Münchens schwere Jungs sind zurück!

Mittlerweile haben sich die Trucknology-Days von MAN zu einer kleinen "Jahresauftaktveranstaltung" nicht nur für MAN, sondern auch für Markenanhänger sowie Anhängerund Aufbauhersteller entwickelt. Und fast jedes Jahr lassen sich unter den zahllosen Vorführern auch Vorserienautos finden und fahren, deren Serienanlauf erst in Zukunft bevorsteht. Dieses Mal waren einige D38-Zugmaschinen mit der Tipmatic TX ausgestattet: Das unscheinbare Kürzel steht für die ZF-Traxon-Schaltung, die laut Aussagen der MAN-Mitarbeiter ab Juli 2016 in Serie gehen soll - neben oder trotz der ebenfalls geplanten Scania-Getriebe. Also nichts wie eingestiegen in den TGX 26.520 6x2/4 BLS, der einen 55 Tonnen schweren Bagger im Schlepptau hat. Dort empfängt uns der bekannte Drehschalter zum Vorwählen der Fahrstufen. Also auf "D" drehen und los! Nicht so schnell, interveniert die Begleitung von MAN auf dem Beifahrersitz: "Legen sie mal ganz sanft Gas an und sehen, was passiert." Gesagt, getan. Tatsächlich lassen sich geringe Geschwindigkeiten schon im Standardmodus feinst dosieren, was das Rangieren weiter erleichtert. Das deutlich vernehmbare Zahnradsortieren der AS-Tronic ist passé. Anschließend stuft Traxon sofort hoch und erzeugt trotz der 90 Tonnen Zuggesamtgewicht eine Beschleunigung wie am Gummiband bei minimalen Schaltpausen. Endlich schaltet ein MAN auf dem Niveau, das die Getriebe von Daimler oder Volvo vorgeben. Spielerisch variiert Traxon die nötigen Gänge und springt beim Verzögern per Motorbremse sofort drei Stufen zurück, um die 90 Tonnen einzubremsen. Damit wirkt der schwere Zug vergleichsweise kompakt und kräftig, obwohl er mit 520 PS und maximal 2500 Newtonmeter Drehmoment motorisch nur die Basis-Ausbaustufe des D38 bietet. In anspruchsvollerer Topografie fallen die verkürzten Schaltzeiten noch stärker ins Gewicht, die nicht nur das Hoch-, sondern auch das Herunterschalten um Welten angenehmer machen. Man darf gespannt sein, inwieweit die Doppelkupplungsfunktion diese Souveränität noch erhöhen kann. Auf sandigem Untergrund erleichtert Traxon das Freischaukeln, dessen Modus wieder auf Tastendruck hinterlegt ist. Auch hier macht sich die schnelle Schaltzeit extrem positiv bemerkbar. Man hat nicht mehr das Gefühl, der Zahnradfabrik im Untergeschoss ein paar Gedenksekunden zum Sortieren der verzahnten Räderpaare einräumen zu müssen. Die Sicherheit erhöhen künftig GPS-Tempomat und der Abstands- und Notbremsassistent (ebenfalls per Taster auf der Mittelkonsole aktivierbar). So gerüstet baut MAN endlich wieder den lange vermissten Anschlusszug an den Rest der superschweren Klasse. Schade nur, dass man darauf wohl noch bis 2016 warten muss! Bei 110 Tonnen muss der D 38 richtig ran Ebenfalls noch nicht zu fahren waren bisher die auf der IAA gezeigten neuen D38-Schwerlastzugmaschinen mit Kühlturm, die je nach Ausführung auf 150, 180 oder 250 Tonnen Zuggesamtgewicht ausgelegt wurden. Sie treten in die Fußstapfen der mit Liebherr entwickelten V8-Vorgänger, die als Soundmaschinen und mit teuren Teile- und Austauschpreisen zu trinkfesten Exoten im bayerischen Motorenbau abgestempelt wurden. Umso spannender war es, jetzt den neuen "König der Löwen", einen TGX 41.640 8x4/4 BLS, zu bewegen, der auf 250 Tonnen Zuggesamtgewicht ausgelegt ist. Dabei fettet die Wandlerschaltkupplung das Drehmoment von 3000 auf bis zu 4700 Newtonmeter an. Ballastiert wurden die Vorführer allerdings nur auf vergleichsweise milde 110 Tonnen Gesamtgewicht. Doch die genügen bereits, um den 15,2-Liter großen D38 in der Topversion ordentlich ins Schwitzen zu bringen. Die WSK ermöglicht entsprechend geschmeidige Anfahrmanöver. Doch die AS-Tronic traut den gewaltigen Kräften unter der Kabine nicht so recht über den Weg: Beim Beschleunigen hat sie überhaupt keine Hemmungen, den Motor 2000 Touren und höher drehen zu lassen, und agiert somit eher im Bereich der Maximalleistung als des maximalen Drehmomentes. Das macht in anspruchsvollen Topografien Sinn, aber nicht in der fast topfebenen Schotterebene des Münchner Nordens. Bei den Vorführern konnte auch ein leichtes Lupfen des Gaspedals das Getriebe nicht zum Hochschalten animieren. Also empfiehlt es sich, manuell einzugreifen, um das üppig eingeschenkte Drehmoment zu nutzen. Im Gegensatz zum vorher gefahren Traxon nehmen die Schaltvorgänge vergleichsweise viel Zeit in Anspruch, was mit 110 Tonnen prinzipbedingt noch stärker auffällt als bei leichteren Zuggesamtgewichten. Entsprechend wirkt der 640er mit 110 Tonnen viel angestrengter als der 520er mit 90 Tonnen. Über jeden Zweifel erhaben ist einmal mehr die straffe und exakte Lenkung, mit der sich der schwere Zug fein dirigieren lässt und die auch grobe Erschütterungen weitgehend ignoriert. Die Luftfederung hilft der Lenkung beim "Bügeln" der Unebenheiten, ist aber eher soft ausgelegt und gibt sich keine allzu große Mühe, die schiere Größe und Masse der bayerischen Maschinenfabrik zu kaschieren. Mit 110 Tonnen auf den Schultern muss auch der stärkste Löwe ordentlich schuften. Das Verzögern der schieren Wucht unterstützt Turbo-EVB mit Intarder, die sich in sechs Stufen schalten lässt und sich dann mit 750 Kilowatt gegen die beschleunigten Massen stemmt - das funktioniert geschmeidig: Orts- respektive landstraßenübliche Geschwindigkeiten zwischen 50 und 60 km/h werden souverän wegverzögert. Auch die Betriebsbremse lässt sich fein dosieren und überzeugt ebenfalls mit ordentlicher Wirkung. Insofern ist die D38-Schwerlastzugmaschine als Gesamtkonzept ein gelungenes Maschinenwerk, bei dem einmal mehr die AS-Tronic respektive deren Schaltgeschwindigkeit negativ auffällt. Was Varianten und Radstände angeht, scheint sich MAN die Wünsche der Branche zu Herzen genommen zu haben: Die Schwerlastlöwen treten blatt- oder luftgefedert, auch mit kurzen Radständen, an: Der Vorführer bot mit den Achsabständen 2600 plus 1440 plus 1420 Millimeter zwischen den Rädern gerade noch Raum für einen Teil der Abgasbox, die Luftkessel und die Batterie. Gut so, denn in der schweren Branche liegt in der Kürze die Würze!