Kommt jetzt die Palettenkrise?

Neue Euro- und Einwegpaletten werden gebraucht, doch plötzlich kosten die Lademittel zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr - solche Situationen erlebt Uwe Hahner immer häufiger. Er ist Abteilungsleiter Verpackungsmittel bei der Zufall Logistics Group, Fulda. "Auf dem Gebrauchtmarkt gibt es nur geringe Knappheit - doch bei neuen Paletten schon", berichtet Hahner. Laut aktuellem Preisspiegel von Palettenreport und VerkehrsRundschau kosten Neupaletten derzeit 8,24 Euro - so viel wie schon lange nicht mehr. Für das Hoch sorgen einerseits die anhaltend gute Konjunktur, andererseits die gestiegenen Holzpreise: plus zehn Prozent allein im vergangenen Jahr. Sogar die breite Öffentlichkeit ist mittlerweile auf die Entwicklung aufmerksam geworden. "Deutsche Unternehmen bekommen keine Holz-Paletten mehr", titelte zum Beispiel "Die Welt" im Januar. Aber ist die Entwicklung wirklich so dramatisch? Und wenn ja, welche Auswirkungen hat sie auf die Kalkulation der Spediteure? Produktionszahlen auf Rekordniveau Praktiker mahnen zur Gelassenheit. "Die Holzpreise explodieren nicht, sondern schwanken - und das tun sie immer", sagt Ekart Kuhn vom Beratungsunternehmen Ekupac, Köln. Eine Angebotskrise liegt auch nicht gerade vor: Die European Pallet Association (EPAL) hat unlängst ein Rekordergebnis von 115,8 Millionen produzierten und reparierten Ladungsträgern für 2017 verkündet - im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von fast zehn Prozent. Hinzu kommen noch einmal zehn bis 15 Millionen neue Paletten, die der internationale Bahnverband UIC in Umlauf gebracht hat. Kuhn hält diese Mengen trotz der guten Konjunktur für ausreichend. "Bei einer vernünftigen Einkaufspolitik dürfte ein Dienstleister keinen Engpass bekommen." Lediglich bei Sonderpaletten könne es Wartezeiten geben. Neukunden haben es schwerer Ein Insider aus dem Palettenhandel, der namentlich nicht genannt werden will, sieht die Lage ebenfalls noch entspannt. "Ja, neue Kunden werden es schwer haben, Paletten zu bekommen. Bestehende Kunden werden aber alle beliefert." Hier und da gebe es Spitzen und verzögerte Auslieferungen. "Das schätze ich aber als normales Tagesgeschäft ein", so der Insider. Bei den meisten Transportdienstleistern herrscht ebenfalls keine Alarmstimmung. "Die Preise sind leicht gestiegen, aber von einer Knappheit spüren wir noch nichts", sagt Alexander Kiefer, Leiter Administration bei der Karl Dischinger Spedition. Auf lange Sicht jedoch könnte die Preisentwicklung der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Denn das Thema Ladungsträger belastet die Bilanz der Transportdienstleister schon lange. Kiefer beschreibt das verbreitete Ärgernis so: "Die Empfänger versuchen, anstatt die Paletten bei Anlieferung gleich zu tauschen, Palettenscheine zurückzugeben." Doch die einzulösen, koste viel Zeit und damit Geld. Zum einen müsse der Frachtführer oft zu einem separaten Palettenlager fahren, zum anderen verursache die Verarbeitung der Palettenscheine zusätzlichen administrativen Aufwand, so Kiefer. Hinzu kommt das bekannte Problem "gute Palette rein, schlechte Palette raus": Der Kunde verlangt, dass seine Waren auf neuen Ladungsträgern oder Exemplaren der Klasse A befördert werden, weil nur die sich mit seiner modernen Lagertechnik vertragen, doch im Gegenzug bekommt der Spediteur teilweise nur B- oder C-Klasse zurück. "Wir beobachten eine stetig abnehmende Qualität von Europaletten, die wir an den Rampen des Lebensmittelhandels zurückerhalten", bestätigt Kiefer. Ladungsträger für Ladungsträger zahlt der Spediteur so drauf. Eine Lösung wäre, diese Mehrbelastung voll an den Verlader weiterzureichen, doch in der Praxis lässt sich das nicht umsetzen. "Wir haben schon vor Jahren eine Tauschgebühr eingeführt, doch die deckt nicht die administrativen Kosten", so Kiefer. Zumindest bei den Verwaltungskosten soll es in Zukunft eine Entlastung geben. Sie werden aktuell noch durch den Papierwust an der Rampe hochgetrieben. Jeder Marktteilnehmer verwendet hier eigene Palettenscheine, mit eigenem Layout und Inhalten. Um die Bürokratie einzudämmen, hat die Standardisierungs-Organisation GS1 Germany zusammen mit Logistikgrößen einen einheitlichen Palettenschein auf den Weg gebracht. Seit April 2017 liegt der Standard vor, doch vom Masseneinsatz ist er noch weit entfernt. Praktiker Hahner sieht klare Hürden: "Jeder Aussteller hat seine eigenen Bedürfnisse. Manche verwalten über die Scheine auch Klemmbalken und Spannstangen, sie brauchen individuelle Dokumente." Bis zum einheitlichen Schein könne es dauern. Dass dieser Prozess - wie von GS1 Germany geplant - im nächsten Schritt sogar komplett digital und damit papierlos abläuft, sieht Hahner noch nicht. Steigende Preise für Neuware, weiterhin teure Paletten-Administration - wie könnte der Ausweg aussehen? Manche Marktteilnehmer bringen einen Totalausstieg ins Gespräch. Frachtraum ist schließlich knapp und die Dienstleister sitzen - seit langer Zeit - mal wieder am längeren Hebel. Das ist der perfekte Moment, um den teuren Tausch komplett einzustellen oder deutlich höhere Gebühren zu fordern, lautet das Argument. Marktkenner Kuhn folgt ihm nicht. "Das hört man regelmäßig alle zwei bis drei Jahre. Mir ist kein großer Spediteur bekannt, der grundsätzlich aus dem Tausch aussteigt." Gerade in Verhandlungen mit großen Verladern würde sich kein Dienstleister trauen, einen solchen Schritt zu wagen, so Kuhn. Lediglich bei der Halbpalette würden einzelne Dienstleister den Tausch aufkündigen. Die Stunde der Palettendienstleister Zu den Nutznießern der steigenden Tauschkosten dürften auf jeden Fall alle Dienstleister gehören, die Erleichterungen im Ladungsträgermanagement versprechen. Dazu gehören Betreiber von eigenen Pools wie CHEP oder LPR (La Palette Rouge), Netzwerke wie Deutsche Paletten Logistik (DPL) und Pooling Partners (ehemals PAKI) oder auch die Internetplattform Swoplo, über die Unternehmen ihre Ladegutkonten führen können. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Paletten" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Streit zwischen EPAL und UIC An der Rampe alles beim Alten Im Alltag wenig Auswirkungen hat bisher der Streit zwischen der European Pallet Association (EPAL) und UIC. Rückblick: Im vergangenen Jahr hatte die Palettenorganisation die Tauschvereinbarung mit dem Internationalen Eisenbahnverbund gekündigt und den Verwendern empfohlen, UIC-Paletten auszusortieren beziehungsweise keine neuen mehr anzunehmen. Eine Übergangszeit bis Ende 2021 wurde dafür genannt. Nach Ansicht der EPAL geht die internationale Organisation, die von der österreichischen Rail Cargo Austria geführt wird, nicht entschieden genug gegen Fälschungen vor. Seit dem Bruch zwischen den Palettenriesen rätseln Experten über die Folgen. Kommt auf Spediteure jetzt etwa eine teure Zweigleisigkeit zu - EPAL-Ladungsträger in einer Ecke des Hofes, UIC-Paletten in der anderen? Bislang haben sich diese Befürchtungen offenbar nicht bewahrheitet, die Folgen des Streits gehen gegen null. "Bisher sagt kein Kunde'keine UIC-Paletten mehr'", berichtet Uwe Hahner von der Zufall Logistics Group, Fulda. Die Ladungsträger würden gelegentlich durchlaufen, und zwar aktuell noch ohne Probleme. Kein Fahrer werde bei einer Zustellung oder Abholung an der Rampe eine Diskussion über UIC-Paletten vom Zaun brechen."Außerdem muss man oft genug nehmen, was man bekommt", fasst Hahner zusammen. Große Verlader könnten sich ihre Paletten aussuchen, mittelständische Dienstleister im Sammelgut-Geschäft eher nicht. cg