Lernen mit Hindernissen

Es geht wieder aufwärts mit der deutschen Wirtschaft. Der Restart nach der mutmaßlich schlimmsten Phase der Corona-Krise ist in vollem Gange. Nur eines bremst den Aufschwung etwas aus: In vielen Branchen mangelt es an Fach- und Nachwuchskräften. So teilte die Deutsche Industrie- und Handelskammer Anfang August mit, dass Betriebe nach wie vor viele Ausbildungsplätze nicht besetzen könnten, weil es keine Bewerberinnen und Bewerber gebe. Das betrifft unter anderem die Logistik besonders stark. "Wir haben dieses Jahr ein Drittel weniger Bewerbungen als in den vergangenen Jahren bekommen", berichtet auch Kerstin Köcher (27), Ausbildungsverantwortliche bei Hiller Logistik und Spedition. Trotzdem könne sich der Logistikdienstleister glücklich schätzen: 60 Bewerbungen hat das Unternehmen laut Köcher erhalten, 13 Auszubildende haben im August ihre Ausbildung begonnen - sogar eine Person mehr als im Vorjahr. Der mittelständische Lüneburger Betrieb bildet insgesamt 30 Berufskraftfahrer, Fachkräfte für Lagerlogistik, Kaufleute für Speditions- und Logistikdienstleistungen sowie Fachinformatiker aus. Hadern mit der Fahrprüfung Bereits in sein zweites Ausbildungsjahr bei Hiller startet der angehende Berufskraftfahrer Jonas Sachse. Wegen der Pandemie fand seine Ausbildung bisher allerdings nur mit Einschränkungen statt (siehe Kasten). Ein Beispiel: Anfang März dieses Jahres absolvierte der 22-Jährige nach einem zweiwöchigen Crashkurs seine Prüfungen für den Lkw-Führerschein. Theorie bestand er, Praxis leider nicht. "Normalerweise ist es nach einer zweiwöchigen Sperrung möglich, die Prüfung zu wiederholen", sagt seine Ausbilderin. In diesem Jahr sei dies jedoch nicht der Fall gewesen. Der Kooperationspartner Deula habe vom TÜV extrem wenige Nachholtermine bekommen. "Viele TÜV-Prüfer waren wohl relativ betagt und daher Corona-Risikopatienten, weshalb sie entweder zu Hause geblieben oder teilweise auch in Rente gegangen sind. Das hat zu einem extremen Prüfermangel geführt", berichtet Köcher. Mit der Folge, dass Jonas seine praktische Fahrprüfung erst vier Monate später nachholen und deshalb auch weniger Fahrpraxis sammeln konnte. Digitalisierung ist Trumpf Nicht die einzige Hürde in der Ausbildung während der Pandemie: Präsenzunterricht in der Berufsschule wurde durch Homeschooling ersetzt, Zwischenprüfungen fielen im vergangenen Jahr aus und auch der soziale Kontakt war nur eingeschränkt möglich. "Normalerweise gibt es bei Hiller monatliche Treffen mit allen Auszubildenden und Ausbildern, um den persönlichen Austausch zu fördern. Während der Pandemie musste das leider wegfallen", sagt Köcher. Trotzdem sieht sie auch Positives: "Die Bewerbungsgespräche fanden alle digital statt, das hat ziemlich gut geklappt", weshalb sie das aus Gründen der Zeitersparnis auch künftig beibehalten wolle. Auch beim Recruiting hätten sich die Vorteile der Digitalisierung gezeigt. So konnten die Unternehmen bei der diesjährigen digitalen Ausbildungsbörse der Arbeitsagentur beispielsweise live in die eigenen Abteilungen schalten. "Auf einer regulären Ausbildungsmesse geht so etwas nicht", meint Köcher. Ebenfalls rein digital waren dieses Jahr die Ausbildungsbotschafter von Hiller unterwegs. Dabei gehen Azubis normalerweise in Schulen der Region und stellen ihre Ausbildung und ihren Betrieb vor. Diesmal fand die Vorstellung nur online statt. "Trotzdem haben wir sehr gutes Feedback bekommen", erzählt die Ausbildungsleiterin. Gut kam bei den aktuellen Lehrlingen laut Köcher auch die digitale Weihnachtsparty inklusive Online-Escape-Spiel an. Auch wenn sich der eine oder die andere sicherlich freuen dürfte, wenn solche Veranstaltungen wieder von Angesicht zu Angesicht möglich sind. Mehr zum Thema finden Sie unter #Ausbildung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Aufgrund der Corona-Pandemie war auch die betriebliche Ausbildung in den vergangenen 1,5 Jahren nur mit Einschränkungen möglich. Die Ausbildungsleiterin und ein Auszubildender bei Hiller Logistik und Spedition erzählen aus der Praxis -und wissen dabei auch etwas Positives zu berichten. Nachgefragt bei einem Azubi Wie gefällt dir deine Ausbildung bisher? Eigentlich super. Der Beruf ist so, wie ich ihn mir vorgestellt habe - auch wenn es aufgrund von Corona natürlich Einschränkungen gab. Welche waren das im Betrieb? Es gibt normalerweise einen Ausbildungsplan, in dem festgelegt ist, welche Abteilungen wir wann durchlaufen. In diesem Rahmen bekommen Berufskraftfahrer-Azubis noch vor der Führerschein-Prüfung auch Einblicke in andere Bereiche, etwa Logistik und Disposition. Das ist bei mir pandemiebedingt zunächst ausgefallen und konnte erst nach der Prüfung und im Schnelldurchlauf nachgeholt werden. Ich bin auch immer mit denselben Fahrern mitgefahren, um viele Kontakte zu vermeiden. Und in der Berufsschule? Ich habe Blockunterricht, das heißt jeweils einen Monat Berufsschule am Stück. Im zweiten Block ging es gerade mit Corona los, sodass wir da teilweise bereits Homeschooling hatten. Das hat leider nicht so gut funktioniert, es war beispielsweise immer wieder das Internet weg. Im Präsenzunterricht kann man den Inhalten viel besser folgen. Dann war da ja noch die Sache mit deiner praktischen Führerscheinprüfung (s. Fließtext). Ja, dass ich die nicht bestandene Prüfung erst Anfang Juli - also vier Monate später - nachholen konnte, war ärgerlich. Das hat schon etwas Motivation und natürlich auch Fahrpraxis gekostet. Gab es denn auch etwas Positives während der Pandemie, das man künftig beibehalten könnte? Die interne Kommunikation über Distanz bei Hiller lief von Anfang an sehr gut, sodass man sich den Gang in andere Abteilungen teilweise auch sparen konnte. sn Jonas Sachse (22) ist Berufskraftfahrer-Azubi im zweiten Jahr

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