Lebensmittellogistik

Lebensmittellogistik Schöne neue Welt? Die anhaltend niedrigen Lebensmittelpreise setzen Handelskonzerne und Produzenten unter Druck. Mit der Folge, dass diese immer stärker nach Einsparmöglichkeiten suchen – auch in der Lebensmittellogistik. Geht das zulasten kleiner und mittlerer Transport- und Logistikdienstleister? Für kleinere Transport- und Speditionsdienstleister, die Lebensmittel lagern und transportieren, wird es eng. Immer mehr Handelskonzerne und Lebensmittel-Discounter setzen verstärkt auf die Zusammenarbeit mit weniger, aber großen Logistiknetzen. Jüngstes Beispiel ist Handelskonzern Metro. Er hat erst im Sommer verkündet, dass er seine Beschaffungslogistik im Bereich Lebensmittel ab 1. August 2014 komplett bei der Versmolder Nagel-Group bündeln werde. Metro verspricht sich davon vor allem eine effizientere Belieferung seiner Märkte. „Um Synergieeffekte zu nutzen, ist es für uns auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll, unsere gesamten Transporte für die Beschaffungslogistik im Bereich Lebensmittel in die Hände eines einzigen Dienstleisters zu legen“, begründete Jeroen Janssen Lok, Vorstandschef der Metro Logistics, den Wechsel offiziell. Hinter vorgehaltener Hand sickerte im Markt durch, dass wohl auch eine geplante Preiserhöhung von Dachser den Ausschlag für die Trennung gegeben habe. Schon seit Jahren beliefert der Versmolder Food-Logistiker Nagel Group die Metro Märkte Cash & Carry, Real und Galeria Kaufhof in Deutschland mit Frischware im Temperaturbereich von zwei bis sieben Grad. Künftig kommen dazu nun auch untemperierte Produkte wie Süßigkeiten, Konserven und Gewürze, für die bislang Logistikdienstleister Dachser verantwortlich war. Löst Metro einen neuen Trend aus? Metro selbst wiegelt die aktuelle Konzentration in der Lebensmittel-Beschaffungslogistik ab. Die Konzentration der Dienstleister sei die Fortführung einer ohnehin bestehenden Entwicklung, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Schon seit Mitte der 1990er-Jahre arbeite Metro an der Steigerung der Effizienz durch Bündelungen in der Beschaffungslogistik, weil dies eine noch effizientere Belieferung der Märkte erlaube. „Die Laufzeiten von den Lieferanten zu den Märkten können so reduziert werden“, führt sie aus. Zudem bekämen die Kunden frischere Produkte und die Umwelt werde weniger belastet. Wie so oft kann das Vorpreschen eines so großen Spielers aber dazu führen, dass andere Marktteilnehmer den Ball aufnehmen und ebenso verfahren. Auch der internationale Lebensmittelkonzern Mondelez (früher Kraft Foods) hatte Ende September den Vertrag mit der Pfennig Logistics gekündigt. Über Gründe und zur Strategie wollte sich Mondelez auf Aufrage indes nicht äußern. Auch alle anderen Handelsunternehmen und Produzenten in der Lebensmittelbranche, die die VerkehrsRundschau zu ihren künftigen Logistikzielen und -plänen befragen wollte, hielten sich bedeckt. „Aus Wettbewerbsgründen“, hieß es des Öfteren, „können wir leider keine Antworten zur Verfügung stellen.“ Mit Ausnahme von Handelskonzern Metro wollte sich also kein einziges Unternehmen äußern, wie die Zusammenarbeit mit Logistikdienstleistern in Zukunft aussehen werde. Es bleibt zu hoffen, dass deren momentane Logistikpartner nicht ebenso im Dunkeln gelassen werden. Auf der Suche nach Einsparoptionen Diese beobachten jedenfalls einen eindeutigen Trend zur Reduzierung der eingesetzten Logistiker. Mit ein Grund dafür: der Lebensmittelmarkt wird immer europäischer; selbst Frischeprodukte werden immer häufiger kreuz und quer durch Europa geschickt. „Über die Hälfte der Lebensmittellogistik-Ausschreibungen, die uns erreichen, haben mittlerweile trans-europäischen Charakter“, bestätigt Dachser-Food-Logistics-Geschäftsführer Alfred Miller. Handel und Produzenten denken immer weniger in Ländergrenzen. Das muss auch für die Dienstleister gelten. Zudem steigen die Handelsunternehmen selbst stärker in die Logistik ein. So will zum Beispiel Metro Logistics in der Beschaffungslogistik verstärkt für Dritte tätig werden. Schon heute übernimmt Metro Logistics zum Beispiel für einige Mitgliedsunternehmen des Handelsverbunds Markant entsprechende Dienstleistungen. Entscheidender Grund für das Umdenken ist, dass die bisherige Logistikkette – vom Hersteller über den Großhändler zum Verbraucher – kaum noch Einsparpotenziale bietet. Im Gegenteil: Personal- und Transportnebenkosten steigen tendenziell. Im preissensiblen Lebensmittelmarkt mit seinen geringen Margen müssen Hersteller und Händler nach allen Sparmöglichkeiten greifen, die sich bieten. Stephan Dewender, Geschäftsführer des Logistikdienstleisters DFS in Bochum, sieht gleichwohl in der Verdichtung der Waren- und Kommunikationsströme noch großes Rationalisierungspotenzial für Verlader. Das reine Handling der Ware als Stückgut vom Hersteller zum Großhandel genüge heute nicht mehr, sagt Dewender. „Eine hohe Telematikkompetenz, gekoppelt mit einem starken Controlling, wird in Zukunft noch mehr starke von schwachen Unternehmen unterscheiden“, ist auch Micha Alexander Lege, Geschäftsführer des Logistikunternehmens Wiedmann & Winz in Geislingen, überzeugt (siehe Seite 32). Die Frage werde sein, ob mittelständische Betriebe finanziell und personell in der Lage sein werden, diese Entwicklungen im IT-Bereich zu stemmen. Denn internationale Verbindungen und eine bessere Informations- und Telekommunikationsausstattung dürften viele Mittelständler überfordern. „Die Verlader haben bei großen Dienstleistern mehr Existenzsicherheit“, glaubt denn auch Peter Pastors, Geschäftsleiter des Instituts für Frischelogistik im hessischen Idar-Oberstein. Aus seiner Sicht könnten große Logistikunternehmen Bedingungen und Normen leichter erfüllen, „was für kleine Firmen mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist“, sagt Pastors. Lege sieht das anders. Er geht nicht davon aus, dass sich Lebensmittelkonzerne in Zukunft nur noch auf große Dienstleister konzentrieren. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade auch bekannte Lebensmittelproduzenten gerne mit einer überschaubaren Zahl von starken Mittelständlern zusammenarbeiten“, sagt Lege. Allerdings steige der Druck auf kleinere Betriebe, Kooperationen einzugehen. Dank Partner gemeinsam stark Diesen Weg gehen seit Frühsommer diesen Jahres zwölf mittelständische Lebensmittellogistiker, die unter dem Label „European Food Network“ kooperieren. Die Systemführerschaft übernimmt Logistikdienstleister Dachser. Die Kooperation will die Logistik für Lebensmittelsendungen im plusgradigen Temperaturbereich gleichfalls im grenzüberschreitenden Verkehr erfüllen, wie auch eine regionale Belieferung über die Partner. Und die Kooperation zeigt Größe. Das „European Food Network“ erwirtschaftet rund 1,2 Milliarden Euro Umsatz mit Lebensmittellogistik und verfügt so über annähernd eine Million Warehouse-Stellplätze sowie rund 3500 Fahrzeuge. „Entweder man ist Ansprechpartner innerhalb einer Kooperation oder man ist kein Gesprächspartner mehr“, resümiert Karl Dischinger, Geschäftsführer der gleichnamigen Fachspedition aus Ehrenkirchen-Niedermatten und Partner des European Food Networks. Er sieht die künftigen Gewinner zudem in der regionalen Kompetenz der Transporteure. Dort können sie schneller und besser arbeiten als große Firmen, bestätigt Pastors vom Institut für Frischelogistik. Diese brauchen große Mengen, um die Kostenvorteile voll ausspielen zu können. Mittelständler können sich zügiger, sagt Pastors, auf veränderte Anforderungen und Prozesse ihrer Kunden anpassen und sich entsprechend darauf einstellen. Doch auch das ist keine Garantie für ein dauerhaftes Auskommen. Mittlerweile haben auch große Dienstleister wie Nagel erkannt, dass Präsenz nicht nur auf der langen Strecke wichtig ist, sondern auch in der Region. Nagel verfügt über beides – ein europäisches Langstreckennetz und schnelle und flexible Einheiten in der Region. „Daher war das für Metro eine gute Entscheidung“, meint Pastors. Für regionale Transporteure könne das gleichwohl zur Gefahr werden. Regionale Kunden im Fokus Sotirios Kariofillis, Geschäftsführer der IFL International Food Logistics in Köln, lässt deshalb schon länger die Finger von großen Ausschreibungen. Er setzt lieber auf regionale Kunden, etwa Bauern als Lieferanten, um seine 22 Autos auszulasten. Die IFL beliefert Supermärkte und andere Verkaufsstellen mit regionalem Bio-Gemüse und Obst. Gleichzeitig rüstet er sich erfolgreich für einen weiteren Trend, der im Lebensmittelmarkt ebenfalls voranschreitet. Ketten wie Edeka und Rewe setzen bei Frischeartikeln verstärkt auf regionale Produzenten und lokale Lebensmittel. ❙❚■ Alexander Heintze, freier Journalist Interview „In Konzernen schätzt man kurze Wege zur Geschäftsleitung“ Warum er auch mittelfristig Chancen für Mittelständler in der Lebensmittellogistik sieht, sagt Micha Alexander Lege, Geschäftsführer des Logistikdienstleisters Wiedmann & Winz in Geislingen. Haben Ihre Kunden schon signalisiert, dass eventuell Veränderungen bei der Zusammenarbeit anstehen? Micha Alexander Lege: Wir befinden uns schon seit einigen Jahren in einem hoch dynamischen Veränderungsprozess und haben uns darauf eingestellt. Konzentriert sich das Geschäft möglicherweise bald nur noch auf wenige große Logistikdienstleister? Davon gehen wir nicht aus. Wir glauben aber, dass der Druck für kleinere Betriebe steigt, Kooperationen einzugehen. Gleichwohl haben wir die Erfahrung gemacht, dass gerade auch bekannte Lebensmittelproduzenten gerne mit einer überschaubaren Zahl von starken Mittelständlern zusammenarbeiten. In diesen Konzernen schätzt man kurze Wege zur Geschäftsleitung und die Flexibilität im Tagesgeschäft. Denn letztlich wollen auch Konzerne nicht nur eine „Nummer“ bei einem großen Dienstleister sein und die Abhängigkeit aus einer solchen Zusammenarbeit vermeiden. Welche Punkte sind aus Ihrer Sicht Ihren Kunden in der Lebensmittellogistik besonders wichtig? Für unsere Kunden spielt die Versorgungssicherheit ihrer Endkunden zu kalkulierbaren Preisen eine zentrale Rolle – auch und gerade in Zeiten knappen Laderaums. Deshalb setzen wir nach wie vor auf unseren Eigenfuhrpark. Wir sind aber immer größeren Mengenschwankungen unterworfen. Auf Dauer lässt sich dies nur wirtschaftlich bewältigen, wenn es klare Vereinbarungen zwischen Verladern und Transportdienstleistern zur Kapazitätssicherung gibt. Denn neben ständig steigenden Kosten beschäftigt unsere gesamte Branche der Fahrermangel immer mehr. Allein in Deutschland fehlen 20.000 qualifizierte LKW-Fahrer. Wie wollen Sie als Mittelständler vor diesem Hintergrund in der Lebensmittelbranche künftig noch punkten? Über den Transport hinaus sehen wir auch in der Lebensmittelbranche in der Kontraktlogistik für Mittelständler noch ein hoch interessantes Geschäftsfeld. Zumal mittelständische Dienstleister im Vergleich zu Größeren schneller auf Wünsche ihrer Auftraggeber reagieren und damit noch individuellere Lösungen umsetzen können. Im Rennen um die Kostenführerschaft in standardisierten Prozessen müssen sich einzelne Mittelständler aber mehr anstrengen. Sind die Verlader aber bereit, dieses Mehr an Service entsprechend zu honorieren? Wir machen hier und da die Erfahrung, dass Verlader ihre Anforderungen in Sachen Qualität oder auch sonstige spezielle Anforderungen reduzieren, wenn sie dadurch einen günstigeren Preis erzielen. Aus unserer Sicht könnte das „Honorieren“ also gerne großzügiger ausfallen. Die Umsatzrenditen sind ja bekannt. ah Metro Logistics macht es vor: Ab sofort wird die gesamte Beschaffungslogistik von Nagel gemacht „Über die Hälfte der Ausschreibungen im Food-Geschäft haben trans-europäischen Charakter“ Alfred Miller Geschäftsführer Dachser Food Logistics „Mittelständler können sich zügiger an veränderte Anforderungen ihrer Kunden anpassen“ Peter Pastors Geschäftsleiter des Instituts für Frischelogistik