Passt nicht: bleibt liegen!

Zu lang, zu schief und viel zu unsicher - so lässt sich knapp zusammenfassen, mit welchen Argumenten der Fahrer eines Schwerguttransportes 2007 die Abfahrt von Brückenbauteilen verweigerte. Weil er sich nicht überreden ließ, mit ungeeigneten Hilfsmitteln nachzubessern und sich der Abtransport dadurch verzögerte, sollte sein Chef für den hierbei entstandenen Schaden aufkommen. Rund 55.000 Euro forderte der Auftraggeber Das zuständige Oberlandesgericht Bamberg stellte sich aber auf die Seite des Frachtführers (Urteil vom 7. Mai 2014, Aktenzeichen: 3 U 2/13). Die juristische Streitfrage des Falls ist dabei hoch brisant. ist im Vorfeld genau passiert Für den Bau einer neuen Brücke an der A 93 wurden von einer Firma vier Stahlträger angefertigt und verbaut - jeder einzelne 50 Tonnen schwer. Allerdings zeigte sich bald, dass die Bauteile nachbearbeitet werden mussten. Ein erneuter Transport war daher unumgänglich. Da sich die Brücke mitten im Bau befand, musste es schnell gehen. Nach den Vorgaben der Autobahndirektion sollte der Schwertransport am 19. August 2007 zwischen null Uhr nachts und zwölf Uhr mittags erfolgen. Weil das zuerst beauftragte Transportunternehmen nur zwei der Träger befördern konnte, kontaktierte die Herstellerfirma ein weiteres Unternehmen. Diesem übersandte sie auch die Werkpläne für die Träger. Die Parteien wurden sich schnell einig und vereinbarten den Transport der zwei übrigen Bauteile zum Komplettpreis von 5250 Euro. Auch die Zeichnungen der hergestellten und als Transporthilfsmittel verwendeten Transportböcke überließ der Hersteller dem neuen Frachtführer. Wie vereinbart erschienen am 19. August 2007 zwei Zugmaschinen mit Nachläufern auf der Baustelle. Allerdings gab es bereits beim Auflegen des ersten Trägers mittels eines Krans Probleme. Weil das neue Transportunternehmen andere Zugfahrzeuge als das erste Transportunternehmen verwendete, waren die Transportböcke nicht hoch genug. Die Stahlträger liefen Gefahr, auf dem Rahmen der Zugmaschine aufzusitzen. Dadurch mussten die Träger nach hinten verschoben werden, was zur Folge hatte, dass die Schräge des vorderen Bocks nicht mehr passte. Man versuchte noch, das Manko durch Unterlegen von Langhölzern auszugleichen. Doch der Fahrer verweigerte nach Rücksprache mit seiner Geschäftsleitung den Abtransport. Erst einen Monat später konnten die Bauteile befördert werden - zum Ärger des Herstellers. Ihm seien wegen des nicht durchgeführten Transportes Mehrkosten in Höhe von rund 55.000 Euro entstanden. Diese machte er gegenüber dem kurzfristig beauftragten Frachtführer als Schaden geltend. erste Instanz weist die Klage ab Der Fall landete vor dem Landgericht Schweinfurt. Das vernahm zahlreiche Zeugen und holte ein Sachverständigengutachten ein. Aufgrund des Gutachtens kam es zu dem Ergebnis, dass die Höhe der von der Klägerin bereitgestellten Transportböcke unzureichend und der zur Kompensation eingebrachte Holzunterbau instabil gewesen sei. Es wies es die Klage ab (Urteil vom 7. Dezember 2012, Aktenzeichen: 5 HKO). Die Klägerin, also der Hersteller der Stahlträger, wollte sich damit jedoch nicht zufriedengeben und legte vor dem Oberlandesgericht (OLG) Bamberg Berufung ein. Streit geht in die nächste Runde Vor dem OLG Bamberg ging es anschließend um die Frage: Muss der Frachtführer eines Schwerguttransportes prüfen, ob sein Fahrzeug mit den zu befördernden Schwergutteilen und dem vom Absender bereitgestellten Transporthilfsmittel kompatibel ist? Und: Hat er das Recht, den Vertrag zu kündigen? Richter verweisen auf das HGB Das OLG Bamberg stellte sich auf die Seite des beklagten Unternehmens: Zwar treffe einen Frachtführer auch bei Spezial- oder Schwertransporten aufgrund der Branchenüblichkeit oder der Verkehrssitte im Transportgewerbe gemäß dem Handelsgesetzbuch (HGB) die Pflicht, das vom Absender gestellte Transporthilfsmittel mit den eingesetzten Transportfahrzeugen sachgerecht zu koordinieren. Allerdings erstrecke sich diese Koordinationspflicht grundsätzlich nicht darauf, auch die Kompatibilität von Transporthilfsmitteln und Transportgut zu überprüfen, urteilten die Richter. Für die Eignung des Transporthilfsmittels sei nach Paragraf 411 des HGB definitiv der Absender als Warenfachmann allein verantwortlich. Etwas anderes könne ausnahmsweise nur dann gelten, wenn dem Frachtführer aufgrund der überlassenen Pläne klar war, dass der Transport nicht funktionieren kann. Fahrer hat zu Recht abgewunken Nach Paragraf 412, Absatz 1, Satz 1 des HGB hat der Absender - hier der Kläger - das zu transportierende Gut beförderungssicher zu laden, zu stauen und zu befestigen, soweit sich aus der Verkehrssitte nichts anderes ergibt. Der Frachtführer - hier der Beklagte - hat dagegen nach Paragraf 412, Absatz 1, Satz 2 des HGB für die betriebssichere Verladung zu sorgen. Das bedeutet, dass das Beförderungsmittel nach der Verladung, also während der Beförderung, jeder Verkehrslage gewachsen sein muss, mit der nach den Umständen zu rechnen ist. Der vom Landgericht Schweinfurt beauftragte Sachverständige hatte in seinem Gutachten festgestellt, dass der zur Fixierung des Stahlträgers auf dem sogenannten Dolly konstruierte Transportbock zu niedrig war. Auch das Unterlegen von Kanthölzern hätte nicht geholfen, da der Transport damit nicht betriebssicher durchzuführen war. Der Fahrer habe die Fahrt daher berechtigterweise verweigert. Der Frachtführer sei nach Paragraf 412, Absatz 2 des HGB grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die Beförderungssicherheit zu kontrollieren. Er könne und müsse sich nach der Verteilung der Verantwortungssphären grundsätzlich darauf verlassen, dass das Transportgut vom Absender beförderungssicher verladen wird. Mit einer Ausnahme: Weiß er, dass etwas nicht passt, muss er sich melden. Das Sachverständigen-Gutachten hatte hier aber belegt, dass der Frachtführer aus den ihm überlassenen Skizzen nicht erkennen konnte, dass sich die Stahlträger nicht auf seine LKW verladen ließen. Eine weitergehende Prüfungspflicht habe er nicht gehabt, so die Richter. Der Frachtführer sei kein Warenfachmann, die Berechnungen komplex. Zwar gehöre es bei einem Spezial- und Schwertransport aufgrund der Branchenüblichkeit und der Verkehrssitte im Transportgewerbe zu den Pflichten des Frachtführers, für eine Koordination der Transporthilfsmittel mit dem von ihm zur Verfügung gestellten Transportfahrzeugen zu sorgen. Diese Pflicht habe der Frachtführer aber erfüllt. Denn er hatte anhand der ihm übermittelten Pläne des Transportbockes überprüft, ob dieser auf die Ladefläche des Fahrzeuges passt. Dagegen musste es ihn nicht interessieren, ob die Transportböcke für das Transportgut auf dem jeweiligen Fahrzeug das richtige Hilfsmittel sind. Die Transportböcke seien Verpackung im Sinne des Paragrafen 411 des HGB, für die allein der Kläger als Absender verantwortlich sei, stellten die Juristen klar (siehe Kasten). Rechtlicher Hintergrund as schreibt der Gesetzgeber vor Paragraf 411 des Handelsgesetzbuches: Verpackung. KennzeichnungDer Absender hat das Gut, soweit dessen Natur unter Berücksichtigung der vereinbarten Beförderung eine Verpackung erfordert, so zu verpacken, daß es vor Verlust und Beschädigung geschützt ist und daß auch dem Frachtführer keine Schäden entstehen. Soll das Gut in einem Container, auf einer Palette oder in oder auf einem sonstigen Lademittel, das zur Zusammenfassung von Frachtstücken verwendet wird, zur Beförderung übergeben werden, hat der Absender das Gut auch in oder auf dem Lademittel beförderungssicher zu stauen und zu sichern. Der Absender hat das Gut ferner, soweit dessen vertragsgemäße Behandlung dies erfordert, zu kennzeichnen.Paragraf 412 des Handelsgesetzbuches: Verladen und Entladen. Verordnungsermächtigung(1) Soweit sich aus den Umständen oder der Verkehrssitte nicht etwas anderes ergibt, hat der Absender das Gut beförderungssicher zu laden, zu stauen und zu befestigen (verladen) sowie zu entladen. Der Frachtführer hat für die betriebssichere Verladung zu sorgen. ir Einordnung mberger Richter stärken die Rechte von Frachtführern Im Schwergut- und Projektgeschäft hat der Versender meistens die Erwartung, dass der Frachtführer das geeignete Fahrzeug stellt und das Transportgut beförderungssicher auf sein Fahrzeug verlädt. Am besten soll er auch prüfen, ob das Transportgut und das Transporthilfsmittel sicher auf sein Fahrzeug passen. "Vielen Versendern ist gar nicht klar, dass der Frachtführer aber nur sein Fahrzeug zur Verfügung zu stellen hat", sagt Jan Otto Bodis, Fachanwalt für Versicherungsrecht in der Hamburger Kanzlei Bodis & Partner."Genau das macht das Gericht deutlich: Es ist allein Sache des Absenders, das richtige Fahrzeug zu wählen", sagt der Experte.Nur dann, wenn offensichtlich sei, dass der Frachtführer das Gut mit seinem LKW nicht befördern kann, müsse er sich rühren. Komplizierte Berechnungen anstellen müsse er dagegen nicht, erklärt Bodis. Das OLG Bamberg bestätigt damit auch für das Schwergutgeschäft die grundsätzliche Verteilung der Pflichten nach Paragraf 412 des HGB: Der Absender hat das geeignete Fahrzeug zu bestellen und beförderungssicher zu verladen, der Frachtführer muss für die Betriebssicherheit während des Transportes sorgen.Eine Frage bleibt allerdings ungelöst: Wann kann der Frachtführer sagen: "Ich fahre nicht, ich kündige." "Juristisch ist diese Streitfrage nach wie vor offen", so Bodis. Der Grundsatz laute eigentlich: Verträge sind einzuhalten. Im Frachtrecht sei vom Gesetz lediglich ein Kündigungsrecht des Versenders vorgesehen. Unternehmen müssen sich mit diesen juristischen Feinheiten aber nicht auseinandersetzen. Bodis: "Für sie ist die Erkenntnis wichtig, dass der Frachtführer vom Vertrag Abstand nehmen kann, wenn ihn die Ladung, die er übernehmen soll, in wirtschaftlicher oder tatsächlicher Hinsicht überfordert und die Betriebssicherheit nicht gewährleistet ist." ir