Strategiewechsel

Die fünf wichtigsten Maßnahmen Im MasterplanInhalt: Die Maßnahme hört sich harmlos an, hat es aber in sich. Denn dahinter verbirgt sich die Beseitigung von Engpässen auf Schiene und Straße. Bei der Schiene soll die Strategie Netz 21 fortgesetzt werden. Bei der Straße wird der Ausbau der Autobahnen auf sechs beziehungsweise acht Spuren genannt. Beginn: sofort.Warum? Staus auf der Straße, aber auch auf der Schiene, vor allem auf den Nord-Süd-Relationen. Das Problem: Das Geld. Vor allem der Ausbau der Straße dürfte teuer werden. Das wissen auch die Autoren des Masterplans und schreiben: Für diese Maßnahme ist "eine deutliche Verstärkung der Investitionsmittel erforderlich". Zahlen werden nicht genannt. Das verheißt nichts Gutes.Chancen für Umsetzung: Gering. Sicher, es wird den einen oder anderen Ausbau geben (Hafenhinterlandverkehr, PPP-Vorzeigeprojekte). Während jedoch bei vielen anderen Maßnahmen zumindest Circa-Beträge genannt werden, scheut sich das Ministerium, hier Zahlen zu nennen. Und wenn das Ministerium beim Finanzbedarf schweigt, ist das ein Indiz dafür, dass man selber nicht glaubt, Steinbrück könne für diesen umfangreichen Bedarf die gewünschten Gelder lockermachen.Inhalt: Auf europäischer Ebene sollen Möglichkeiten ausgelotet werden, wie Transitverkehre durch Schaffung neuer Anlieferungswege verkürzt oder weit gehend vermieden werden können. Beginn: sofort.Warum? Der Transitverkehr soll laut Prognosen doppelt so stark zunehmen wie der Güterverkehr in Deutschland insgesamt und blockiert damit nationale und grenzüberschreitende Verkehre. Das Problem: "Das ist ein Rückfall in alte Regulierungszeiten", sagt Heiner Rogge, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) und steht mit dieser Kritik nicht alleine da. "Wie kann man als Exportweltmeister, der auf den Transit seiner Waren im Ausland angewiesen ist, seinerseits im Inland den Transit verbieten", sagt sein Kollege Karlheinz Schmidt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL).Chancen für Umsetzung: Null. Auf einer Rangliste der Maßnahmen, die am meisten Kopfschütteln hervorgerufen hat, wäre dieser Maßnahme Platz eins sicher. Und wie eine Aussperrung des Transitverkehrs mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs in der EU in Einklang gebracht werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Inhalt: Das Ministerium will ein Konzept zur verstärkten Einbeziehung externer Kosten bei der Berechnung der Mauthöhe erarbeiten. Beginn: unklar.Warum? Die externen Kosten trägt die Gemeinschaft, nicht der Verursacher. Dies will das Ministerium ändern. Außerdem hat das Bundeskabinett beschlossen, im Rahmen der CO2-Verringerung den LKW stärker zur Kasse zu bitten. Das Problem: Die Berechnung. Wie hoch die externen Kosten sind, darüber streiten sich die Gelehrten seit Jahren. Einig sind sie sich allerdings darin, dass eine Anlastung zu einer Verteuerung des Straßengüterverkehrs führen wird.Chancen für Umsetzung: Hoch. Denn auch die EU befürwortet eine solche Maßnahme und forciert im Rahmen der demnächst bevorstehenden Änderung der EG-Wegekostenrichtlinie eine Anlastung der externen Kosten des LKW-Verkehrs. Ein gravierendes Problem gibt es allerdings: Denn die Erhöhung der Maut kommt so lange nicht infrage, wie das Harmonisierungsversprechen noch nicht eingelöst ist. So lautet der derzeit gültige Deal zwischen dem Ministerium und dem Gewerbe. Tiefensee hat angekün-digt, schon bald entsprechende Vorschläge auf den Tisch zu legen. StrategiewechselMehr als zwei Jahre hat die Verkehrswirtschaft auf den Masterplan Güterverkehr und Logistik gewartet. Jetzt ist er da, empfangen mit harscher Kritik aus der CDU und vielen Verkehrsverbänden.Zweieinhalb Jahre wurde ausgiebig über den Masterplan diskutiert und spekuliert. Mehr als 700 Experten zerbrachen sich in diversen Workshops ihre Köpfe, um ein Papier zu entwerfen, das maßgeblich die Zukunft des Logistik- und Wirtschaftsstandortes Deutschland prägen soll. Und dann musste es plötzlich ganz schnell gehen. Keine 24 Stunden lagen zwischen der Versendung der Einladung des Bundesverkehrsministeriums und der Vorstellung des Masterplanentwurfs.Auf der Pressekonferenz präsentierte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee das mit Spannung erwartete Werk. 37 Einzelmaßnahmen, mit denen dem rasant steigenden Güterverkehrsaufkommen begegnet werden soll, bilden den Kern. Dazu sollen in den nächsten Jahren mit einer Milliarde Euro zusätzlich die Verkehrswege modernisiert und erweitert werden.Man könnte meinen, dass der Masterplan angesichts der langen Vorbereitungszeit wie ein Befreiungsschlag gewirkt hat. Doch weit gefehlt. Noch bevor die Einzelheiten des Entwurfs bekannt wurden, kam es zum Eklat. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dirk Fischer, ursprünglich eingeladen zu der Pressekonferenz, sagte seine Teilnahme ab. Denn das Ministerium hatte weder den Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) noch den Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) zur Vorstellung des Masterplanes geladen. Da der Plan das Gewerbe zu 75 Prozent betreffe, sei er nicht bereit, "diese sachlich unhaltbare Ausgrenzung mitzumachen, zumal das Papier bisher weder innerhalb der Bundesregierung noch mit dem Koalitionspartner CDU/CSU abgestimmt worden ist", zürnte Fischer. Zudem sei eine Anlastung aller Wegekosten durch die Autobahnbenutzung in Europa noch höchst umstritten.Massive Kritik übte Fischer auch an den Finanzierungsgrundlagen. Es sei richtig, dass die Infrastrukturinvestitionen erheblich gesteigert werden müssten, doch "eine konkrete Angabe, in welcher Weise und Höhe das erfolgen soll, fehlt. Dies ist aber das allein Entscheidende." Fischers SPD-Kollege Uwe Beckmeyer nahm ebenfalls an der Pressekonferenz nicht teil und mahnte: "Es muss sichergestellt werden, dass die in dem Maßnahmenkatalog formulierten Vorhaben finanziell gedeckt sind."Tiefensee ließ durchblicken, wie die Finanzierung erfolgen soll, und zwar im Wesentlichen durch eine Erhöhung der LKW-Maut und die Anlastung externer Kosten wie Luftverschmutzung, Klima- und Unfallschäden. Noch in diesem Jahr will der Minister eine Staffelung der Mautgebühren prüfen lassen. Eine PKW-Maut schloss er aus. Einsetzen will sich Tiefensee zudem für eine Erhöhung der Haushaltsmittel. Er zeigte sich zuversichtlich, dass dies gelingen werde.Zugleich kündigte der Ressortchef Vorschläge an, wie das Versprechen der Harmonisierungszusage von 600 Millionen Euro jährlich eingelöst werden soll. Das Güterkraftverkehrsgewerbe werde "in Kürze" informiert, versprach Tiefensee. Nachdrücklich lehnte er einen Einsatz von Riesen-LKW auf deutschen Straßen ab. "Unkollegial", da einem Beschluss der Verkehrsministerkonferenz widersprechend, nannte er die Entscheidung Thüringens, Pilotversuche mit so genannten Gigalinern fortzusetzen. Politik und Wirtschaft reagierten im Großen und Ganzen skeptisch. Der Grünen-Verkehrspolitiker Winfried Hermann bemängelte, der Masterplan sei eine Aufzählung von Möglichkeiten und Maßnahmen ohne Prioritätensetzung. "Eine Finanzierungsstrategie fehlt." Im Übrigen widerspreche das Konzept den selbst formulierten klimapolitischen Zielen der Regierung. Hermanns Fazit: "Das war wieder einer von Tiefensees Schnellschüssen." FDP und "Die Linke" sahen sich zu einer Reaktion auf den Masterplan nicht in der Lage.Zweifel an der UmsetzungHeiner Rogge, Hauptgeschäftsführer des DSLV, begrüßte die Absicht, dass der Investitionsetat für die Verkehrsinfrastruktur angehoben werden soll. Allerdings sei die angekündigte eine Milliarde Euro zu wenig, um das prognostizierte Wachstum aufzufangen. In einem Schreiben an den Bundesverkehrsminister hatte DSLV-Präsident Michael Kubenz diese Woche noch zwei Milliarden Euro Investitionsmittel gefordert. Zudem zeigte sich Rogge skeptisch, ob der Ankündigung des Bundesverkehrsministeriums auch tatsächlich Taten im gleichen Ausmaß erfolgen. Rogge nannte das Beispiel LKW-Maut. Die Einnahmen daraus seien auch nicht wie ursprünglich versprochen zusätzlich dem Verkehrshaushalt zugeschlagen worden: Vielmehr wären im Gegenzug an anderer Stelle im Verkehrs-etat Einnahmen aus allgemeinen Steuern gestrichen worden. Massive Kritik übt der BGL an dem Entwurf. "Der Masterplan ist enttäuschend und irreführend", sagte der Hauptgeschäftsführer des BGL, Karlheinz Schmidt. Irreführend deshalb, weil mit dem Masterplan "Verlagerungsfantasien" in der Öffentlichkeit geweckt würden, die in der Praxis nicht gehalten werden können. Schmidt verweist auf ein Gutachten, das vom Haus Tiefensee in Auftrag gegeben wurde. Danach wächst der Schienengüterverkehr bis 2025 um 60 Milliarden Tonnenkilometer (tkm) auf insgesamt 152 Milliarden tkm, der Straßengüterverkehr hingegen um 392 Milliarden tkm. "Da kann doch nicht annähernd von einer Verlagerung die Rede sein", empörte sich Schmidt. Um die im Masterplan anvisierten 190 Milliarden tkm zu erreichen, müssten zudem unrealistisch hohe Investitionen getätigt werden, die mit einem Planungshorizont von 15 Jahren nicht zu schaffen seien. Schmidt befürchtet, dass über die Schiene die externen Kosten der LKW exorbitant verteuert werden. "Dies ist ein gigantisches Verteuerungsprogramm für den Standort Deutschland, der dann nicht nur mit den höchsten Lohnkosten in Europa, sondern auch den höchsten Verkehrskosten zu kämpfen hat", so Schmidt. Als Konsequenz daraus befürchtet er den Verlust von tausenden von Arbeitsplätzen, weil das deutsche Transportgewerbe nicht mehr wettbewerbsfähig sei im Vergleich zu der ausländischen Konkurrenz. Kritik kommt auch aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Zwar enthält der Entwurf nach Ansicht von Carsten Kreklau, Hauptgeschäftsführer des BDI, gute Vorschläge für eine Stärkung des Logistikstandortes. "In einigen Punkten muss der Masterplan aber deutlich nachgebessert werden. Die ohnehin zu hohen Kosten der Mobilität dürfen nicht weiter in die Höhe getrieben werden", sagte Kreklau. So würden alleine bei Straße und Schiene jährlich zwei bis drei Milliarden Euro fehlen, um strategische Knoten auszubauen und Engpässe zu beseitigen. Der Vorschlag, mit zunehmender Entfernung die LKW-Maut pro Kilometer zu verteuern, führe "in die völlig falsche Richtung" so Kreklau. Auf völliges Unverständnis stieß der Masterplan in der Binnenschifffahrt. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB), Gunther Jaeger, sprach von "einem Reklamepapier für die Eisenbahn" (s. Kasten unten).Positiv reagierten die Bahnverbände auf den Entwurf. "Die Weichen für den Wandel zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik sind gestellt", sagte Allianz-pro-Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege. Als "großen Wurf" lobte der Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Günter Elste, den Masterplan. Lob für Vermarktungsoffensive Auch das Deutsche Verkehrsforum begrüßte den Entwurf. "Damit sind Themen wie der Infrastrukturausbau ganz oben auf der bundespolitischen Tagesordnung angekommen", zeigte sich Thomas Hailer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, zufrieden. Allerdings seien die finanziellen Mittel noch nicht ausreichend, um die Lücke im Verkehrshaushalt zu schließen. Als positiv hob er die Maßnahmen zur besseren Vermarktung des Logistikstandortes Deutschland hervor sowie die Bindung der meisten Maßnahmen an feste Termine. So ist zumindest der Versuch gemacht, dass es nicht zu ähnlichen Verspätungen kommt wie bei der Veröffentlichung des Masterplans selbst.❙❚■ Michael Cordes, Jörg KürschnerInhalt: Das Bundesverkehrsministerium will die Fördermittel für den Bau/Ausbau von Umschlaganlagen des KV um 87,5 Millionen Euro von 62,5 Millionen Euro auf jährlich 150 Millionen Euro erhöhen. Damit zählt diese Maßnahme finanziell zu einem der größten Posten des Masterplans. Beginn: 2009.Warum? Laut aktuellen Prognosen soll der KV bis 2025 überproportional steigen. Auf ein solches Wachstum sind die Umschlaganlagen jedoch nicht vorbereitet, da es jetzt schon Engpässe gibt.Das Problem: Neue und größere Terminals alleine sorgen noch nicht für mehr Güter auf der Bahn. Auch müssen Trassen verfügbar und die Pünktlichkeit der Züge gewährleistet sein.Chancen für Umsetzung: Hoch. Denn ohne Frage ist der politische Wille groß, die Bahn zu fördern. Wie sonst lässt sich erklären, dass die Bahn als einziger Verkehrsträger im Masterplan ein eigenes Kapitel erhalten hat ("Mehr Verkehr auf die Schiene"). Ob es allerdings mit all diesen Maßnahmen (Abschaffung der Stromsteuer, Weiterentwicklung von Umschlagtechniken und Organisation im KV) tatsächlich gelingt, die Verkehrsleistung im KV um 49,3 Milliarden Tonnenkilometer zu erhöhen, bleibt abzuwarten. Inhalt: Einführung einer Förderrichtlinie zur Unterstützung von Pilotprojekten zum verstärkten Einsatz von innovativen Technologien. Beginn: 2009.Warum? Mit neuen Technologien, Systemen und Dienstleistungen soll die Infrastruktur besser genutzt werden. Beispiele sind längere Züge auf ausgewählten Strecken, Galileo-Anwendungen und Verkehrstelematik-Lösungen für die Steuerung des LKW-Fuhrparks. Das Problem: Eine Förderrichtlinie ist das eine. Die Umsetzung und vor allem die Bewährung solcher Themen im Alltag, wenn die Fördermittel nicht mehr fließen, das andere. Chancen für Umsetzung: Eigentlich hoch. Denn die Wirtschaft sagt nie Nein zu solchen Angeboten. Zumal es auch bereits erste Erfolgsmeldungen dazu gibt. So hat Railion im letzten Monat das erste Mal 30 Güterzüge mit mehr als 800 Meter Länge zwischen Hamburg und dem dänischen Bahnhof Ringsted gefahren. Bislang waren in Deutschland nur Zuglängen von maximal 700 Metern möglich. Der Haken dieser Maßnahme: Das Budget wird auf jährlich 100 Millionen Euro geschätzt. Ob tatsächlich so viel Geld bewilligt wird? cd

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