Der Schein trügt. Ein Sprichwort, das einem fast zwangsläufig in den Sinn kommt, befasst man sich mit dem Unternehmen Ricö genauer. Seine aufgemotzten modernen Fahrzeuge zogen alle an. Selbst Branchenfremde. Und die unter dem Branchenschnitt liegenden Transportpreise taten offenbar ihr Übriges, um namhafte Auftraggeber ins Netz der Osteroder Firma zu locken. Mit dem Ergebnis, dass Ricö in wenigen Jahren quasi von null zu einem Giganten mit über 300 Millionen Euro Umsatz expandierte. Irgendwann aber verlor die Führungscrew offenbar die Kontrolle über dieses Imperium. Der Absturz erfolgte jäh. Plötzlich kursierte die Zahl von 330 Millionen Euro Verbindlichkeiten – am 5. März 2008 dann die Insolvenz. Und es kommt noch schlimmer. Denn die Staatsanwaltschaft erhebt nun schwere Vorwürfe. Die Rede ist zum Beispiel von Insolvenzverschleppung, Bilanzfälschung und Scheingeschäften mit Leasingfirmen. Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Der Schaden für Ricö ist trotzdem enorm. Noch schwerer aber wiegt der Imageschaden für das gesamte Transportgewerbe. Seit Jahren mühen sich viele Unternehmen mit zuverlässigem Service und Mehrwertdiensten ihre Kunden und die breite Öffentlichkeit von dem Können der Branche zu überzeugen. Selbst ein „Tag der Logistik“ kann leider nur wenig bewirken, wenn zeitgleich ein Fall Ricö in den Medien hochkocht. Hängen bleiben nun einmal bei Branchenfremden immer die Geschichten über schwarze Schafe. Eine Lehre kann man aus dem Fall Ricö trotzdem ziehen: Wer auf Dauer unter seinen Kosten Preise anbietet und auf diese Weise Kunden ködert, katapultiert sich damit meist schneller aus dem Markt als ihm lieb ist.
Kommentar der Woche: Lehrstück Ricö
VR-Redakteurin Eva Hassa analysiert das Thema der Woche