Kontraktlogistik: Ist Outsourcing tot?

In Kürze Was für eine Achterbahnfahrt: In den Pandemiejahren 2021 und 2022 boomte die Kontraktklogistik. Vielerorts wurden die Lagerflächen knapp, weil Hersteller ihre Versorgung absicherten. Aktuell ist es dagegen ruhig in der Kon-traktlogistik. Ob und wie die Wende gelingen kann, zeigt der Artikel. Deutschlands Industrie tritt auf der Stelle. Anstelle endlich nach oben zu gehen, zeigen die Zahlen nach unten. So liegt die Industrieproduktion noch immer hartnäckig um fünf Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019, so eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Im Vergleich zu 2018 klafft sogar eine Lücke von acht Prozent. Sehr wenige Neuausschreibungen Die Frage ist: Was bedeutet das alles für Unternehmen, die in der Kontraktlogistik ihr Geld verdienen? Drehen vor diesem Hintergrund Industrie und Handel ihr Logistik-Outsourcing wieder in eigene Unternehmen zurück? Ist Outsourcing möglicherweise im Moment sogar tot? Richtig ist: Der Markt in der Kontraktlogistik ist ruhig, sehr ruhig. "Sehr viele Unternehmen tun da im Moment nichts. Es gibt in der Kontraktlogistik aktuell sehr wenige Neuausschreibungen", stellt Klaus-Peter Jung fest. Er ist Partner der Unternehmensberatung Miebach Consulting in Frankfurt am Main. "Nicht weil Industrie und Handel Outsourcing infrage stellen, sondern weil die Firmen nicht wissen, wie es weitergeht und mit welchen Mengen sie in absehbarer Zeit planen können." Anstelle von Neuausschreibungen halten laut Jung die Unternehmen lieber an ihren bestehenden Verträgen fest. "Wer Umsatzrückgänge von zehn bis 20 Prozent hat, wie aktuell zum Beispiel die Chemiebranche, hat ganz andere Sorgen, als sich neue Dienstleister zu suchen", formuliert er es. Und in anderen Branchen sieht es nicht viel besser aus. Die Branchen seien zwar unterschiedlich stark von der momentanen Krise betroffen, die Stimmung im Markt sei aber allgemein schlecht, die Unternehmen agieren abwartender. Nach dem Peak jetzt die Flaute? Noch vor zwei, drei Jahren, gerade zu Beginn der Corona-Pandemie, war genau das Gegenteil der Fall. "Viele Versender, sowohl Industrie- wie auch Handelsunternehmen, suchten da händeringend nach Lagerkapazitäten", erzählt Arnd Stoehr, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb von Metro Logistics in Düsseldorf, die seit 2020 als eigenständiges Kontraktlogistik-Unternehmen auch für Drittkunden tätig ist und nicht nurmehr für den Metro-Konzern. "Außerdem wurden da Puffer- und Überlauflager nachgefragt, um sich gegen Lieferketten-Störungen abzusichern." Das sei viel Ad-hoc-Geschäft gewesen, sagt er, eben aufgrund der pandemiebedingten Störungen in den Lieferketten und des hohen Wachstums im E-Commerce. Im Moment dagegen sei die Nachfrage eher moderat. "Die Bestände sind teilweise noch hoch und die Rotation der Ware ist auf einem niedrigen Niveau", berichtet Stoehr: "Vor allem im Non-Food- und im E-Commerce-Bereich dreht sich aktuell wenig. Und wenn sich wenig dreht, können wir unsere Mitarbeitenden nur begrenzt auslasten." Metro Logistics passt daher ihr Lagernetz den Marktgegebenheiten weiter an, zum Jahresende wird der Lagerstandort in Reichenbach, Thüringen, abgegeben. Besser sieht es im Food-Bereich, insbesondere in der Frischelogistik, aus. Metro Logistics fokussiere sich deshalb im Moment auf Lebensmittellogistik, betont Stoehr. "Da schalten wir im kommenden Jahr einige wichtige Lebensmittelhändler als Neukunden bei uns auf. Auch im internationalen Sourcing sehen wir zudem noch Wachstumspotenzial", verrät er. "Und spätestens 2025 dürfte es hoffentlich im E-Commerce und auch in den anderen Branchen wieder aufwärtsgehen." Sorgen, dass ihm in der Kontraktlogistik das Geschäft wegbricht, hat Stefan Ulrich nicht. Er ist CEO des mittelständischen Logistikunternehmens Simon Hegele Group in Karlsruhe, das sich auf Lager- und Kontraktlogistik-Services für Kunden aus Medizintechnik, Pharma, Industrie und Handel fokussiert hat Wachstumspotenzial Ausland "Wir spüren keine Flaute bei Ausschreibungen. Wir erhalten sogar zunehmend Anfragen aus dem In- und Ausland. Deutsche Bestandskunden fragen uns unter anderem, ob wir ihnen auch in andere Länder folgen", sagt Ulrich. Nicht weil sich diese Firmen aus Deutschland verabschieden wollen würden, sondern weil sie in anderen Ländern wachsen und dort mit der Qualität der Dienstleister unzufrieden seien. "Das eröffnet uns wichtiges Wachstumspotenzial. Deshalb begleiten wir unsere Kunden und klinken uns in deren Wertschöpfungskette ein - egal wo auf der Welt", erklärt der CEO seine Strategie. "Und wenn wir da einen guten Job machen, bekommen wir auf anderen Erdteilen auch etwas von dem Wachstum ab." Unternehmenszukäufe im Ausland, wie unlängst zum Beispiel in Frankreich, seien da für ihn auch ein wichtiges strategisches Element, betont Ulrich. Hegele sei zwar schon mit 40 Standorten in Deutschland und mit sieben Präsenzen im Ausland aktiv, auch in Brasilien, den USA und Singapur. "Wir werden aber weiter zukaufen, wenn wir feststellen, dass ein Unternehmer Lust hat, Teil unserer Hegele-Familie zu werden, und uns dies strategisch weiterhilft." So stehe man auf dem amerikanischen Kontinent kurz vor einer weiteren Beteiligung. Interessant für Ulrich ist auch, dass Auftraggeber bei Hegele anfragen, wie man die Supply Chain gemeinsam effizienter gestalten kann. "Da ist noch viel möglich", ist er überzeugt. Natürlich brauche es dafür einen Kunden mit einer gewissen Schwungmasse. Und natürlich helfe auch die Automatisierung, vor allem angesichts mangelnder Fachkräfte und hoher Krankenquoten. Die Potenziale in der Kontraktlogistik sind also längst nicht ausgereizt. Über Partnerschaften mit innovativen Dienstleistern ist da noch viel zu holen. "Je dynamischer die Zeiten, desto mehr muss man zusammenrücken", meint er. Gerade in der Kontraktlogistik hilft das sehr - nicht nur dem Verlader, sondern auch dem Dienstleister. Das Schöne sei: "Viele Firmen sind aktuell bereit, alles infrage zu stellen und alte Zöpfe abzuschneiden", stellt Ulrich fest. Wenn ein Dienstleister ein gutes Standing bei seinem Auftraggeber habe, höre ihm dieser auch zu. Unzufriedenheit der Auftraggeber wächst Was Dienstleister indes alarmieren sollte: "Auftraggeber sind zunehmend unzufrieden mit ihren Speditions- und Logistikpartnern - sowohl qualitativ als auch preislich", mahnt Jung. Das sei eines der zentralen Ergebnisse einer Marktuntersuchung, die Miebach Consulting vor wenigen Monaten zum Outsourcing in Europa und Lateinamerika durchgeführt hat (siehe Grafik Seite 16). Verglichen mit anderen Regionen ist die Zufriedenheit in Deutschland gar am geringsten. Kostenvorteil der Dienstleister schwindet "Ein Teil der Kritik ist zwar sachlich nachvollziehbar, aber auch nicht immer fair", gibt Jung zu bedenken. Das liege zum einen daran, dass die Auftraggeber zum Teil eine falsche Erwartungshaltung an ihre Dienstleister haben. "Wenn ein Hersteller zum Beispiel für seine Logistik keine Fachkräfte findet und deshalb outsourct, wird in Zeiten des Fachkräftemangels sein Dienstleister da natürlich die gleichen Probleme haben. Da sind die Hersteller ein gutes Stück blauäugig", meint Jung. Zum anderen liege es aber auch daran, dass die Dienstleister gerade in der Anbahnungsphase Auftraggebern zu viel versprechen. "Ein Logistikdienstleister muss sich aber in Outsourcing-Projekten stets auf neue IT, neue Prozesse, neue Mitarbeiter einstellen und kennt oft nicht das Produkt-Handling - das läuft in der Praxis also nicht immer gleich rund. Das rumpelt zu Anfang fast immer - in puncto Output, aber auch bei der Qualität." Erschwerend kommt hinzu: "Der Kostenvorteil, den Speditions- und Logistikdienstleister früher hatten, etwa beim Faktor Mensch, der nun mal 60 bis 70 Prozent der Logistikkosten ausmacht, wird immer kleiner", weiß Jung. Etwa durch die zunehmende Anhebung des Mindestlohns, die Inflation und den steigenden Druck seitens der Gewerkschaften. "Spart sich ein Industrie- oder Handelsunternehmen durch Outsourcing also nicht wirklich Kosten ein, und es sinkt dadurch sogar die Servicequalität, müssen Dienstleister aufpassen. Denn Auftraggeber drehen auch mal ganz schnell das Outsourcing zurück und machen die Logistik wieder in Eigenregie - Stichwort Insourcing." Zumal die Dienstleister immer professioneller werden würden und bei Logistik-Outsourcing-Projekten nicht mehr so hoch ins Risiko gingen wie früher. Gleichwohl gelte nach wie vor: "Die Dienstleister sind beim Thema ,People-Management' besser als Industrieunternehmen - Stichwort operative Flexibilität." Sie wüssten nun mal alles über Wochenend- und Schichtarbeit sowie Zuschläge und könnten Mengenschwankungen aufgrund ihres Geschäftsmodells personell besser abpuffern als ein Produzent. Preisdruck in der Kontraktlogistik steigt "Es gibt nach wie vor genug Nachfrage. Vielerorts lagern Versandpaletten beim Kunden noch immer unter engsten Bedingungen. Da sind die Versender weiterhin froh, wenn sie das intelligenter über einen Dienstleister mit einem guten Logistikkonzept lösen können", macht Thomas Mielke, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Metroplan in Hamburg, Dienstleistern Mut, die auf der Suche nach Neuausschreibungen sind. Er sieht in der Kontraktlogistik derzeit sogar eine Sonderkonjunktur (siehe Interview unten). Gleichwohl müssten sich die Dienstleister auf Folgendes einstellen: "Wenn Auftraggeber aktuell neu ausschreiben, wollen sie darüber deutliche Kosteneinsparungen erzielen", stellt Mielke fest. "Der Preisdruck in der Kontraktlogistik nimmt wieder zu." Gleichzeitig seien Verlader vermehrt dazu bereit, auch anspruchsvolle Aufgaben an Logistikdienstleister fremd zu vergeben. "Heute vergibt man sogar Wartungsarbeiten, etwa Reinigung, Filterwechsel, Kalibrierung und sonstige Wartungsarbeiten an technischen Anlagen, an Dienstleister." Unterm Strich dürfte die Kontraktlogistik also trotz der momentanen Flaute für Dienstleister auch mittelfristig ein wichtiges Geschäftsfeld bleiben. Stefan Ulrich, CEO von Simon Hegele, glaubt sogar, dass die Vorzüge des Outsourcings gerade im jetzigen dynamischen Umfeld weiterhin bestehen, gerade weil potenzielle Kunden Investitionen in Automatisierung und Digitalisierung scheuen, das Logistik-Know-how selbst nicht vorhalten können und sich verstärkt auf ihr Kerngeschäft konzentrieren müssen. Da können Dienstleister punkten. Dennoch: "Die Zeit der großen Wachstumssprünge ist in der Kontraktlogistik vorbei." Das meint Branchenkenner Klaus-Peter Jung von Miebach Logistik. Fünf bis zehn Prozent Wachstum pro Jahr in der Kontraktlogistik wie in der Vergangenheit wird es künftig nicht mehr geben." Was ist mittelfristig für Dienstleister das wichtigste Wachstumsfeld? Thomas Mielke, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Metroplan in Hamburg Vor ein, zwei Jahren boomte in Deutschland die Kontraktlogistik. Hersteller suchten händeringend Lagerflächen bei Dienstleistern. Wie ist es aktuell? Noch bis vor einem halben Jahr war es unmöglich, ausreichend Lagerkapazitäten auf dem Markt zu finden. Mittlerweile hat sich das normalisiert, auch weil die großen Internet-Versandhändler etliche Lagerflächen aufgekündigt und für den Markt freigegeben haben. Speditions- und Logistibetriebe, die pandemiebedingt in den letzten Jahren massiv in Lager- und Logistikflächen investiert haben, müssten jetzt aber nicht fürchten, auf diesen sitzen zu bleiben. Es gibt nach wie vor genug Nachfrage. Gilt das auch für Kontraktlogistik-Services? Da sollen die Ausschreibungen ja mau sein. Wir stellen in der Kontraktlogistik im Moment sogar eine Sonderkonjunktur fest. Wichtiger Treiber ist da das Thema Lithium-Batterien, das in der Automobil- und Fotovoltaikbranche sowie im Consumer-Bereich eine immer größere Rolle spielt. Da gibt es aktuell viele Ausschreibungen. Vorrangig werden Dienstleister gesucht, die über geeignete Logistikimmobilien verfügen oder zumindest bereit sind, diese entsprechend dafür umzurüsten, um die Voraussetzungen für die Lagerung von Lithium-Batterien zu schaffen. Dazu gehören zum Beispiel Fußböden, die die Anforderungen der Wassergefährdungsklassen zwei und drei erfüllen." Und was ist mittelfristig für Dienstleister das wichtigste Wachstumsfeld? Reaktivieren Sie, sofern vorhanden, stillgelegte Gleisanschlüsse, und kommunizieren Sie das im Markt! Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil. Denn Verlader suchen nach Lösungen, auch im Zusammenspiel mit ihren Dienstleistern, wie sie ihren CO2-Fußabdruck senken können. Darauf müssen sich Transporteure und Spediteure einstellen. Denn der CO2-Ausstoß pro Tonnenkilometer ist auf der Schiene geringer als auf der Straße. Wer Investitionen in den eigenen Gleisanschluss nicht schultern kann, sollte Lösungen entwickeln, um Güter seiner Kunden per Lkw-Shuttle zum nächsten Gleisanschluss befördern zu können. eh

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