Privatbahnen ticken wie Spediteure

Einer der aufstrebenden Schienen-Transporteure: Die HGK aus Köln Privatbahnen ticken wie SpediteureEs gibt nur wenige Spediteure, die mit privaten Eisenbahnen zusammenarbeiten. Dabei gibt es einige Praxisbeispiele, die zeigen, warum gerade die Privatbahnen gut zu den Speditionen passen.Fast siebzig Jahre lang war die 1936 gegründete Pöhland Speditionsgesellschaft ein Fuhrbetrieb wie jeder andere. Der LKW war das bevorzugte Transportmittel. Dann die plötzliche Umkehr verbunden mit einer Strategie, die in Deutschland für eine Spedition in dieser Form nahezu einzigartig ist.Angefangen hat alles 2002, als der Güterbahnhof Hof ausgebaut wurde. Das Unternehmen beteiligte sich zu 50 Prozent an der Container Terminal Hof GmbH. Damit begann der Einstieg in das Transportgeschäft auf der Schiene. 2005 übernahm Pöhland dann sämtliche Anteile der Gesellschaft. Im Jahr darauf wurde ein Containerterminal in Sonneberg eröffnet und startete einen Ganzzug zwischen den norddeutschen Seehäfen und Hof. Weitere Terminals sind in Planung. Seit dem Einstieg in den Schienengüterverkehr wuchs die Spedition mit Hauptsitz in Döhlau bei Hof enorm. In den vergangenen zehn Jahren verfünffachte sich die Zahl der Mitarbeiter und liegt heute bei 200. 50.000 Überseecontainer wurden 2007 auf der Schiene transportiert. Mittlerweile stößt das Terminal in Hof an seinen Kapazitätsgrenzen. "Wir arbeiten vorwiegend für Reedereien und Überseespeditionen als neutraler Partner und wickeln die Transporte für Betriebe aus der Region wie Brose, Zapf, BAT, Schott ab", sagt Pöhland-Geschäftsführer Ingo Röttger. Ab Hof und Sonneberg organisiert die Spedition wöchentlich sieben Container-Zugumläufe in die Seehäfen Hamburg und Bremerhaven und zurück. Dabei setzt die Spedition ausschließlich auf private Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Für Röttger steht die Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeit. "Wir verbürgen uns für die Qualität unserer Dienstleistungen. Und bei Privatbahnen haben wir darauf auch tatsächlich Einfluss." Sich in die Produktionskonzepte von Railion einzuklinken würde dagegen nicht zur Unternehmensphilosophie passen. "Mit den privaten Bahnen verhandeln wir auf Augenhöhe", erklärt der Geschäftsführer, der die kurzen Entscheidungswege und ein hohes Maß an Flexibilität schätzt. "Die EVU, mit denen wir kooperieren, sind innovativ und kundenorientiert - und sie ticken nicht wie ein klassisches Bahnunternehmen, sondern wie ein Spediteur."Pöhland eine Ausnahme? Korrekt ist, dass die Zahl der Speditionen, die mit privaten Bahnen ihr Geschäft abwickeln, überschaubar ist. An der Qualität ihrer Leistungen kann es nicht liegen, wenn man Gunter Pitterka glaubt, Geschäftsführer der Salzburger EisenbahnTransportLogistik GmbH (SETG). Er lobt die Privatbahnen für ihre kurzen Reaktionszeiten und Flexibilität. Als Pluspunkte gegenüber den Staatsbahnen rühmt er den Service aus einer Hand, bessere Kontrolle und günstigere Kosten. Die SETG konzentriert sich dabei auf "die Organisation von pivatbahntraktionierten Cargozügen in Österreich und Deutschland", wie es im Firmenprofil heißt. Mit dem ECCO-Cargo-Netz bietet die SETG sogar ein Privatbahnnetz für Einzelwagen- und Waggongruppensendungen mit regelmäßigen Zugfrequenzen. "Wir bedienen auch Bahnhöfe und Anschlussgleise, die von keinem anderen Eisenbahn-Verkehrsunternehmen angefahren werden – ein großer Vorteil von Privatbahnen", sagt Pitterka. "Wir sehen uns als Spediteur im klassischen Sinne und beauftragen die Transportdienstleister, die für eine Aufgabe am besten geeignet sind", sagt Pitterka. Interessenkonflikt mit SpeditionenWomöglich ist genau das der Grund, warum die Zusammenarbeit zwischen Speditionen und Privatbahnen sich schwierig gestaltet, wie das Beispiel Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) zeigt: "Die HGK führt nicht nur Schienentransporte durch, sondern bietet komplette Logistikkonzepte, die auch Alternativen zum Schienentransport beinhalten können", sagt der Sprecher Rolf Küppers. Für Speditionen, so Küppers, sei die HGK daher durchaus ein Mitbewerber. Hinzu kommt, dass die HGK vorwiegend im Massengutbereich tätig ist. Unternehmen, die Massengüter zu transportieren haben, verfügen jedoch traditionell über eigene Logistikabteilungen, die ihre Transporte selbst organisieren und ohne Zwischenschaltung eines Spediteurs direkt mit den Bahnen kooperieren. Doch auch aus anderen Gründen ist die Kooperation zwischen privaten EVU und Speditionen nicht ganz einfach: Für Spediteure, die auf der Schiene transportieren wollen, aber nicht über das Volumen für einen kompletten Zug verfügen, sind die standardisierten Angebote der Staatsbahnen in der Regel besser geeignet. Dort klinken sie sich in ein dicht getaktetes und flächendeckendes System ein. Wer mit Privatbahnen alternative Schienengüterverkehre aufbauen will, muss Lösungen für das Bermuda-Dreieck Netzdichte, Zugfrequenz und Auslastung finden, um zu angemessenen Konditionen transportieren zu können. Mangels Masse erhält LKW den ZuschlagDies bestätigt Manfred Hennig, Geschäftsführer der Spedition Kieserling aus Bremen: 2005 rannte eine Privatbahn mit ihrem Angebot einer regelmäßigen Zugverbindung von Bremen ins Güterverkehrszentrum (GVZ) Wustermark bei Berlin bei ihm offene Türen ein. "Unser Lager ist nur drei Kilometer vom GVZ entfernt, und der Bahn-Kilometerpreis war günstiger als die Straße." Die Gesamtkosten fielen allerdings höher aus, da pro Zug durchschnittlich nur acht Einheiten transportiert wurden. Doch schon ab zwölf Einheiten hätte sich der Bahntransport finanziell gerechnet. Leider stellte die Privatbahn den Betrieb im Jahr 2006 ein. Seither fährt die Spedition Kieserling ihre Wechselbrücken und Auflieger auf dieser Strecke wieder mit LKW – zum Bedauern von Hennig: "Die Zusammenarbeit mit der Privatbahn hat hervorragend geklappt." Er hofft, dass es bald zu einem neuen Angebot für einen Zug auf dieser Strecke kommen wird und führt bereits Gespräche mit der Havellandbahn. "Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sich das Aufkommen aus Bremen erhöht, sodass der Zug für alle Beteiligten profitabel ist." Dirk Grüne, Prokurist bei der Degustra GmbH aus Köln, interessiert sich ebenfalls für Angebote der EVU. Die Spedition hat sich auf die Organisation von Eisenbahntransporten zwischen Deutschland und den ehemaligen GUS-Staaten sowie China spezialisiert. Noch arbeitet die Degustra überwiegend mit Staatsbahnen, was durchaus Herausforderungen beinhaltet: "Die Tarifgestaltungen und Abwicklungsmodalitäten werden immer komplizierter", berichtet Grüne. Sein Fazit: "Die Speditionen, die sich auf Transporte gen Osten spezialisiert haben, warten nur darauf, dass private EVU endlich Trassen anmieten und auch in diese Richtung Züge anbieten."❙❚■ Eva Elisabeth Ernst, freie Journalistin

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