene ausschließliche Verwendung der HBEFA-Werte würden jegliche Bemühungen der LKW-Betreiber – zum Beispiel durch Fahrertrainings oder aerodynamische Verbesserungen Kraftstoff einzusparen – beim CO2-Vergleich mit der Bahn nicht honoriert. Das Gleiche gelte für die Routenwahl, die der Ecotransit ebenfalls unveränderbar vorgebe, kritisiert Spielmann. ❙❚■ Andre KrankeDer Transport per Güterzug muss nicht immer klimafreundlicher sein als ein LKW-TransportWann der LKW klimafreundlicher ist als die BahnLKW und Bahn liegen etwa gleichauf• Wenn Züge eingesetzt werden in der Größenordnung des durchschnittlichen Zuggewichts im nationalen Kombiverkehr (560 Bruttotonnen)• Bei einem Leerwaggonanteil eines Zuges (etwa 1000 Bruttotonnen) von etwa 25 bis 50 ProzentDer LKW ist klimafreundlicher• Wenn bei schweren Gütern aus logistischen Erfordernissen kurze Züge mit weniger als zehn Waggons benötigt werden• Bei Zügen (voll beladen, ohne Leerwagen und Leerfahrtenanteil) mit einer Länge bis circa 15 Waggons, wenn Vor- und Nachlauf mehr als zehn Prozent des Hauptlaufes betragen Basis: 40-t-Sattelzug (voll beladen, Euro 5) mit Dieselverbrauch von 30 Liter/je 100 km TreibhausgaseEcotransit verbessern und unterstützenEs ist richtig zu betonen, dass der LKW nicht in jedem Transportfall klimaschädlicher ist als die Bahn. Auch ist der Abstand zwischen Bahn und LKW in Sachen CO2-Emissionen manchmal nicht so groß wie weitläufig angenommen. Hier hat der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit der Veröffentlichung seiner Studie der Branche einen wichtigen Dienst erwiesen. Jedoch mit veralteten Zahlen den Ecotransit-Rechner öffentlich zu diskreditieren, ist nicht zielführend. Der vom IFEU und Öko-Institut entwickelte und von der Deutschen Bahn maßgeblich unterstützte CO2-Rechner ist weltweit ein einmaliges Werkzeug zur Berechnung der Treibhausgasemissionen in der Logistik, auf das die gesamte deutsche Wirtschaft stolz sein kann. Sicherlich sind Verbesserungen notwendig. Dringend ermöglicht werden muss die wahlweise Eingabe von Dieselverbrauch und Transportentfernung. Diese Werte kann jeder Fuhrparkbetreiber genau ermitteln, was zu deutlich realistischeren Vergleichswerten zwischen Bahn und LKW führt. Damit erübrigt sich auch die Diskussion, wie gut die HBEFA-Werte sind. Auch das von PE und VDA kritisierte Thema der Zuglängen und Leerfahrtenanteile ist unbedingt zu überarbeiten. Hier müssen dem Nutzer mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden, welche Dateneingaben bei welchen Transportfällen zu tätigen sind und woher er genauere Informationen für die von ihm genutzten Bahnverkehre erhalten kann. Aber Nutzfahrzeugindustrie und Logistikdienstleister sind auch aufgerufen, den Ecotransit zu unterstützen und mit weiterzuentwickeln. Denn dadurch könnte sich ein brauchbarer, in Deutschland entwickelter Standard für die CO2-Berechnung in Europa und der Welt etablieren. Ein Vorteil für jedes global agierende deutsche Logistikunternehmen und eine gute Orientierung für jeden deutschen Mittelständler. Kontakt: andre.kranke@springer.comAndre Kranke, stellv. Chefredakteur KommentarKraftstoffverbrauch im Vergleich40-Tonnen-Sattelzug massenmäßig voll beladen, Euro 5Die aktuelle HBEFA-Version setzt für einen voll beladenden 40-Tonner einen Dieselverbrauch von 37,1 Litern je 100 km an. Die VerkehrsRundschau-Praxistests zeigen je nach Motorleistung Verbräuche zwischen 30 und 34 Litern. VDA und PE rechnen mit 30 Litern Diesel. akEcotransitHBEFAVR-Testab 601 PSVR-Testbis 400 PSVDA/PEStudie38363432302837,133,430,130,0

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