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Niederlage vor Gericht: Ampel muss Klimaschutzprogramm nachschärfen

17.05.2024 09:35 Uhr | Lesezeit: 4 min
Schriftzug Klimaschutz, Paragrafenzeichen ein Blatt und eine rote Ampel auf einem Holztisch
Klatsche vor Gericht: Ampel muss Maßnahmen zu Klimaschutz nachschärfen
© Foto: Christian Ohde/CHROMORANGE/ picture alliance

Die Deutsche Umwelthilfe hat erfolgreich gegen die Bundesregierung geklagt. Ein Gericht hat die Bundesregierung dazu verurteilt, effektivere Schritte zum Klimaschutz zu unternehmen. Das bislang Geplante sei unzureichend.

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Update von 14:15 Uhr: Der Bundesrat hat am Freitag, 17. Mai, Änderungen des Klimaschutzgesetzes gebilligt. Nach der Novelle soll es künftig eine mehrjährige und sektorenübergreifende Gesamtbetrachtung des Treibhausgasausstoßes geben. Dieser soll dort gemindert werden, wo die größten Einsparpotenziale liegen. Damit entfällt die bisherige sektorale Betrachtungsweise. Das freut vor allem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), weil der Verkehrssektor seine Ziele bisher stets verfehlt hat. An den Klimazielen selbst ändert die Novelle nichts. Deutschland soll weiterhin bis 2045 treibhausgasneutral werden. In einer Entschließung forderte die Länderkammer unter anderem eine Pflicht zum Nachsteuern, wenn Deutschland seine Klimaziele erkennbar verfehlen sollte.

Erstmeldung von 09:35 Uhr

Neue Niederlage für die Ampel-Koalition im Ringen um den Klimaschutz: Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg muss die Bundesregierung ihr Klimaschutzprogramm nachschärfen. Die bisher aufgelisteten Maßnahmen reichten nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen, urteilten die Richter am Donnerstagabend, 17. Mai – und gaben damit zwei Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) statt. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die Politik der Ampel-Regierung haben – sofern es umgesetzt werden muss. Denn die Bundesregierung kann noch in Revision gehen. Dann wäre das Bundesverwaltungsgericht erneut am Zug. Auf Anfrage wollte sich die Bundesregierung am Abend zunächst nicht zu ihrem weiteren Vorgehen äußern. 

Programm erfüllt Vorgaben nicht

In seiner bisherigen Form erfülle das im vergangenen Oktober beschlossene Programm nicht vollständig die gesetzlichen Vorgaben, sagte die Vorsitzende Richterin Ariane Holle in ihrer Urteilsbegründung (Aktenzeichen OVG 11 A 22/21 und OVG 11 A 31/22). Schon jetzt sei absehbar, dass von 2024 bis 2030 viele Sektoren die zulässigen Mengen an ausgestoßenen Treibhausgasen überschreiten werden – voraussichtlich mit Ausnahme der Landwirtschaft. "Die Bundesregierung muss darauf achten, dass alle Maßnahmen des Klimaschutzprogramms prognostisch geeignet sind, die Klimaschutzziele zu erreichen und dabei die jährlichen Emissionsmengen einzuhalten", so Holle. Das müsse "methodisch einwandfrei" und gut begründet sein und dürfe nicht auf falschen Prognosen beruhen. Denn die im Klimaschutzgesetz festgelegten Klimaziele seien verbindlich. 

Ein guter Tag für den Klimaschutz

Mit den bisher vorgelegten Maßnahmen der Bundesregierung klaffe bis 2030 eine Gesamtlücke von circa 200 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten. Das sei die Menge an Treibhausgasen, die Deutschland bis dahin zusätzlich einsparen müsste, um die Klimaziele erreichen zu können. Die Deutsche Umwelthilfe feierte am Abend ihren Triumph. "Dieses Urteil ist eine verdiente Ohrfeige für die Pseudo-Klimaschutzpolitik der Bundesregierung", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Heute ist ein guter Tag für den Klimaschutz." Die Bundesregierung müsse nun rasch handeln und das Klimaschutzprogramm kurzfristig nachbessern. Eine wesentliche Forderung seines Vereins ist ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, auf anderen Straßen außerhalb von Ortschaften Tempo 80 und innerorts Tempo 30. 

Ziele des Klimaschutzprogramms

Die Umwelthilfe war zuletzt schon einmal juristisch gegen die Klimapolitik der Bundesregierung vorgegangen und errang im November 2023 einen Sieg. Damals urteilte das OVG Berlin-Brandenburg, dass die Regierung ein Klima-Sofortprogramm in den Sektoren Verkehr und Gebäude auflegen muss. Dagegen läuft die Revision beim Bundesverwaltungsgericht. Basis für die am Donnerstag verhandelten DUH-Klagen waren wie damals die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes für verschiedene Sektoren zur Minderung des Ausstoßes an Treibhausgasen für die Jahre 2024 bis 2030. Zudem ist im Gesetz das Ziel verankert, diese Emissionen in ihrer Gesamtheit bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Im Vorjahr waren rund 46 Prozent Minderung erreicht. Das Klimaschutzprogramm gilt als eine Art Gesamtplan der Bundesregierung, um diese Ziele zu erreichen. Es listet zahlreiche Maßnahmen in den Sektoren Verkehr, Energie, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft auf. Dazu gehören konkrete, teils schon umgesetzte Maßnahmen wie die Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes, das 49-Euro-Deutschland-Ticket oder die CO-abhängige Lkw-Maut. Es finden sich aber auch allgemeinere Vorhaben, etwa die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) oder eine beschleunigte Ausweisung von Flächen für den Ausbau erneuerbarer Energien. 

Zu vage Formulierungen

In der gut fünfstündigen mündlichen Verhandlung erklärte ein Anwalt der DUH, vieles auf der Liste sei zu vage formuliert. Es sei nicht klar, welche konkreten Auswirkungen dies auf die Reduktion der Treibhausgase habe. Prozessvertreter der Bundesregierung argumentierten dagegen, es handele sich beim Klimaschutzprogramm eher um ein politisches Programm als um einen konkreten Plan. Das aktuelle Klimaschutzgesetz schreibt für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vor. Werden diese in einzelnen Sektoren in einem Jahr verfehlt, wie im Verkehr- und Gebäudesektor geschehen, muss das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern.   

Umstrittene Reform

Diese Systematik dürfte sich allerdings bald ändern. Ende April beschloss der Bundestag eine umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes, vor allem auf Betreiben des Koalitionspartners FDP. Die Einhaltung der Klimaziele soll demnach nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Klimaschützer sehen darin eine Aufweichung der Ziele – da einzelne Sektoren dadurch nicht mehr so wie bisher in die Pflicht genommen würden. Entscheidend ist der Neuerung zufolge, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden. Das neue Gesetz ist noch nicht in Kraft, am Freitag berät der Bundesrat darüber. 

Das nun ergangene Urteil könnte den Ausgang der dortigen Beratungen beeinflussen. Der Bundesrat hätte die Möglichkeit, das Gesetz nicht zu billigen und stattdessen den Vermittlungsausschuss anzurufen. Klar ist: Innerhalb der Bundesregierung dürfte das Urteil auch so schon für sehr viel Unruhe sorgen

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