Auch vorübergehende, ja selbst kurzfristige Störungen von Transportketten können dazu führen, dass Unternehmen nach einer Normalisierung nicht wieder zur vorherigen Praxis zurückkehren. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Rethink-GSC, einem von der EU geförderten Forschungsprojekt unter der Leitung des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Die Studie nutzt die außergewöhnlich niedrigen Wasserstände der deutschen Binnengewässer im Jahr 2018, um zu untersuchen, wie sich Unternehmen anpassen, wenn wichtige europäische Flüsse auf ein kritisch niedriges Niveau sinken und zentrale Frachtrouten unterbrochen werden.
Niedrigwasserphase sorgt für Umstellung bei den Transportketten
Durch die Verknüpfung deutscher Handelsdaten mit Transportinformationen untersucht die Studie, wie sich temporäre Schocks auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen auswirken. Die Studie zeigt somit auf, dass die Niedrigwasserperiode 2018 dazu führte, dass „viele Firmen dauerhaft auf alternative Transportmittel umstellten – selbst nachdem sich die Wasserstände wieder normalisiert hatten. Die Exporte auf Binnenwasserstraßen gingen damals um fast 20 Prozent zurück“, so das Kiel Institut für Weltwirtschaft.
Wichtige Ergebnisse der Studie sind:
- Erhebliche Beeinträchtigungen der Binnenschifffahrt: Der Gütertransport auf Binnenwasserstraßen ging während der Niedrigwasserperiode stark zurück, mit einem Rückgang der Exporte um fast 20 Prozent und der Importe um 12 Prozent.
- Angebotsseitige Einschränkungen: Unternehmen, die für ihre Importe auf die Binnenschifffahrt angewiesen waren, verzeichneten einen Rückgang ihrer Exporte um rund vier Prozent – unabhängig davon, wie diese transportiert wurden. Am stärksten betroffen waren Firmen mit wenigen logistischen Alternativen.
- Anhaltende Anpassungen: Selbst nach Normalisierung des Wasserstands mieden Unternehmen weiterhin die Binnenschifffahrt und setzten stattdessen auf Schiene und Straße. Besonders ausgeprägt war diese Umstellung bei zeitkritischen Gütern – etwa bei Zwischenprodukten wie Chemikalien oder bei Verbrauchsgütern wie Lebensmitteln.
Unternehmen kehren nicht zum Geschäftsalltag zurück
„Selbst vorübergehende Schocks können dauerhafte Auswirkungen auf die Beschaffungsstrategien von Unternehmen haben“, erklärt Saskia Meuchelböck, Forscherin an der Universität Aarhus und Autorin der Studie Navigating Supply Chain Disruptions: How Firms Respond to Low Water Levels. „Die Annahme, dass Unternehmen nach Normalisierung der Bedingungen einfach wieder zum vorherigen Geschäftsalltag zurückkehren, trifft in der Praxis nicht zu. Wir sehen, dass kurzzeitige Klimaschocks zu dauerhaften Veränderungen in Lieferketten führen können.“ Die Verkehrsinfrastruktur sei dabei „das kritische, aber zugleich fragile Rückgrat unserer Lieferketten“, so Meuchelböck.
Lieferketten widerstandsfähiger machen
„Da der Klimawandel die Rahmenbedingungen verändert, erfordert Resilienz nicht nur eine Diversifizierung der Lieferanten, sondern auch der Transportmittel“, betonte Meuchelböck. „Das kann zugleich mehr Verkehrsaufkommen an anderer Stelle bedeuten. Resiliente Lieferketten benötigen daher sowohl diversifizierte Logistikstrategien seitens der Unternehmen als auch Investitionen in klimaadaptive Infrastruktur durch Politik und Wirtschaft – wobei eine sorgfältige Balance zwischen Klimaschutzzielen und der Notwendigkeit, Verkehrssysteme gegen klimabedingte Schwachstellen zu sichern, gefunden werden muss.“