Luftfrachtersatzverkehr per LKW

Luftfrachtersatzverkehr per LKWDer LKW als Konkurrent zum Jumbo-JetDass Luftfracht per LKW und nicht per Flugzeug befördert wird, ist nicht ungewöhnlich. Die Luftfrachtersatzverkehre per LKW nehmen vor allem zu, wenn es Einschränkungen wie Flugverbotszeiten oder erhöhte Sicherheitsanforderungen gibt.Nein, wir nehmen keine Frachtsendungen mit.“ Eine klare Aussage von Heinz Joachim Schöttes, Kommunikationschef von Lufthansa-Tochter Germanwings. Der Günstigpreisanbieter ist in Koordination mit der Muttergesellschaft gerade dabei, ein Netzwerk für innereuropäische Flüge abseits der Drehkreuze Frankfurt und München aufzuziehen. Passagiere – ja bitte, Cargo – nein danke, ist die Devise der Fluglinie. „Fracht lohnt sich für uns nicht wegen der schnellen Drehzeiten unserer Flugzeuge“, so Schöttes. In der Tat wird durch das Beiladen von Cargosendungen in die Unterflurkammern von Passagierflugzeugen die operationelle Komplexität erhöht. Andererseits winken Zusatzeinnahmen, die Umsatz und Erträge steigern können. So bei Kapazitätsanbieter Air Berlin, der schon länger Pakete oder kleinere Packstücke auf seinen Deutschland- und innereuropäischen Flügen befördert. Auf den Langstrecken sowieso. Billigflieger Ryanair, das Gegenmodell, nimmt hingegen keine einzige Sendung an Bord seiner Flotte. Ein Zeichen dafür, dass Luftfracht nicht auf jedem Flug gerne gesehen wird – und auch deshalb schon mal auf der Straße und nicht im Bauch eines Jumbo-Jets landet. Nicht schwarz oder weiß, sondern höchst pragmatisch betrachten die Zuständigen von Lufthansa (LH) Cargo die Frage, ob Fracht innereuropäisch geflogen oder lieber per LKW befördert werden soll. „Sendungen von München nach Frankfurt beziehungsweise in umgekehrter Richtung in den Unterflurkammern unserer Passagierflieger mitzunehmen, rechnet sich schon zeitlich nicht, da die Waren per Straßen-Ersatzverkehr vergleichsweise mindestens so zeitig am Zielflughafen ankommen“, sagt Cargosprecher Michael Göntgens. Teilweise anders stellt sich die Situation mit Sendungen von oder nach Skandinavien dar. „20 Prozent unseres Aufkommens auf diesen Routen befördern wir per Flugzeug, die anderen vier Fünftel aber per LKW.“ Standardsendungen häufig per LKW Zwei Kriterien sind für LH Cargo ausschlaggebend, ob eine Sendung geflogen oder getruckt wird: Je geringer die Distanz vom Abgangsort zu einer der drei Drehscheiben des Frachtfliegers, also Frankfurt, München oder Wien, desto wahrscheinlicher ist der Straßentransport. Und zweitens entscheidet die Warengattung, ob die Ware geflogen oder getruckt wird. Leicht verderbliche und temperatursensible Produkte, gefährliche Güter oder besondere Wertfrachten werden von LH Cargo in aller Regel per Flieger innerhalb Europas befördert. Was Standardsendungen betrifft, werden diese aber zumeist per Luftfracht-Ersatzverkehr vom Balkan, den skandinavischen Ländern, Großbritannien oder dem Baltikum zu einem der drei genannten Abflugorte befördert. Gleiches gilt mit umgekehrter Laufrichtung für Importe. „Wir unterhalten ein weit gespanntes und sehr engmaschiges Linien-Truckingnetz innerhalb Europas, mit verlässlichen Abfahrts- und Ankunftszeiten der Fahrzeuge“, sagt Sprecher Göntgens. Was Osteuropa angeht, handelt es sich um ein Gemeinschaftsprodukt von LH Cargo und Austrian Airlines (AUA), da der Frachtkranich mittlerweile das gesamte Cargogeschäft der AUA integriert hat – einschließlich der Straßentransporte. Letztere finden auch an Sonn- und Feiertagen statt, unterliegen also keinen Restriktionen. Die für Kunden spannendste Frage dürfte sein, wann es sich für ihn lohnt, seine Sendungen innerhalb Europas per Flugzeug oder LKW befördern zu lassen. Eine simple Antwort gibt es darauf nicht. Dies hängt von vielerlei Faktoren ab. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Geschwindigkeit. Ein anderes die Art der Sendung, ob Express oder Standard, was sich auch in Preisunterschieden niederschlägt. „Bei Standardverkehren brauchen wir 48 Stunden bis zur Anlieferung beim Endkunden in Bristol“, sagt André Colschen, der Leiter des Commercial Teams bei der Hamburger Sovereign GmbH (siehe Vergleich im Kasten Seite 27). Insgesamt gesehen nimmt die Menge der per LKW beförderten Luftfrachtsendungen innerhalb Europas tendenziell zu, vor allem die von Standardfrachten. Warum ist das so? Weil die Straßentransporte mit Ausgangs- und Endziel innerhalb der EU deutlich kostengünstiger und mit weniger Laufzeitbremsen versehen sind. So entfallen etwa die bisweilen zeitaufwendigen Röntgenkontrollen der Waren sowie die Terminal- und Handling-Charges. Auch werden von den Spediteuren im Unterschied zu den Fluglinien keine gesonderten Kerosin- und Sicherheitszuschläge erhoben, wenngleich Treibstoffkosten in die von den Fuhrunternehmen verlangten Transportraten selbstredend eingepreist sind. Laut Spedition Detzer müssen Kunden für eine von München nach Madrid geflogene Sendung von 100 Kilogramm etwa 150 Euro bezahlen. Wird diese per LKW im Rahmen eines Stückgutnetzes im Systemverkehr befördert, kostet dies zwischen 50 und 60 Euro. Als LKW-Laufzeit gibt der Spediteur 72 Stunden an, von der Abholung beim süddeutschen Kunden bis zur Ankunft bei Vertragspartner Ibertinsa am Madrider Flughafen Barajas. ❙❚■ Heiner Siegmund, freier Journalist Fliegen oder Trucken? Ein Vergleich Beispiel „Fliegen“ Mittwoch, 14.00 Uhr: In Ulm übergibt ein Produzent seine mit Ziel London und Bristol adressierten Standard-Luftfrachtsendungen an seinen Vertragsabholer. Die Packstücke werden im Nahverkehr zum Münchner Flughafen befördert. Unterwegs werden weitere Kunden angefahren.18.00 Uhr: Das Fahrzeug mit den Sendungen trifft am Airport ein.18.30 Uhr: Es folgt die Dokumentation, Ausstellung des Luftfrachtbriefes, die Übergabe der Packstücke an den Bodenabfertiger, der den vorgeschriebenen Sicherheitscheck per Röntgengerät vornimmt und die Packstücke kurzfristig im Lager abstellt.21.00 Uhr: Die Sendungen werden der zuständigen Airline übergeben.21.15 Uhr: Diese lagert sie bis zum nächsten Morgen in ihrer Cargohalle ein, da die Vorlaufzeiten zu lang waren, um die Produkte noch am selben Abend in den Frachtkammern des späten London-Fliegers mitnehmen zu können.Donnerstag, 05.30 Uhr: Die Sendungen werden in das Flugzeug mit Ziel London Heathrow verladen.Dort treffen sie aufgrund der einstündigen Zeitdifferenz um 06.00 Uhr Ortszeit ein.Donnerstag, 07.30 Uhr: Nach Erledigung der dokumentarischen Arbeiten wird ein Teil der Sendungen von dem örtlichen Kunden in Empfang genommen. Eine zweite nach Bristol adressierte Tranche wird vom zuständigen britischen Spediteur zu dessen Londoner Konsol-Knoten gebracht, wo sie mit anderen für Bristol bestimmten Sendungen gebündelt wird.18.00 Uhr: Der Truck verlässt London Richtung Bristol.21.30 Uhr: Ankunft der Sendung in der Umschlagshalle des zuständigen Spediteurs.Freitag, 07.30 Uhr: Weiterbeförderung der Boxen im Nahverkehr zum Sitz des Endkunden in einem Nachbarort Bristols.09.00 Uhr: Übergabe der Sendungen.Gesamtlaufzeit Luftfracht: Ulm – London: 17,5 Stunden Ulm – Bristol: 43 StundenBeispiel „Luftfracht- Ersatzverkehr“ Mittwoch, 15.00 Uhr: Abholung der Sendung in Ulm durch Detzer Aircargo Service. Direktfahrt zum Frankfurter Flughafen. Ankunft: 18.30 Uhr.20.00 Uhr: Übergabe von Detzer an Partner Sovereign.21.00 Uhr: Abfahrt Sovereign zum Konsol-Center Troisdorf bei Köln.23.45 Uhr: Abfahrt Sovereign zum Zwischenhub BrüsselDonnerstag 03.00 Uhr: Abfahrt Sovereign in Brüssel mit Ziel London Heathrow06.30 Uhr Ortszeit: Eintreffen des Transporters am Flughafen Heathrow (40-Tonner benötigt etwa eine Stunde länger)07.30 Uhr: Übergabe einer Teilsendung an den örtlichen Kunden09.00 Uhr: Weiterfahrt mit eigenem Sovereign-Fahrzeug oder einem örtlichen Vertragspartner nach Bristol.12.30 Uhr: Zustellung im Raum BristolGesamtlaufzeit Ersatzverkehr: Ulm – London: 15,5 Stunden Ulm – Bristol: 21,5 Stunden hsInterview Warum der LKW das Flugzeug schlägt Die Straßentransporte von Luftfracht nehmen zu, vor allem die Übernachtverkehre, sagt Geschäftsführer Sven Zellmer der Detzer Aircargo Service GmbH, spezialisiert auf den Transport von Luftfracht.Gibt es in Europa einen generellen Trend, wonach Luftfracht vermehrt auf der Straße und nicht per Flugzeug befördert wird? Sven Zellmer: Diesen Trend sehe ich so eindeutig nicht. Dass derzeit vor allem Importe speziell aus Ostasien über den jeweiligen europäischen Ankunftsflughafen vermehrt via Straße zum Endkunden gefahren werden, hat auch mit dem Mengenrückgang speziell der China-Einfuhren zu tun. Da ist es oft einfacher und schneller, einem örtlichen Spediteur oder einem der Integratoren die Sendungen zu übergeben, um sie zum Importeur weiterbefördern zu lassen, als dass die Packstücke von der Airline auf einen innereuropäischen Anschlussflug umgeladen werden.Was macht den LKW so attraktiv? Wir verfügen hier über sehr viele exzellent funktionierende Systemverkehre verschiedener Anbieter, wie etwa Dachser, die System-Allianz, die Run-Air-Gruppe oder Sovereign, sodass für die zügige Straßenbeförderung von Luftfracht gesorgt ist. Im Übrigen trucken die Fluglinien ja selbst eine große Menge ihrer Luftfracht. Und bei Exporten stellt sich die Lage wie dar? Bei Ausfuhren werden vor allem die großen Drehscheiben angefahren, von denen die Sendungen dann per Flugzeug zu interkontinentalen Zielen abgeflogen werden. Wir bieten beispielsweise Fahrten von München nach Frankfurt, Amsterdam, Luxemburg und zum Flughafen Frankfurt-Hahn an. Darüber hinaus haben wir zusammen mit unserem spanischen Partner Ibertinsa Linienverkehre von München via Frankfurt nach Barcelona sowie Madrid. Laufzeit der Waren hier: 72 Stunden. Wann lohnt sich der LKW, wann der Flieger? Das ist sehr preis- und produktabhängig. Eine Sendung besonders eiliger Ersatzteile, Gefahrgüter oder Expresssendungen werden wegen des Zeitfaktors möglichst geflogen. Standardgüter hingegen eignen sich eher für den Straßentransport. Speziell bei Übernacht-Verkehren ist der LKW dem Flieger auf vielen Strecken innerhalb Europas überlegen. Je mehr Flughäfen nachts schließen oder die Betriebszeiten einschränken, wie in Frankfurt geschehen, desto vermehrt dürfte sich die Industrie für den LKW zu jenen Drehscheiben entscheiden, die rund um die Uhr geöffnet sind. hsVR-Fachkonferenz Luftfrachtsicherheit ohne BV-StatusAm 12. Juni veranstaltet die VerkehrsRundschau in Hamburg die Fachkonferenz „Luftfrachtsicherheit“. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht das Thema „Luftfracht problemlos versenden, ohne behördliche Zulassung zum Bekannten Versender“. Namhafte Referenten aus Logistikdienstleistung, Beratung und Verladerschaft erläutern die Vor- und Nachteile des Versands von Luftfracht ohne den Sicherheitsstatus des Bekannten Versenders. Dabei wird auch auf haftungs- und versicherungsrechtliche Aspekte eingegangen. Neben der Fachkonferenz erfolgt eine Besichtigung des World Cargo Centers (WCC) am Hamburger Flughafen. Hier erläutern Vertreter der Unternehmen THS Aircargo Services, Pfister Logistic und AKF Siemers in einer Live-Vorführung die Schwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten beim Verpacken, Röntgen sowie bei einer Sprengstoffuntersuchung von Luftfracht. Programm und Anmeldung finden Sie unter www.verkehrsrundschau.de/events. akNicht jede Fluglinie ist daran interessiert, Luftfracht in ihren Flugzeugen mitzunehmen „Wir unterhalten ein sehr engmaschiges Linien- Truckingnetz in Europa“ Michael Göntgens, Sprecher Lufthansa Cargo

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