Spedition Striebich

Spedition Striebich Lug und Trug auf der Spur Wie die Spedition Striebich aus Muggensturm Betrüger überführt, die falsche Gewichtsangaben machen.Auch bei schlecht verpackter Ware oder Fahrerflucht liefert Striebich wasserdichte Beweise – 24 Stunden am Tag. Spurensicherung: 60 Kameras überwachen jeden Winkel, 24 Stunden am Tag. Seit die Spedition Striebich ihre Umschlaghalle und das Außengelände am Hauptsitz in Muggensturm rund um die Uhr mit einem Videosystem observiert, spart sie rund 60.000 Euro pro Jahr. „Wir hatten früher Partner, bei denen jede Palette angeblich 150 Kilogramm gewogen hat“, erinnert sich Speditionsleiter Volker Baumgart. Tatsächlich war das Gewicht aber deutlich höher. Striebich ist Mitglied der Mittelstandskooperation Online Systemlogistik. Bei Online sind 150 Kilogramm pro Palette das Minimum, das innerhalb der Kooperation bezahlt werden muss. Etwa 15 Prozent der täglichen Sendungen der Online Systemlogistik wurden mit falschen Gewichtsangaben geliefert. Die Sammelgutspedition wurde betrogen – und zahlte drauf. Ebenfalls ärgerlich waren Transportschäden. Viele Sendungen hatten beim Wareneingang einen leichten Schaden, später beim Empfänger wiesen sie wegen mangelhafter Verpackung einen deutlich größeren auf. Schlecht für Striebich: Die Spedition konnte ihre Unschuld oft nicht beweisen. „Die Kunden behaupten immer, ihre Ware ist superklasse verpackt“, sagt Baumgart. Fahrerflucht war auch Realität in Muggensturm. Immer wieder beschädigten LKW-Fahrer Striebich-Fahrzeuge, wenn sie auf dem Hof rangierten oder andockten. Ihre Anrempler behielten sie dann für sich. Striebich mangelte es an Beweisen. Über 200.000 Euro kostete die Technik Geschäftsführer Herbert Striebich wollte sich schließlich nicht mehr betrügen lassen. Rund 200.000 Euro nahm er 2009 in die Hand, rüstete seine Firma mit modernster Industrie-Überwachungstechnik aus und dokumentiert seit Anfang 2010 alles mithilfe eines Videosystems von Divis und eines Wiege-Mess-Systems von AKL Tec. Die 2900 Quadratmeter große Umschlaghalle in Muggensturm funktioniert nach dem Durchfluss-Prinzip. Das bedeutet, dass die Ware aus den Wareneingangstoren der Kopfseite der quaderförmigen Halle ausschließlich in eine Richtung zu den Warenausgangstoren der Längsseite fließt. Eine Kamera überwacht dabei jeweils zwei Tore. Schwarze Quadkameras unter der Decke lassen 360 Grad der Halle nicht aus dem Blick. Vor den Toren: LKW-Fahrer mit angemeldeter Eingangsware tippen von außen einen Code ein, um in die Umschlaghalle zu gelangen. Alle anderen suchen das Speditionsbüro auf, um sich anzumelden und reingelassen zu werden. Entladung: Mit einem Scanner meldet sich der Fahrer in der Halle am Barcode des von ihm benutzten Eingangstors an. Das Tor öffnet sich: Jeder Barcode auf der entladenen Fracht wird mit Scanner eingelesen. Dann fertigt ein Drucker ein neues, auf die Bedürfnisse von Striebich zugeschnittenes Label an. Wird die Ware umgeschlagen und reist weiter, beklebt der LKW-Fahrer sie mit einem Transport-Barcode-Label. Soll sie im Lager zwischenparken, bekommt sie ein spezielles Barcode-Label für die Lagerung. Zustand der Ware wird gecheckt Zu jeder Zeit kann Striebich so mit Filmmaterial und Barcode-Informationen lückenlos nachweisen, welche Ware wann wo verblieben ist. In welchem Zustand die angelieferte Ware tatsächlich ist und was sie wirklich wiegt, ermittelt ein Lagerarbeiter. Mit einem Linde-Stapler fährt er die Palette auf die Wiege- und Messstation an den Eingangstoren. Fehlmessungen sind dabei ausgeschlossen. Das Gewicht des Flurförderzeugs wird vom Gesamtgewicht abgezogen. Von oben startet ein speziell mit der Waage verbundener Scanner, der die Ware in Sekundenschnelle von allen Seiten vermisst. Zwei Kameras fotografieren und filmen den Vorgang. 120 dieser Vorgänge werden pro Stunde durchgeführt. Alle eingehenden Paletten zu scannen schafft Striebich trotzdem nicht. Kundeneigene Paletten werden zu 100 Prozent gewogen, die von Online-Partnern zu mindestens 80 Prozent. Transportschäden und Gewichtsbetrug entgehen den Adleraugen nicht. Das Wiege- und Messsystem überführt jeden mit wasserdichten Beweisen. Die Toleranzgrenze ist gering – und geheim. Falsch deklariertes Gewicht korrigieren Dokumentiert werden in Echtzeit Gewicht, Länge, Höhe, Breite, Volumen, Datum, Barcode-Nummer und zwei Fotos der Palette. Mit dem Speditionsprogramm Dinas von der Firma Strübing Datensystemberatung kooperieren das Videosystem von Divis und das Wiege-Mess-System von AKL Tec einwandfrei. Wenn das tatsächliche Palettengewicht vom angegebenen abweicht, rechnet das System automatisch den neuen, richtigen Preis ab. Das gilt auch für zu schwer angegebene Ware. Wenn sich ein Kunde beschwert, schickt Striebich die Fakten per E-Mail und weist das eigentliche Gewicht nach. Waage und Scanner sind geeicht, Rückfragen oder Rechtsstreitigkeiten gibt es dann keine mehr. Außerdem kann die Spedition durch das Divis-Videosystem in der Schadensbearbeitung einige Zahlungsaufforderungen ablehnen. Und wenn doch bezahlt werden muss, ist der Aufwand gering. Das Schadensprogramm übernimmt alle Daten aus dem Speditionsprogramm. Nur ein bis zwei Sätze muss die Spedition manuell eintragen. „Schadensabwicklung ist für uns unendlich leichter geworden“, sagt Striebich. Und die 200.000-Euro-Hightech-Investition amortisiert sich in gut drei Jahren: 60.000 Euro spart Striebich jährlich mit dem Überwachungssystem ein. Den Muggensturmern geht es bei der Überwachung nicht nur um Detektivarbeit. Es geht um Qualität. Striebich verfolgt ein klares Ziel: „Wir wollen auch innerhalb der Online Systemlogistik bei den Besten sein.“ Bei der Kooperation ist Striebich technischer Pionier, Videoüberwachung wird dort erst 2014 Pflicht. Die Spedition will sich von der Konkurrenz abheben. Sie dokumentiert ihre Zustellquote mit der Kundenrechnung pro Sendung. Einige Konkurrenten können das nicht. Die Videoüberwachung ist aber auch aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus entstanden. Striebich verlädt wöchentlich drei bis fünf Container nach Amerika. Und der US-Zoll ist scharf: Container mit Reiserichtung USA müssen ununterbrochen videoüberwacht werden. Die Amerikaner haben das Videosystem sogar vor Ort überprüft. Die Kameras dienen grundsätzlich der Sendungserfassung. „Der Mitarbeiter auf dem Video wird erst interessant, wenn Ware entwendet wird“, sagt Striebich. Einen Betriebsrat haben die Muggensturmer nicht. Die Mitarbeiter fühlen sich nicht überwacht, so Baumgart. Um das Datenschutz-Risiko zu minimieren, haben nur drei Personen Zugang zu den Videos – der Geschäftsführer, der Speditionsleiter und eine Schadensbearbeiterin. Nur aus konkretem Anlass werden sie tätig. Fahrerflucht kein Thema mehr Da auch das Außengelände der Spedition Tag und Nacht erleuchtet und videoüberwacht ist, ist Fahrerflucht bei Striebich kein Thema mehr. Wenn heute ein Fahrzeug auf dem Hof angefahren wird und der Täter sich davonstiehlt, übergibt Striebich das Video-Beweismaterial der Polizei. Entsprechende Filmstellen können lupenrein angesteuert und Beweisfotos entnommen werden. Alle Bewegungen auf dem Firmengelände bleiben drei Monate lang gespeichert. Auch Diebe würden bei Striebich durch die Videoüberwachung in flagranti erwischt – mit 60 Objektiven, 24 Stunden am Tag. ❙❚■ Johanna Koch Der Prozess: LKW-Fahrer melden sich mit einem Scanner am Barcode (r. oben) an. Dann wird jede Auto-ID auf der Fracht gescannt. Ein Drucker (r. unten) produziert das entsprechende Label Spurensuche: der Weg der Ware bei Striebich Gewichtstest: Ein Lagerarbeiter fährt die Palette mit einem Stapler auf die Wiege- und Messstation Akkurat: Das Gewicht des Flurförderzeugs wird vom Gesamtgewicht abgezogen Wasserdichte Beweise: Die Software zeigt Länge, Breite, Höhe, Volumen, Fotos und Videos der Fracht Von oben vermessen Scanner (l.) die Fracht; gleichzeitig filmen und fotografieren Kameras (r.) die Ware Speditionssoftware: Dinas, Baden-Baden Videosystem: Divis (Deutsche Industrie Video Systeme), zumeist digitale Kameras Wiege-Mess-System: AKL Tec Kameras: 60 Videokameras am Hauptsitz im Umschlaghallen- und Außenbereich Waage: 1 Waage im Wareneingangsbereich, weil Striebich ein Durchflussprinzip hat Kosten: 180.000 Euro für Kameras und Waage-System, 30.000 Euro für die Installation Amortisation: 3 Jahre Kontrollquote: 100 Prozent der kundeneigenen Paletten und mindestens 80 Prozent der Paletten, die über das Hub-System der Online Systemlogistik kommen Kontrolldauer: 120 Scans pro Stunde Erfolgsquote: 15 Prozent der täglichen Sendungen haben falsche Gewichtsangaben Datenspeicherung: 3 Monate Speicherkapazität: 12 Terabyte jko Spedition Striebich Umschlaghalle: 2900 Quadratmeter Lager: Ein Lager am Hauptsitz mit 2500 Quadratmetern, drei Außenläger mit insgesamt 6000 Quadratmetern, überwiegend Blocklager Lagerkapazität: Block- (15.000 Stellplätze) und Hochregallager (4000 Stellplätze) Umschlag: 150.000 Sendungen pro Jahr Umschlag in der Lagerlogistik: etwa 125.000 Paletten beziehungsweise etwa 1.400.000 Colli/KLT jährlich, 5000 bis 10.000 Artikel pro Jahr Laderampen: 6 Wareneingangstore und 18 Ausgangstore in der Umschlaghalle Außengelände: 17.000 Quadratmeter (ohne angemietete Flächen) Stapler: Linde (8 Schnellläufer, 5 Regalbediengeräte, 5 Gasstapler, 4 Dieselstapler) Mitarbeiter Spedition: 70 Angestellte, davon 16 Lageristen für Umschlag und Lagerlogistik Schichtbetrieb: Am Umschlaglager zeitversetzt von 4 Uhr bis 22 Uhr (8 Männer), in den Logistiklägern ebenfalls zeitversetzt von 5 Uhr bis 20 Uhr (mit 8 Männern), im Speditionsbüro teilweise zeitversetzt von 4 Uhr bis 22 Uhr Eigener LKW-Fuhrpark: 6 Fahrzeuge (12-Tonnen-LKW), 10 Fahrzeuge (40-Tonnen-Sattelzüge), 10 sonstige Fahrzeuge LKW-Marken: Mercedes-Benz und DAF Anzahl der Subunternehmer: 22 Fahrzeuge im Volleinsatz disponiert und etwa 30 LKW von Stammunternehmern im Chartergeschäft jko Der Firmenhauptsitz in Muggensturm Long-Range-Scanner erfassen Barcodes an der Decke Stapler überfahren Barcode-Aufkleber auf dem Boden. Die Codes werden unlesbar. Das war gestern. Die Lösung der Spedition Striebich in Muggensturm ist eine Schnur unter der Decke des Blocklagers, an der Barcodes hängen. Die Abstände zwischen den Codes entsprechen der daruntergelagerten Ware. Sobald der Mitarbeiter die Ware einlagert oder entnimmt, scannt er erst den Barcode auf der Ware, dann den des Lagerplatzes ein. Beide werden verheiratet. Während früher mit einem normalen Scanner der Boden-Barcode anvisiert wurde, können die Barcodes heute mit einem Long-Range-Scanner an der Decke eingelesen werden. Im Hochregallager kleben die Barcodes einfach auf den Regalzeilen. Auch dort werden Ware und Standort verheiratet. Da alle Läger bei Striebich per Lan-Verbindung miteinander verbunden sind, ist rund um die Uhr einsehbar, welche Ware wann wo lagert. „Die Fehlerquote geht mittlerweile gegen null“, sagt Logistikleiter Volker Baumgart. Die Muggensturmer behalten so auch bei chaotischer Lagerung den Überblick. Neben der klassischen Paletten-Einlagerung im Block- und Hochregallager kommissioniert Striebich auch zwischengelagerte Produktionsteile für ihre Kunden. Ein Großkunde ist der Automobilzulieferer Witzenmann, der selbst keine Lagerfläche hat. Striebich holt die Produktion gleich in der Fabrik ab, dementsprechend wahllos werden die LKW bei Witzenmann befüllt. Bei Striebich wird die Ware zwischengelagert und erst im Laufe des Tages bekommt die Spedition den Auftrag, wohin die Ware geht – ins Lager oder auf die Reise. jko Früher wurden auf dem Boden klebende Barcodes von Staplern überrollt Heute hängen die Barcodes an der Decke und werden mit Long-Range-Scannern eingelesen

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