Brüssel/Berlin. Im Streit um scharfe Vorschriften für Autoabgase bleibt EU-Umweltkommissar Stavros Dimas auf Konfrontationskurs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Wie heute aus der Kommission in Brüssel verlautete, dringt Dimas weiter auf eine rasche gesetzliche Regelung des Grenzwertes für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2). Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und Wirtschaftsminister Michael Glos (beide CSU) lehnen - wie schon Merkel und die deutschen Autohersteller - die Pläne strikt ab. Auch SPD-Chef Kurt Beck und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) stellten sich hinter Merkel. Angesichts der internen Auseinandersetzung in der EU-Kommission sagte der Sprecher von Präsident José Manuel Barroso, eine für heute erwartete Entscheidung über das weitere Vorgehen müsse erneut um eine Woche verschoben werden. Das Kollegium habe lediglich Vorschläge verabschiedet, die den Einsatz von Biokraftstoffen erhöhen und so Benzin und Diesel umweltfreundlicher machen sollen. Ursprünglich sollten Kohlendioxid-Grenzwerte und Kraftstoff-Vorgaben gemeinsam verabschiedet werden. In der Brüsseler Behörde will Industriekommissar Günter Verheugen nicht allein der Autoindustrie Auflagen machen, um den CO2-Ausstoß bis 2012 auf durchschnittlich 120 Gramm pro Kilometer zu drücken. Er plädiert für einen Maßnahmen-Mix, zu dem intelligente Verkehrsführung wie auch Sprit sparende Reifentechnologie gehören sollen. Hingegen rechnen Experten aus dem Umfeld von Dimas vor, dass sparsame und umweltfreundlichere Motoren nur auf den ersten Blick teurer seien. Im Durchschnitt werde ein Auto beim Kauf etwa 400 bis 500 Euro mehr kosten. Allerdings betrage die Sprit-Ersparnis nach zwei Jahren im Durchschnitt 3000 Euro. Den Wert von 120 Gramm CO2 pro gefahrenen Kilometer hatte die Autoindustrie in einer freiwilligen Selbstverpflichtung von 1998 selbst angepeilt. In einer Zwischenetappe sollte 2008 der durchschnittliche Ausstoß auf 140 Gramm pro Kilometer sinken. Da dieses Ziel bisher nur von wenigen Herstellern erreicht wird, will Dimas die Konzerne nun gesetzlich auf Grenzwerte verpflichten. SPD-Chef Beck sprach sich in Brüssel für eine Übergangszeit aus. Wie lange diese Frist sein sollte, müssten Fachleute entscheiden, sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident nach einem Gespräch mit Verkehrskommissar Jacques Barrot. Es seien zudem Grenzwerte für CO2 nötig, „die nicht die Automobilindustrie aus Europa herausdrängen“. Diese Position sei mit der Union abgestimmt. Glos nannte Dimas' Pläne „unannehmbar“. „Wir werden uns dagegen wehren, alles über einen Kamm zu scheren“, sagte Glos in Berlin. Die bei Mittel- und Oberklasse-PKW führende deutsche Autoindustrie dürfe nicht über Gebühr belastet werden. Die Branche warnt vor massiven Jobverlusten, sollte von 2012 an für neu zugelassene Autos in der EU eine Obergrenze je Flotte von 120 Gramm CO2 gelten. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht die Bundesregierung in der Diskussion um Klimaschutzauflagen für Autos auf einer Linie mit der EU-Kommission. „In den wesentlichen Punkten gibt es gar keine große Differenz“, sagte Gabriel. Die Autoindustrie müsse die CO2-Begrenzung auf 120 Gramm pro Kilometer erfüllen. Er sprach sich für ein stufenweises System aus. Stoiber forderte in München, dass die Kommission ihre Berechnungen über die Folgen für die Arbeitsplätze in der Autobranche vorlegen müsse: „Die Europäische Kommission muss hier die Karten auf den Tisch legen“, sagte er. Nach Ansicht Stoibers könnte ein vernünftiger Ausgleich zwischen den Klimaschutzzielen und der europäischen Automobilbranche in nach Fahrzeugklassen differenzierten CO2-Grenzwerten liegen. DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche bekannte sich zu weiteren Treibstoffeinsparungen im Automobilbau. „Wir haben bereits massiv den Verbrauch reduziert und werden weiter daran arbeiten - im Rahmen der physikalischen Grenzen“, sagte Zetsche heute. (dpa)
Streit um Abgas-Grenzwerte gewinnt an Härte
EU-Kommission verschiebt Entscheidung: SPD-Chef Beck spricht sich für eine Übergangszeit aus