Stuttgart. Ein Faktencheck der Internetplattform WikiReal hat aus Sicht der beteiligten Experten schwere Fehler beim Stresstest zu Stuttgart 21 aufgedeckt. Im Vordergrund stehen dabei Verstöße der Deutschen Bahn gegen eine eigene Richtlinie, erläuterte der Physiker Christoph Engelhardt am Freitag in Stuttgart. Demnach fallen durch Umdefinition seitens der Deutschen Bahn - extra für den Stresstest - absehbare Verspätungen durch Stuttgart 21 noch unter die Kategorie „wirtschaftlich optimale Betriebsqualität" - statt wie in der Originalrichtlinie unter die Bewertung „risikobehaftet". Die Deutsche Bahn äußerte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur „DPA" am Freitag zunächst nicht zu den Vorwürfen.
Der aus Sicht des Staatskonzerns gelungene und von Suttgart-21-Schlichter Heiner Geißler initiierte Stresstest sollte bei guter Betriebsqualität eine um 30 Prozent höhere Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofes im Vergleich zum bestehenden Kopfbahnhof nachweisen. Nach Angaben Engelhardts hätte bei Einhalten der Deutsche-Bahn-Richtlinie die Kapazität von Stuttgart 21 bei 32 Zügen in der Spitzenstunde gelegen - und nicht wie vom Unternehmen bescheinigt bei 49. Der derzeitige Bahnhof hat nach Engelhardts Angaben eine reale Auslastung von 37 und eine mögliche von 44 Zügen in der Stunde.
Als weitere von elf massiven Verstößen nannte Engelhardt das Ausblenden verspätungsträchtiger Strecken bei der Bewertung der Betriebsqualität, unrealistische Annahmen über den Zugbedarf in den Spitzenzeiten, fehlende Daten zur Belegung von Gleisen und Simulationsläufe auf Basis lückenhafter Prämissen. Engelhardt wittert einen „technisch-wissenschaftlichen Betrugsfall".
Mit der Kritik gerät nach Überzeugung von Engelhardt und seinen Mitstreitern auch der Auditor des Stresstests, die Schweizer Verkehrsberatungsfirma SMA und ihr Chef Werner Stohler, ins Zwielicht. Es sei noch ungeklärt, ob SMA die Originalrichtlinie der Bahn überhaupt vorgelegen habe, erläuterte Engelhardt. Er äußerte zumindest Zweifel an der Neutralität und Objektivität des Gutachters.
Die Deutsche Bahn wies die Vorwürfe als „billiges Wahlkampfmanöver" kurz vor der Volksabstimmung in einer Woche zurück. Auch die Stresstest-Gutachter von der Schweizer Firma SMA sahen sich in einer Stellungnahme zu Unrecht attackiert. (dpa)