Schwerpunkt Reifen

Schwerpunkt Reifen Teurer und sparsamer Der Schwerpunkt Reifen erklärt, weshalb die Reifenpreise explodieren und wie die Hersteller versuchen, diese Kosten mit Runderneuerungsangeboten, Spritsparmodellen und höheren Achslasten etwas zu lindern. Michelin propagiert es schon lange, die anderen Premiummarken ziehen geschlossen nach bei der Heißrunderneuerung. Dahinter steckt die Option, die Eine-Million-Kilometer-Karkasse Realität werden zu lassen. Diese Kilometerleistung hält Goodyear für die eigene Karkasse bei guter Pflege für möglich. Eine Strecke, die auch Michelin-Kunden schon geschafft haben wollen, was neben den hohen Preisen, einem passenden Service und Marketing sicher nicht unerheblich zur Legendenbildung der französischen Marke beigetragen hat. Die Franzosen präsentierten ihrerseits die Nachfolger der XDE- respektive XZE-2+-Serie, die jetzt Multiway 3D XZE und -XDE heißen. Sie zeichnen sich gegenüber den Vorgängern in erster Linie durch neue dreidimensionale Deltalamellen aus, die bis tief in den Profilgrund reichen und so für Grip auch auf nassen oder vereisten Straßen sorgen sollen. Beim XDE-Multiway für die Antriebsachse setzen die Franzosen auf die bekannten doppelt gewellten dreidimensionalen Lamellen, die den Profilblock stabilisieren und die Laufleistung erhöhen sollen. Sind die Pneus zu zwei Dritteln abgefahren, bilden sich neue Profilkanten, die dem Reifen wieder mehr Grip geben. Gegenüber dem Vorgänger soll sich auch der Bremsweg verkürzt haben. Für den Bau stellt Michelin außerdem den neuen X Works vor, der als XDY für die Antriebsachse, als XZY für alle Achspositionen konzipiert wurde. Er ist ab September in den Dimensionen 13 R22,5 und 315/80R22,5 erhältlich. Für die neuen, ab September lieferbaren Pneus rechnet Michelin mit einem Mehrpreis von rund 4,5 Prozent gegenüber den Vorgängern. Außerdem erhöhte man den Tragindex der 70er-Serie von 154/150L auf 156/150L, also von 7,5 auf 8 Tonnen, ein Wert, den die 80er-Serie schon mitbrachte. Außerdem schaffte man es, gegenüber den Vorgängern rund ein Kilo Gewicht zu sparen. Auch Mischprofile bleiben gefragt Bei Bridgestone bearbeitet man die Themen Heißrunderneuerung und Energiesparreifen mit den Labeln „Ecopia“ (zur IAA präsentiert) und Bandag (Runderneuerung). Zuletzt arbeitete man mit Veolia zusammen, um den neuen BDM (Bandag Drive Mixed) auf die Straße zu bringen. Dabei handelt es sich wie schon der Name sagt, um ein „Mischprofil“, das in erster Linie auf den Regional- und Verteilerverkehr abzielt. Am meisten abverlangt wird den Pneus in dem Fall natürlich bei Entsorgern, die oft durch Scherben und andere scharfkantige Abfälle zirkeln müssen. Laut Jean Verdeyen, dem leitenden Veolia-Ingenieur im Betriebsbereich Flotten und Container, überzeuge der BDM 1 mit gleichmäßigem Abrieb. Dazu komme laut Verdeyen „auch eine höhere Kilometerleistung im Vergleich zur vorher genutzten Rundererneuerung von Bandag“. Bis zu 15 Prozent mehr Laufleis-tung gibt Bridgestone für die neuen Profile BDM1 und BRM1 (Bandag Rib Mixed) an. Bei den Bridgestone-Profilen schieben die Japaner seit Januar den M749 Ecopia als Runderneuerten nach. Außerdem wird man im Laufe des Jahres den Trailerreifen R109 als Runderneuerungsprofil auf den Markt bringen. Auch Hankook setzt auf die Eco-Welle Stärker eingestiegen in das Segment ist nach Branchenkennern auch Hankook, zuletzt immerhin zum Reifenhersteller des Jahres 2010 gewählt. Unter der Bezeichnung „e-cube“ widmen sich die Koreaner dem Thema Rollwiderstand und bieten mit den AL, DL und TL 10 entsprechend profilierte Pneus an. Mit Entwicklungszentren und Fertigungen in Europa wollen die Koreaner künftig noch stärker auch im LKW-Segment mitmischen. Dabei bedient man sich ähnlicher Techniken wie die Konkurrenz: Man nimmt möglichst hochmolekulare Kautschuke mit langkettigen Molekülen. Außerdem erhöhte man den Anteil niedrig dämpfender Mischungen, was die viskoelastischen Verluste im Laufstreifen und damit den Treibstoffverbrauch reduzieren soll. Dazu kommen die wellenförmigen, treppenförmigen Profilblockabstützungen, die den waffelförmigen 3D-Profilblöcken anderer Hersteller entsprechen. Weiteres Thema ist darüber hinaus eine höhere Vorderachstraglast von acht Tonnen sowie niedrigere Querschnitte, was vor allem Autotransporter und Volumentransporteure schätzen dürften. Vorreiter bei den niedrigeren Querschnitten ist Goodyear, wo man für die Vorderachse den 355/50er vorhält, bisher allerdings noch mit 7,5 t Achslast. Bridgestone will hier künftig mit dem R249 Evo die Acht-Tonnen-Grenze knacken. Hinten soll dann der Lowlinertaugliche M749 als 315/45er für mehr Luft nach oben sorgen. Bis zu vier Zentimeter wollen Bridgestone respektive Goodyear so herausschlagen. Auch Conti arbeitet an diesem Format, ebenso wie am Acht-Tonnen-Thema, das dann der HSL 2 Eco plus XL stemmen soll. Dann wird es allerdings eng mit den Geometrien, wie Bernd Korte, der Leiter der Conti-Produktentwicklung einräumt: „Vor allem bei Autotransportern muss man spätestens ab Euro 6 beides können. Einen niedrigen Querschnitt und maximale Traglast.“ Als ausgereizt bewertet er das Thema Laufleistung bei weiter sinkenden Verbräuchen: Sollen die Pneus künftig noch weniger Sprit brauchen, wird sich die Laufleistung keinesfalls mehr verbessern. Eher marginal verschlechtern. Ähnlich äußerten sich die Verantwortlichen im Goodyear-Dunlop-Konzern in Wittlich zu der Thematik. Allerdings stünde das in keinem Verhältnis zum Einsparpotenzial auf der Verbrauchsseite, auch da ist man sich in Hannover und Wittlich einig. Außerdem gibt Korte zu bedenken, dass unterschiedliche Anforderungen, sofern sie denn erfüllt werden, den Reifen tendenziell empfindlicher gegen Verletzungen machen und weiter verteuern. Die Asymptote des perfekten Reifens nähert sich weiter dem Optimum, doch weitere Fortschritte dürften marginaler ausfallen als bisher und Herstellern und Kunden einige Kompromisse abfordern. ❙❚■ Gregor Soller Michelin präsentierte auf der Nufam die neuen XDE/XZE-3 und die neuen X Works Neue Bau- und Regionalpneus von Michelin IAA-News: 10-t-Trailerreifen von Goodyear (l.), SP 244 von Dunlop, runderneuerbar mit Multitread Prototypen: Neue Bridgestone R249 und M749 Auch Hankook bemüht sich um weniger Spritverbrauch: Hier der noch junge TL 10 im Einsatz Schwerpunkt Reifen Wer zuletzt kommt, den belohnt der Fortschritt In der Industrie sind die Letzten dann die Ersten, wenn es um die Errichtung der modernst möglichen Anlagen geht. Das gilt in dem Fall für die Goodyear-Dunlop-Gruppe, die am Standort Wittlich ein neues Heißrunderneuerungszentrum in Betrieb nahm und so nebenbei 60 Arbeitsplätze schuf. Vom Prinzip arbeitet es identisch wie die Runderneuerungen von Michelin respektive Conti, wo man sich dafür mit Reifen Ihle in Günzburg zusammentat. Nur dass die Good-year-Anlagen zwangsläufig die modernst möglichen sind. Prinzipiell läuft es in Wittlich ab wie bei den anderen: Auf die Shearografie (einem optischen Messverfahren auf Lasertechnik) folgt eine ausgiebige Sichtkontrolle, bevor den Reifen ihr Mantel komplett abgeraut wird. Dazu verwendet man eine komplett gekapselte Maschine, die das abgeriebene Material sofort absaugt und einem Container zuführt, der zur Wiederverwertung gefahren wird. Gern verwendet werden die Brösel beispielsweise als Zuschlag im Straßenbau zu sogenannten Flüsterasphaltdecken. Modernste Messtechniken ermöglichen ein extrem exaktes Abrauen bis an die Karkassdecke, die so nicht verletzt werden kann. Anschließend ist wieder Handarbeit gefragt: Dann werden, falls möglich und vorhanden, kleine Verletzungen ausgebessert. Jetzt ist der Pneu vorbereitet für den frischen Mantel, der wieder vollautomatisch aufgebracht wird. Dann geht es ab in die Presse, wo der neue Pneu gebacken wird. Nach einer Endkontrolle geht er in den Verkauf. Kunden, die absoluten Wert auf ihre eigene Karkasse legen, können genau diese auch wieder bekommen. Ein kostenpflichtiger Extraservice, der sich nur dann lohnt, wenn man weiß, dass man seine eigenen Karkassen extrem pfleglich behandelt hat. Ansonsten versichert Goodyear, dass der Heißrunderneuerte praktisch die gleichen Eigenschaften aufweist wie der Neureifen. Das aber eben nicht ganz, da die Karkasse sich durch die Walkarbeit im Laufe der Zeit minimal „aufweitet“ und natürlich auch minimalst „ausleiert“. Der dadurch auftretende Verbrauchsnachteil sei allerdings absolut vernachlässigbar. gs Wareneingang: Shearografie-Kontrolle Vollautomatisch: Abrauen der Reifen Sicher ist sicher: Kontrolle per „Hand“ Automatischer Auftrag des neuen Mantels Komplett neu: Die „Bäckerei“ Aufwändig: Letzte Tests vor der Auslieferung Hinter den Kulissen: goodyear-Runderneuerung Schwerpunkt Reifen Wir gehen von einem weiteren Kostenanstieg aus Im Interview erklärt der Direktor Nutzfahrzeugreifen Goodyear Dunlop Deutschland, Rupert Kohaupt, den stärkeren Trend zur Runderneuerung und zum Nachschneiden, der vor allem monetär begründet ist. Kamen alle Preiserhöhungen der letzten Zeit durch die steigenden Kautschukkosten? Rupert Kohaupt: Die jüngsten Preissteigerungen für Produkte aus unserem Konzern basierten ausschließlich auf den tatsächlich stark steigenden Kosten für Rohmaterialien. Besonders bei Naturkautschuk haben wir in den vergangenen Monaten einen drastischen Preisanstieg erlebt. Seit November 2010 stiegen die Kosten für Naturkautschuk um ca. 30 Prozent. Aber auch die Preise für andere, für den Reifenbau benötigte Materialien wie Ruß, Stahl oder synthetischen Kautschuk stiegen in den vergangenen Monaten deutlich. Zugleich erhöhte sich die Nachfrage für Fahrzeugreifen, besonders in Asien. Insbesondere China als größter Verbraucher von Kautschuk weltweit benötigt für seine schnell wachsende Wirtschaft Rohstoffe. Welchen Anteil hat Naturkautschuk bei der LKW-Reifenproduktion? Ein LKW-Reifen besteht zu fast 50 Prozent aus Naturkautschuk und synthetischem Kautschuk. Jeweils rund 20 Prozent machen Ruß und Stahldraht aus. Die restlichen zehn Prozent sind Silika, Chemikalien und Öle. Der Anteil von Rohmaterialien wie Naturkautschuk, Ruß oder Stahl ist bei einem Reifen also sehr hoch. Aufgrund der spezifischen Beanspruchung von Nutzfahrzeugreifen besitzen diese gegenüber PKW-Reifen einen höheren Anteil an Naturkautschuk. Warum kann er nicht komplett durch synthetischen Kautschuk ersetzt werden? Naturkautschuk besitzt einzigartige Eigenschaften, die sich positiv auf Eigenschaften wie zum Beispiel Rollwiderstand, Bremsen auf Nässe oder die Laufleistung auswirken. Deswegen bleibt er wichtig und lässt sich nur ansatzweise durch synthetischen Kautschuk ersetzen. Wo wird Naturkautschuk gehandelt? Wie deckt Goodyear seinen Bedarf? Naturkautschuk wird an den internationalen Rohstoffbörsen gehandelt, an denen auch unser Konzern das Material einkauft. Goodyear besitzt keine eigenen Kautschukplantagen mehr. Wie schnell könnte man die Produktion von Naturkautschuk steigern? Naturkautschuk stammt aus dem Saft der Rinde von Gummibäumen, die vor allem in Thailand, Indonesien, Malaysia, Indien und China auf Plantagen angebaut werden. Um die Produktion zu steigern, müsste man neue Kautschukplantagen pflanzen, die erst nach fünf bis sechs Jahren alt genug für die Gewinnung des Safts wären. Rechnen Sie mit weiter steigenden Kosten? Wir gehen derzeit von einem weiteren Kostenanstieg für Rohstoffe aus. Im ersten Quartal 2011 mussten wir deshalb die Preise erhöhen. Wir beobachten die weitere Entwicklung aufmerksam, um hier entsprechend agieren zu können. Was können Kunden tun, um die steigenden Kosten einzudämmen? Unternehmen sollten die Einsatzgebiete ihrer Flotten genau kennen, analysieren und entsprechend den passenden Reifen montieren. Mit dem richtigen Produkt im richtigen Einsatz können die Kraftstoffkosten gesenkt werden. Im Verteilereinsatz macht sich ein Reifen mit geringem Abrieb bezahlt und senkt die Kosten pro Kilometer. Wichtig sind immer wieder die Themen Reifenmanagement und Luftdruck. Deswegen sollte der einmal pro Woche, auf alle Fälle aber alle zwei Wochen kontrolliert werden. Ein kleiner Aufwand im Vergleich zu den Folgekosten eines Reifenschadens. Zur Verdeutlichung noch einmal eine Zahl: Fal-scher Luftdruck senkt die Laufleistung um bis zu 20 Prozent. Unsere Karkassen sind heute schon auf eine Laufleistung von bis zu einer Million Kilometer ausgelegt – dieses Potenzial muss aus unserer Sicht voll ausgeschöpft werden, um Kosten zu senken. In der Regel besitzt ein LKW-Reifen ab fünf bis sechs Millimetern zwar kein optimales Profil mehr, aber noch so viel Grundgummi, dass er problemlos drei Millimeter nachgeschnitten werden kann. Das kostet um die 25 Euro, aber der Reifen kann so noch etwa 30.000 bis 50.000 Kilometer weiter gefahren werden. Ab 1,6 Millimetern verbietet der Gesetzgeber die Verwendung von Reifen. Experten raten aber schon bei einer Restprofiltiefe von drei Millimetern zur Runderneuerung. Die Kosten dafür liegen deutlich unter dem Preis für einen neuen Pneu. So lassen sich rund 40 Prozent, inklusive der Gutschrift für die Karkasse, sparen. Auch der Runderneuerte lässt sich ab einer Profiltiefe von fünf bis sechs Millimetern wieder nachschneiden, was extra Kilometer und niedrigere Kosten bedeutet. gs Interview Rupert Kohaupt Schwerpunkt Reifen