LNG versus Diesel: Volvo Trucks setzt auf Gas-Motoren

Fast schien es so, als wäre das Thema Gas als Antriebsquelle für Schwer-Lkw wieder vom Tisch. Keinesfalls, lautet der Tenor bei Volvo Trucks - es komme nur darauf an, welches Gas man tankt. Womit die Schweden auf biologisch erzeugtes Methangas anspielen, kurz Biogas oder auch LBG-Gas (Liquefied Biogas), das beispielsweise aus landwirtschaftlichen Abfällen in Block-Heizkraftwerken gewonnen wird. Befindet sich dieses in den runden Cryotanks am Fahrzeugrahmen, rollt der Lkw nahezu klimaneutral. Etwas, das selbst batterieelektrischen Lkw mit dem derzeitigen StromMix bislang noch schwerfällt. Und die Verantwortlichen in Göteborg sind sich sicher, dass diese Tatsache künftig einen größeren Stellenwert bekommen dürfte. Nämlich wenn vermehrt Verlader einen klimaneutralen Transport einfordern, Stichwort CO2-Strafzahlungen. Umfangreiches Motoren-Update Das erklärt, warum Volvo Trucks noch mal intensiv Hand an seinen G13-Reihensechszylinder legte. Dabei bekam der Gasmotor grundsätzlich das gleiche Update wie schon seine Diesel-Brüder vor einigen Monaten. Vor allem den Verbrennungsprozess wollen die Ingenieure optimiert haben. Dafür sollen beispielsweise eine veränderte Ventilsteuerung, neue Injektoren oder neue Kolbenböden sorgen, die ein wellenförmiges Design aufweisen - für eine verbesserte Durchmischung von Luft und Kraftstoff. Zusätzlich sind die Kolben kürzer und die Pleuels entsprechend länger, was die internen Reibungsverluste reduziert. Mehr als diese innermotorischen Maßnahmen dürfte viele allerdings interessieren, dass der Hersteller im gleichen Zug das Leistungsangebot nach oben ausgedehnt hat. Den bisherigen und weiter im Programm bleibenden Einstellungen mit 420 oder 460 PS steht nun eine Variante mit 500 PS zur Seite, die maximal 2500 Newtonmeter Drehmoment ab frühen 980 Touren an die antreibenden Räder schickt. Exakt die gleichen Werte übrigens, die das vergleichbare Diesel-Pendant aufweist. Der Grund dafür liegt in der Arbeitsweise des Volvo-Gasers. Anders als die LNG-Aggregate der Wettbewerber arbeitet er nach dem Selbstzünderprinzip, also ohne Zündkerze. Deren Job übernimmt beim Volvo eine kleine Menge Diesel, die zusammen mit dem Biogas in den Zylinder gespritzt wird. Durch den Verdichtungsvorgang des Kolbens entflammt der Diesel und zündet das Gas mit. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (G 13 S 500 A), Common-Rail-Einspritzung, vier Ventile pro Zylinder, Singleturbolader, Euro 6e mit SCR-Kat, ungekühlter Abgasrückführung, Partikelfilter, Hubraum: 12.800 cm3, Leistung: 500 PS (368 kW) b. 1600-1700/min, max. Drehm.: 2500 Nm bei 980-1400/min Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe "I-Shift" (AT2612), unsynchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe, Range- u. Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge, 4 Rückwärtsgänge, Hinterachsübersetzung: i = 2,47; automatisierte, pneumatisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung, 430 mm Durchmesser Fahrwerk HA: 12-t-Antriebsachse (Volvo RSS1244B); Vierbalg-Luftfeder mit Stabilisator, VA: 7,5-t-Lenkachse, Zweiblatt-Parabelfeder, Stabilisator mittelsteif Bremsen Zweikreis-Druckluftbremsanlage, Scheibenbremsen, Motorbremse: VEB+, 380 kW bei 2300/min, Option: Retarder Maße & Gewichte Radstand: 3700 mm; L x B x H: 6080 x 2495 x 3941 mm; Leergewicht: 8010 kg (ohne Fahrer), inkl. 225 kg LNG; 170 l Diesel; 65 l AdBlue Fahren wie in einem Diesel Nach dem gewohnten Dreh am Zündschlüssel fällt zunächst das nun hörbar dumpfere Verbrennungsgeräusch auf, eine Folge des gesteigerten Einspritzdrucks, den das erwähnte Motoren-Update ebenfalls mit sich brachte. Ansonsten fällt auf, dass eben nichts auffällt. Soll heißen: Der Gas-Volvo offenbart auch während der Fahrt keine spürbaren Unterschiede in Sachen Souveränität zum Diesel. Mit 900 Touren bergauf? Für den FH 500 LNG kein Problem, ungeachtet der knapp 40 Tonnen Gesamt-gewicht, das die 8010 Kilogramm schwere Testzugmaschine in Kombination mit unserem Fliegl-Testauflieger auf die Waage bringt. Als hilfreich erweist sich in solchen Situationen, dass Volvo Trucks zu den Herstellern gehört, die das sogenannte Anpowern vor Steigungen klar befürworten. Entsprechend oft macht die Steuerungselektronik davon Gebrauch und beschleunigt die Fuhre am Fuße von Bergen auf 88 km/h - bei gesetztem Tempomat-Tempo 85. Unserer Meinung nach die richtige Strategie, denn so wird mehr Schwung mit in die Steigung genommen, was manche verbrauch- und tempozehrende Rückschaltung erspart. Angesichts dieser beschriebenen Souveränität dürfte der 500er locker auch noch die um eine Stufe ins Längere übersetzte Hinterachse verkraften. In der mit der 2,47er-Achse bestückten Test-Sattelzugmaschine dreht der 12,8 Liter große Reihensechszylinder bei 85 km/h mit 1120 Touren. Die längere, im Verhältnis 2,31 : 1 übersetzte Achse würde diesen Wert noch mal um gut 100/min weiter absenken, was sich auf den meisten Strecken verbrauchsenkend auswirken dürfte. Das gilt auf hügeligen Strecken ebenso für eine weitere neue Funktion, die der Gas-Volvo von seinen Diesel-Brüdern geerbt hat. Zumindest wenn per Tastendruck auf der Schalthebel-Konsole am Fahrersitz der Economy-Modus aktiviert wurde. Wobei der Großteil der Fahrer/-innen erst mal wenig von "I-Torque" begeistert sein dürfte, denn dahinter steckt eine dynamische Drehmoment-Reduzierung, die den Volvo also in seiner Leistungsfähigkeit beschneidet. Verbräuche und Geschwindigkeiten: 342,8-km-Teststrecke kg/100 km km/h _ Autobahn medium (40 t) A 9 Allershausen - A 93 Regensburg 15,3 85,1 _ Autobahn hügelig (40 t) A 3 Regensburg - Nürnberg 17,8 84,0 _ Autobahn Rolletappe (40 t) A 9 Nürnberg - Langenbruck 16,0 83,3 _ Landstraße (40 t) Langenbruck - Dasing 14,4 62,2 _ Autobahn leicht (40 t) A 8 Dasing - A 99 Unterschleißheim 16,3 84,0 Durchschnitt (gewichtet) : 16,1 79,9 Verbrauch Diesel: 1,58 l/100 kmVerbrauch AdBlue: 2,31 l/100 km Bedarfsgerechtes Drehmoment Genauer gesagt errechnet die Software im Millisekunden-Bereich für jeden Berg die richtige Stärke des Drehmomentes, um die Kuppe ausreichend schnell, aber gleichzeitig eben besonders sparsam zu überwinden. Wir empfehlen, dem System eine Chance zu geben, denn der "Leistungsverlust" ist an Bergen tatsächlich kaum zu spüren. Vor allem leistet es seinen Teil zur guten Kraftstoff-Effizienz, welche der Volvo FH 500 LNG auf der Teststrecke offenbart. Nur 16,07 Kilogramm Erdgas wurden auf den 343 Kilometern durchschnittlich in die sechs Brennräume geblasen, womit der Neue sein im Vorfeld getestetes Vorgänger-Modell mit 460 PS deutlich unterbietet. Hinzuzurechnen sind hier allerdings noch die Kosten für 1,58 l/100 km Diesel sowie 2,31 l/100 km AdBlue für die euro-6e-konforme Schadstoff-Reinigung der Dieselabgase. Doch auch inklusive derer hat der Gas-Volvo bei den Betriebskosten gegenüber einem FH 500 I-Save mit Dieselantrieb auf gleicher Strecke die Nase vorne - zumindest bei den TankstellenPreisen, die am Testtag galten. Auch die Tatsache, dass nun beim Gaser pro Autobahnkilometer 33,2 Cent Mautgebühr fällig werden, ändert daran nichts. Trotzdem schade, dass in den Mautsätzen die klimaneutrale Fahrt mit Biogas in keiner Weise belohnt wird. Sonst würden sich gewiss mehr Transporteure dem Thema Gas wieder annähern. Bewertung Volvo FH 500 LNG Motor/Antrieb (max. 140) 126 Getriebe/Kupplung (max.140) 126 Bremsen (max. 120) 104 Lenkung (max. 40) 34 Pedale (max. 20) 16 Fahrverhalten (max. 60) 53 Sicht (max. 50) 42 Klima/Lüftung (max. 50) 40 Sitze (max. 40) 32 Armaturen/Instrumente (max. 50) 45 Scheibenwischer (max. 30) 24 Fahrerhaus (max. 240) 207 Gesamtwertung (max. 980): 849 Testurteil + kraftvoller Triebstrang mit intelligentem Getriebe, gute Fahrbarkeit ohne Unterschiede zum Diesel, klimaneutraler Transport beim Tanken von Bio-LNG - Zahl von Biogas-Tankstellen bislang noch stark eingeschränkt, erklärungsbedürftiger Tankvorgang, deutlich höherer Anschaffungspreis im Vergleich zum Diesel (ca. 45.000 €) Fazit Biogas wird eine Rolle spielen Mit keinem anderen Antriebskonzept ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt einfacher, klimaneutral unterwegs zu sein, als mit Biogas. Insofern hat dieser Kraftstoff auf jeden Fall seine Berechtigung. Zumal der Gaser in Sachen Kosten interessant sein kann und man im Falle des Volvo beim Fahren tatsächlich keinerlei Unterschied zum vergleichbaren Diesel bemerkt. Und auch die Zahl von Biogas-Tankstellen wird momentan beinahe täglich größer. Darf´s noch mehr sein? Eine Kostenrechnung Gas versus Diesel finden Sie auf unserem Profiportal VerkehrsRundschau plus:www.verkehrsrundschau.de/plus/kostenvergleich-antrieb

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