Lkw-Maut: Logistikfreundlich geht anders

In Kürze Die Pläne des Bundesverkehrsministeriums zur Lkw-Mauterhöhung ab Dezember haben für viel Kritik von Transport- und Logistikverbänden gesorgt. Noch ist aber nichts entschieden, denn das Gesetzgebungsverfahren steht noch relativ weit am Anfang (Stand zu Redaktionsschluss). Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) hat einen Referenten-Entwurf unter dem Titel "Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften" vorgelegt, in der die geplanten Lkw-Mautsätze ab Dezember aufgeführt sind. Er beinhaltet im Wesentlichen Änderungen am Bundesfernstraßenmautgesetz und hat bereits für viel Aufruhr in der Branche gesorgt. Die auf zwei Etappen ausgelegte geplante Gesetzesnovelle sieht zum einen vor, zum 1. Dezember 2023 einen CO2-Aufschlag zu erheben. Dadurch würde die Maut für Euro-6-Lkw um ein Drittel bis auf annähernd das Doppelte steigen. Um den CO2-Aufschlag zielgenauer anlasten zu können, soll laut Entwurf die bisherige Klasse von Lkw über 18 Tonnen mit vier und mehr Achsen auf Vierachser und Fahrzeuge mit fünf und mehr Achsen aufgeteilt werden. Ermäßigungen beim CO2-Aufschlag sind für Nullemissions-Fahrzeuge vorgesehen: Dazu zählen neben Batterie- und Brennstoffzellen-Lkw auch Wasserstoff-Verbrennungsmotoren, wie indirekt aus dem Gesetzentwurf hervorgeht. Bilanziell klimaneutral mit dem Biokraftstoff HVO100 oder E-Fuels angetriebene Lkw werden nicht berücksichtigt. Kernpunkte der geplanten Mautnovelle Annähernde Verdoppelung der Mautsätze durch CO2-Zuschlag ab 1. Dezember 2023 Ausweitung der Mautpflicht auf Lkw von 3,5 bis 7,5 Tonnen zum 1. Juli 2024 Zeitliche Mautdifferenzierung für Staustrecken wird möglich 50 Prozent der Maut-Einnahmen für "Mobilität" statt Bundesfernstraßen Nur wenige Lkw "besonders sparsam" Vergünstigte CO2-Zuschläge sollen auch für besonders sparsame Lkw gelten. Was als "besonders sparsam" gilt, ergibt sich aus dem EU-Recht: Der CO2-Emissionsklasse 2 gehören Lkw an, die mindestens fünf Prozent weniger CO2 ausstoßen, als der Basiswert des jeweiligen Berichtszeitraums vorsieht. Der Basiswert liegt derzeit bei 56,6 Gramm CO2 je Tonnen-Kilometer. Dieser Gruppe gehören nach Einschätzung der vom BMDV beauftragten Gutachter knapp 13 Prozent der in Europa zugelassenen Lkw an. Fahrzeuge mit mehr als acht Prozent CO2-Ersparnis gegenüber dem Basiswert werden der CO2-Emissionsklasse 3 zugeordnet. Ihr gehören zwei Prozent an. Alle übrigen Lkw gehören der Emissionsklasse 1 an. Scharfe Kritik von den Verbänden In dieser Einteilung sieht der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) ein praktisches Problem: "Sehr problematisch und daher mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nur schwer vereinbar ist, dass ein Transportunternehmer diese Einstufung seiner Fahrzeuge in die richtige Emissionsklasse nicht erkennen kann", heißt es in seiner Stellungnahme. Offen lässt der Gesetzentwurf, wie mit Erdgas-Lkw (CNG und LNG) umgegangen wird. Vage heißt es im Begründungsteil: "Die Fahrzeuge werden künftig, wie andere Fahrzeuge auch, aufgrund ihrer konkreten Eigenschaften wie beispielsweise der spezifischen Kohlenstoffdioxid-Emissionen in Kohlenstoffdioxid-Emissionsklassen eingeteilt." Der BGL mahnt hier eine Klarstellung an. CO2-Aufschlag kaum vermeidbar Darüber hinaus kritisieren diverse im Straßengüterverkehr engagierten Verbände - vom BGL über den BWVL und den Speditionsverband DSLV bis hin zum KEP-Verband BIEK -, dass es angesichts der de facto fehlenden Marktverfügbarkeit von Nullemissions-Fahrzeugen für die Unternehmer praktisch keine Möglichkeit gibt, den CO2-Aufschlag zu vermeiden. "Das Gesetz entfaltet keine Lenkungswirkung, sondern erweckt den Eindruck, dass nur Einnahmen generiert werden sollen", heißt es in der Stellungnahme des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik (BIEK). Der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) weist außerdem darauf hin, dass die erforderliche Tank- und Ladeinfrastruktur für Nullemissions-Fahrzeuge noch kaum vorhanden ist. Zudem müssen die bisher mautbefreiten Nullemissions-Fahrzeuge (Batterie und Wasserstoff-Brennstoffzelle) ab Anfang 2026 zumindest 25 Prozent des Maut-Teilsatzes für die Infrastrukturkosten sowie die Teilsätze für Lärm und Luftverschmutzung tragen. Die naheliegende Frage, warum Nullemissions-Fahrzeuge Luftverschmutzungskosten zahlen sollen, lässt der Gesetzentwurf unbeantwortet. Die Verbände vermissen im besagten Entwurf auch eine Antwort auf die Frage, wie die Zusage aus dem Koalitionsvertrag eingelöst werden soll, eine Doppelbelastung durch CO2-Mautaufschlag und CO2-Bepreisung an der Tankstelle gemäß Brennstoffemissionshandels-Gesetz zu vermeiden. Die Logistikverbände hatten im Februar im Grundsatz die Erstattung des an der Tankstelle gezahlten CO2-Aufpreises favorisiert. Diskussion um Handwerker-Fahrzeuge Als zweiter Schritt sollen ab 1. Juli 2024 Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht in die Mautpflicht einbezogen werden. Eine Kontroverse zeichnet sich jetzt schon um die Mautbefreiung für "Handwerker-Fahrzeuge" ab. Laut Gesetzentwurf sind von der Mautpflicht ausgenommen "Fahrzeuge [.], die zur Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen, die der Fahrer zur Ausübung seines Handwerks benötigt, oder zur Auslieferung von handwerklich hergestellten Gütern, wenn die Beförderung nicht gewerblich erfolgt, benutzt werden." Der BGL weist darauf hin, dass diese Lkw ebenso wie im gewerblichen und im Werkverkehr eingesetzte Lkw Infrastrukturkosten, externe Kosten durch Luftverschmutzung und Lärm sowie CO2-Emissionen verursachen. Allerdings hat eine solche Argumentation schon im Falle der Fernbusse im Verkehrsministerium nicht verfangen. Außerdem wird das BMDV laut Gesetzentwurf ermächtigt, auf besonders staubelasteten Strecken die Mauthöhe je nach Tageszeit zu differenzieren. Die Mehreinnahmen zu den Verkehrsspitzen sollen durch eine Entlastung in den Nebenzeiten ausgeglichen werden. In Tschechien, wo 2010 vorübergehend die Maut am Freitagnachmittag um 50 Prozent angehoben wurde, reduzierte sich der Lkw-Verkehr aber nur um 13 Prozent. Maut-Einnahmen für die Schiene Heftig kritisiert wird von den Verbänden, dass künftig die Hälfte der Maut-Einnahmen "für Maßnahmen aus dem Bereich Mobilität und dabei, soweit der Bund Träger der Straßenbau-Last ist, ganz überwiegend für Maßnahmen aus dem Bereich Bundesschienenwege" verwendet werden soll. Dem Finanzierungskreislauf Straße würden im Zeitraum von Dezember 2023 bis Ende 2027 damit nur noch geringfügig mehr als die Einnahmen aus dem Maut-Teilsatz für die Infrastruktur bleiben - rund 34,4 Milliarden Euro. Nach dem aktuellen Schlüssel wären das 43,5 Milliarden Euro. Der Verband BWVL plädiert dafür, mit den zusätzlichen Mauteinnahmen, die nicht in die Schiene fließen, die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs zu unterstützen. "Damit ist zum Beispiel eine ausreichende finanzielle Ausstattung des Förderprogramms für Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur (KsNI) gemeint, in dem - Stand heute - Antragsteller immer noch auf die Bescheidung ihrer bewilligten Förderanträge warten, weil es an Haushaltsmitteln fehlt." Die CO2-Mauterhöhung würde dann einen "grünen Mautfinanzierungs-Kreislauf" unterstützen, so der BWVL. So geht es jetzt weiter Bevor das Kabinett voraussichtlich am 10. Mai darüber berät (Stand zu Redaktionsschluss), muss unter anderem noch die Ressortabstimmung erfolgen. Den Verbänden hatte das Ministerium für den 50-seitigen Referentenentwurf für eine Stellungnahme nicht einmal zwei Tage Zeit gegeben. Sie mussten sich bis 27. April zurückmelden. Nach den Stellungnahmen der Verbände und der Abstimmung in den beteiligten Ministerien kann der Referenten-Entwurf noch Änderungen unterliegen. Anschließend geht er ins Bundeskabinett und wird zum Regierungsentwurf. Auch danach kann es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch zu Änderungen kommen. Matthias Roeser, freier Journalist/mwi

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