Mindestlohnrichtlinie: EU darf keine Vorgaben zur Höhe von Löhnen machen

12.11.2025 09:24 Uhr | Lesezeit: 4 min
Richterhammer liegt auf EU-Flagge
Der EuGH hat zwei Bestimmungen der EU-Mindestlohnrichtlinie für nichtig erklärt, die EU habe teilweise ihre Kompetenzen überschritten
© Foto: picture alliance / Zoonar | DesignIt

Der Europäische Gerichtshof hat zwei zentrale Bestimmungen der EU-Mindestlohnrichtlinie für nichtig erklärt, wir haben die ersten Reaktionen auf das Urteil gesammelt.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Rechtmäßigkeit der EU-Mindestlohnrichtlinie stärkt aus Sicht des Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) die Zuständigkeit nationaler Sozialpartner für die Lohnfindung. „Das EuGH-Urteil unterstreicht, dass die EU keine Vorgaben zur Höhe von Löhnen machen darf. Die in der Richtlinie vorgeschlagene Höhe von 60 Prozent des Bruttomedianlohns ist lediglich eine mögliche Empfehlung, aber keine Verpflichtung. Sonst hätte sie der EuGH ebenfalls für unrechtmäßig erklärt“, sagte dazu DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster.

Festlegung des Mindestlohns

Eine Orientierung am 60-Prozent-Referenzwert sei „insbesondere in der aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht tragfähig“, so der DSLV. Die Festlegung des Mindestlohns müsse sich in Deutschland wieder „allein an klaren wirtschaftlichen Kriterien orientieren – so wie es im deutschen Mindestlohngesetz auch vorgesehen ist“. Die Mindestlohnkommission sollte die 60-Prozent-Regelung deshalb aus ihrer Geschäftsordnung streichen. Die EU-Mindestlohnrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, gesetzliche Mindestlöhne mindestens alle zwei Jahre neu festzulegen.


"Die EU muss sich darauf fokussieren, das grenzüberschreitende Arbeiten zu erleichtern und hier bürokratische Hürden abzubauen, anstatt in die Lohnfindung und Tariffreiheit der nationalen Sozialpartner hineinzuregieren."

DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster


Tarifpartnern mehr Gestaltungsfreiheit geben

Deutschland bleibt zudem verpflichtet, einen „Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen“ vorzulegen. Hier müsse der Fokus der Bundesregierung darauf liegen, „moderne und praktikable Tarifverträge, die in den Unternehmen auf Akzeptanz stoßen, zu ermöglichen“, so der DSLV. Das bedeute auch, den Tarifpartnern wieder mehr Gestaltungsfreiheit zu geben. Die EU müsse sich wiederum darauf fokussieren, „das grenzüberschreitende Arbeiten zu erleichtern und hier bürokratische Hürden abzubauen, anstatt in die Lohnfindung und Tariffreiheit der nationalen Sozialpartner hineinzuregieren“, forderte DSLV-Hauptgeschäftsführer Huster.

EU-Kommission begrüßt das Urteil

Die EU-Kommission hat das Urteil des EuGH begrüßt und sieht die Mindestlohnrichtlinie weitgehend bestätigt. Das Urteil sei „ein Meilenstein für die Europäerinnen und Europäer“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen laut Mitteilung: „Die Richtlinie wird unter uneingeschränkter Achtung der nationalen Traditionen, der Autonomie der Sozialpartner und der Bedeutung von Tarifverhandlungen umgesetzt“, betonte sie. Die Entscheidung des Gerichtshofs, Teile von zwei Bestimmungen für nichtig zu erklären, in denen die Kriterien aufgeführt sind, die von den Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen zu berücksichtigen sind, sowie die Regel, die eine Senkung der Mindestlöhne verhindert, wenn diese automatisch indexiert werden, nehme man „zur Kenntnis“, so die EU-Kommission.


"Mindestlöhne und Tarifpartnerschaft gehören allein in die Kompetenz der Mitgliedstaaten. Lohnfindung und Tarifpolitik dürfen nicht noch weiter politisiert werden."

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA


BDA sieht ein übergriffiges Urteil

Der EuGH habe „ein übergriffiges Urteil gefällt und weite Teile der Richtlinie bestätigt. Mit der Fortsetzung dieser Politik wird Europa keine Erfolgsgeschichte“, kritisierte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA. „Mindestlöhne und Tarifpartnerschaft gehören aber allein in die Kompetenz der Mitgliedstaaten. Lohnfindung und Tarifpolitik dürfen nicht noch weiter politisiert werden. Arbeitsentgelte müssen dort gestaltet werden, wo Betriebe und Sozialpartner Verantwortung tragen“, sagte er. Das Urteil dürfe nicht als Freibrief für weitere Eingriffe der EU in die Tarifautonomie und Sozialpolitik missverstanden werden. „Die Entscheidung erlaubt nicht, dass die EU durch die Hintertür aktiv Lohn- und Tarifpolitik betreibt. Die Kommission darf ihre Kompetenzen nicht weiter überdehnen.“

DGB: Bundesregierung muss für höhere Tarifbindung sorgen

Nach der Entscheidung des EuGH seien die EU-Mitgliedsstaaten nunmehr verpflichtet, für eine höhere Tarifbindung zu sorgen, wenn sie unter 80 Prozent der Beschäftigten im jeweiligen Mitgliedsstaat liegt, so die Einschätzung von DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Die Bundesregierung sei nun aufgefordert, „schnellstmöglich einen wirkungsvollen Aktionsplan für mehr Tarifverträge auf den Weg zu bringen“, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Bedauerlich sei, dass der EuGH einheitliche europäische Kriterien für angemessene Mindestlöhne gekippt hat, so Körzell. Das entbinde die Mitgliedsstaaten aber nicht, eigene nationale Kriterien festzulegen. Die Bundesregierung sollte nun das nationale Mindestlohngesetz dahingehend überprüfen.


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