Jahresausblick: Wie wird 2024?

Was wird das neue Jahr bringen? Zieht die deutsche Wirtschaft wieder an – und bessert sich dann endlich auch die Auftragslage? Diese Frage stellen sich viele Transport- und Speditionsunternehmen. Denn schon 2023 sind vielerorts die Sendungs- und Transportmengen um 15 bis 20 Prozent gesunken und entsprechend fehlt auch der Umsatz. Gleichzeitig steigen überall die Kosten – Diesel, Lkw-Mautund Personal –, um nur die größten Kostentreiber zu nennen. „Gerade kleinere und mittlere Transport- und Speditionsbetriebe müssen daher jetzt höllisch aufpassen“, warnt Timo Achenbach, Partner der Beratung „Die Speditionsberater“ in Münzberg, „dass sie nicht in die roten Zahlen rutschen“. Zumal die Auftraggeber an der Preisschraube drehen, weil sie selbst unter Kostendruck leiden. „In den nächsten Monaten wird sich also entscheiden, ob in Transport- und Speditionsbetrieben Kapazitäten und Personal abgebaut werden.“ Noch würden viele Unternehmen diesen Schritt aber scheuen. „Denn sind die Kapazitäten malweg, kommen sie auch nicht mehr wieder“, weiß Achenbach. Treiber und Bremser Sorgen bereitet da, dass das Ifo-Institut Mitte Dezember seine Vorhersage für 2024 für das deutsche Wirtschaftswachstum gekappt hat: von 1,4 Prozent auf 0,9 Prozent. „Die Entwicklung im letzten Vierteljahr 2023 dürfte schwächer ausfallen als bislang gedacht, das wirkt sich dann auch im kommenden Jahr aus“, begründet IfoKonjunkturchef Timo Wollmershäuser die Korrektur. „Unsicherheit verzögert derzeit die Erholung, da sie die Sparneigung der Konsumentinnen und Konsumenten erhöht und die Investitions-Bereitschaft von Unternehmen und privaten Haushalten senkt.“ Immerhin: Für 2025 rechnet das Ifo-Institut mit einer leichten Beschleunigung. Bislang hatten die Konjunkturforscher da 1,2 Prozent erwartet. So gesehen wachsen auch in der Logistik die Bäume nicht in den Himmel. „Unser Expertengremium, Die Logistikweisen‘ erwartet für den Wirtschaftsbereich Logistik im Jahr 2024 ein nominales Plus von 0,8 Prozent und ein reales Minus von 3,5 Prozent“, sagt Christian Kille, Professor für Handelslogistik und Operations Management an der Hochschule Würzburg/Schweinfurt. „Ein Sorgenkind ist die Bauindustrie. Auch wenn die Konjunktur hier anziehen sollte, dauert es zu lange,bis der Bau die Genehmigungen hat.“ Ähnlich sehe es 2024 im Maschinenbau aus. „Dieser ist 2023 zwar nicht ganz so stark eingebrochen, weil der Auftragsbestand noch hoch war. Der Auftragseingang sieht aber sehr schlecht aus.“Impulse für reales Wachstum in der Logistik kommen laut Kille 2024 aus der Elektronik-Branche und im zweiten Halbjahr wahrscheinlich auch aus privaten Investitions-Tätigkeiten, wenn die Tarifverträge greifen beziehungsweise gegriffen haben. „Zumindest stabil bleiben wahrscheinlich die Chemie- und die Automobil-Industrie. Auch ein leichtes Wachstum kann sich hier ergeben", schätzt Kille.Mittelfristig gibt es Hoffnung Hoffnung macht die „Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr“ von Intraplan Consult im Auftrag des Bundeswirtschafts-Ministeriums, die Ende November vom Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) veröffentlicht wurde.Demnach soll es im Güterverkehr, nach starken Rückgängen 2023 (minus 5,9 Prozent beim gesamtmodalen Transportaufkommen und minus 4,3 Prozent bei der Transportleistung) wieder aufwärts gehen.So soll die gesamtmodale Verkehrsleistung 2024 und 2025 im Vorjahresvergleich um 2,1 Prozent beziehungsweise 1,6 Prozent wachsen. Grund dafür sei, dass sich die gesamt- und branchenwirtschaftlichenEinflussfaktoren in diesem Jahr verbessern sollen. Vor allem die für den Lkw-Verkehr wichtige Bauwirtschaft wird dann laut der Mittelfristprognose wieder zulegen. Demnach soll im Straßengüterverkehr das Aufkommen 2024 um 1,7 Prozent und die Verkehrsleistung um 2,3 Prozent wachsen. Und für 2025 wird dank des Anstiegs im Bau im Straßengüterverkehr ein Mengenplus von 1,5 Prozent erwartet.Auch der Schienenverkehr soll sich 2024 erholen: zum einen durch die Aufholbewegung bei Fahrzeug-Transporten, zum anderen durch den Aufwärtstrend bei chemischen und Metallerzeugnissen entsprechend dem Wiederanstieg der Stahlerzeugung. Viel Licht und Schatten also im Jahr 2024. Fuhrunternehmen Albrecht: „Wie es im Jahr 2024 weitergeht, weiß ich nicht“ Auf den Transport von Baustoffen für gewerbliche und private Kunden hat sich das 1960 gegründete Fuhrunternehmen Albrecht im sächsischen Niederschöna spezialisiert. Rund 20 Baustoff-Lkw inklusive Entladekran setzt der Transportbetrieb derzeit ein. Auftragseinbruch im Bau „Unser Mengenvolumen ist 2023 aufgrund der Flaute in der Bauwirtschaft um 40 Prozent zurückgegangen. Wie es mit uns in diesem Jahr weitergeht, weiß ich nicht. Denn aufgrund der höheren Zins- und Baumaterial-Kosten wird im Moment fast nicht mehr neu gebaut. Und durch die regierungsseitige beschlossene Lkw-Maut- und CO2 -Steuererhöhung wird noch mal alles teurer“, sagt Istvan Ambrus, der mit seinem Bruder Tibor Ambrus die Geschäfte des Transportunternehmens führt. Zwei Lkw musste Ambrus deshalb 2023 stilllegen. Und 2024 werde ein weiterer folgen – mit entsprechendem Fahrerabbau. Neue Geschäftsfelder erschließen und für andere Kundenbranchen tätig werden, sei für ihn aktuell aber keine Option. „Wir haben eine starke Ausrichtung auf Baustoff-Transporte und dafür das Equipment. Mit solchen offenen Fahrzeugen lassen sich keine Lebensmittel befördern.“ Und die Situation in der Bauwirtschaft wird sich 2024 noch verschlechtern, weiß er von Kunden. „Die Auftragsbücher sind leer – definitiv im Neubau. Die Nachfrage nach erhaltenden Baumaßnahmen bricht dramatisch ein.“ Die Bundesregierung habe zu stark an den Stellschrauben gedreht und so die Situation in der Bauwirtschaft verschärft. So sei etwa der Zement durch die neuen CO2 -Ausstoß-Reduktionsziele um 60 Prozent teurer geworden – und andere Baumaterialen seien fallweise noch teurer. Schürt die Bundesregierung jetzt nicht „ganz schnell“ ein Maßnahmen-Paket, um den Bau für gewerbliche und private Kunden wieder attraktiver zu machen, sieht Ambrus schwarz: für seine Firma, aber auch für die vielen kleinen und mittleren Transportbetriebe in der Baustoffbranche. Würfel Gruppe: „Die Nachfrage in der Kontraktlogistik ist nach wie vor gut“ Energiekrise, dann dramatische Inflation und jede Menge Zündstoff durch die geopolitischen Verwerfungen – alles das habe 2022 und 2023 die deutsche Wirtschaft und auch die Würfel Holding vor große Herausforderungen gestellt, sagt Karim Gebara, Geschäftsführer des Logistikunternehmens in Bremerhaven (1000 Mitarbeiter, 200 Lkw, 150.000m2 Logistikflächen an 14 Standorten und 130 Millionen Euro Umsatz 2022). „Wir haben aber in den letzten zwei Jahren entsprechend unsere Hausaufgaben gemacht, sprich unsere Abläufe durch gezielte Prozessoptimierungen und strukturelle Veränderungen der Marktsituation angepasst. 2024 wird sich unser Geschäft daher stabilisieren – mit leichter Tendenz nach oben.“ Denn es gebe nach wie vor gute und gesunde Nachfrage in der Kontraktlogistik. So gewann die Würfel Gruppe unlängst zwei namhafte Neukunden aus dem Automobil- und Lifestyle-Bereich im Bremer und Mainzer Raum, erzählt Gebara. Namen will er wegen der anhaltenden Vertragsgespräche noch nicht nennen. Ihr Geschäft soll 2024 aufgeschaltet werden – mit entsprechendem Mehrumsatz für Würfel. Mögliche Zukäufe Zudem wolle das Unternehmen 2024 – „sofern der Kundenbedarf da ist“ – mindestens eines der beiden Logistikimmobilien-Projekte (jeweils 6000 bis 10.000 m2 ) umsetzen – eines zwischen Bremen und Osnabrück, das andere in Paderborn – die es 2022 geplant, aber wegen hoher Zinsen und wirtschaftlicher Unsicherheit auf Eis gelegt habe. Auch Zukäufe von Branchenspezialisten und Joint Ventures mit speditionellen Marktbegleitern schließt er nicht aus. „Wenn uns das Know-how von Firmen hilft, Kunden in der Kontraktlogistik noch besser bedienen zu können, können wir uns Zukäufe gut vorstellen. Wir bleiben aber unserer Strategie treu, von innen heraus wachsen zu wollen. Wir wollen nicht zu schnell wachsen, da wir einen hohen Qualitätsanspruch haben.“ Hartmann International: „Wir sehen Wachstumspotenzial in der Lagerlogistik“ „Wir haben mit unseren Kunden aus Automotive, Handel, Energietechnik und Maschinenbau einen guten Branchen-Mix. Deshalb sind wir für 2024 verhalten optimistisch“, sagt Uwe Lachmann, Geschäftsführer des Speditions- und Logistikunternehmens Hartmann International in Paderborn (640 Mitarbeiter, 100 eigene Lkw, 14 Standorte, knapp 90 Millionen Euro Umsatz 2023). Mengenvolumen aktiv steigern Wegen der momentanen Wirtschaftslage gebe es zwar pessimistische Kunden, insbesondere im Maschinenbau und in Teilen der Automobil-Branche. „Aber wo Schatten ist, ist auch stets Licht“, meint er. Hartmann traut sich zu, nach sieben bis acht Prozent Stückgut-Mengenrückgang 2023, dieses im neuen Jahr fast auszugleichen: „Fünf bis sechs Prozent Stückgut-Mengenplus sind 2024 drin.“ Dafür werde das Unternehmen an mehreren Hebeln ansetzen. Jüngstes Beispiel ist der Kauf der Wöstemeier Spedition in Lippstadt. Eine weitere Maßnahme ist der Neubau zusätzlicher Logistikimmobilien, die das Mengenvolumen der Spedition weiter beflügeln sollen. So wird Hartmann Ende des ersten Quartals 2024 eine neue hochautomatisierte Logistikimmobilie mit über 20.000m2 in Paderborn in Betrieb nehmen, die zur Hälfte für Lithium-Ionen-Batterien genutzt werden soll. „In der Lagerlogistik sehen wir deutlich Wachstumspotenzial. Und wo Logistik stattfindet, findet auch Transport statt – sowohl auf der Straße als auch im Überseegeschäft“, sagt Lachmann. Auch die Antriebswende will er bei Hartmann 2024 voranbringen: So startet da der erste eigene E-Lkw, zudem soll in der zweiten Jahreshälfte der erste E-Ladepark am Standort Paderborn eröffnet werden. Sorgen macht ihm indes der immense Stückgut-Preiswettbewerb, weil im Markt die Mengen fehlen. Zudem sorgt er sich um das Fortbestehen kleinerer Frachtführer. Zukäufe zur Absicherung und Erweiterung der Geschäftsmodelle schließt er daher nicht aus. Weinhut: „Die Richtung im KEP-Geschäft zeigt nach oben, vor allem im B2C“ „Der Abwärtstrend im KEP-Markt dürfte 2024 gestoppt sein. Die Richtung zeigt nach oben. Zwar nur leicht, aber es geht voran, vor allem im B2C-Segment, weil E-Commerce wieder zulegen wird. Deshalb planen wir 2024 mit einem leichten Mengen- und Umsatzwachstum“, sagt Andreas Weinhut, Geschäftsführer des KEP-Dienstes Weinhut in Neutraubling. Dieser ist mit 80 eigenen Fahrzeugen und 100 Mitarbeitern für Paketdienste wie etwa UPS und für Kfz-Ersatzteilhändler als Subunternehmer tätig. Neue Wachstumspotenziale sieht er zum Beispiel in der Pharma- und Lebensmittellogistik. Lkw-Maut und Postgesetz Weiter Fahrzeuge abbauen, wie 2023 wegen des Sommerlochs und des schwächeren Weihnachtsgeschäfts, werde er im Jahr 2024 daher wohl nicht, sagt er. „Trotzdem wird es für uns alle in der KEP-Branche 2024 die größte Herausforderung, wie wir uns angesichts der schwierigeren Kostenstrukturen neu aufstellen.“ Denn alles werde teurer. So seien bei den Fahrzeug-Finanzierungskosten die Zinsen 2023 auf vier bis sechs Prozent gestiegen, und die Kosten für Kfz-Ersatzteile um zehn Prozent. Und zum 1. Januar 2024 steige der Mindestlohn um 41 Cent pro Stunde und der Diesel um fast fünf Cent pro Liter. Ab 1. Juni 2024 müssten zudem KEP-Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen zGG Lkw-Maut hierzulande bezahlen. „Wir stellen uns auf zähe Preisverhandlungen ein." Immerhin: Der Referentenentwurf zur Postgesetz-Novelle, die in diesem Jahr kommen soll, macht ihm Hoffnung. Positiv sehe er vor allem die neuen Akkreditierungspflichten für KEP-Betriebe (Kurier-, Express und Paket-Dienste) und die vermehrten Überprüfungspflichten für Auftraggeber in der Zusammenarbeit mit Subunternehmern. „Denn ich merke schon, dass es im KEP-Markt noch keinen fairen Wettbewerb gibt.“ Unsicher ist er nur, ob die Einhaltung der neuen Regelwerke entsprechend kontrolliert werden kann. Wie sollten kleinere Unternehmen 2024 handeln? Die wirtschaftliche Lage wird sich 2024 wohl nur unwesentlich verbessern. Was raten Sie kleineren Betrieben in der Transport- und Logistikbranche jetzt zu tun? Diese Unternehmen müssen höllisch aufpassen, dass sie nicht in die roten Zahlen rutschen. Dringlich ist es deshalb, dass sie im neuen Jahr ihre Preisanpassungen bei ihren Kunden durchbringen. Sonst können sie aufgrund der massiven Kostensteigerungen – Stichwort Lkw-Maut, Diesel und Personal – ihre Transport- und Laderaum-Kapazitäten nicht mehr aufrechterhalten. Und einmal abgebaut, kommen diese auch nicht wieder. Die fehlen dann in Zukunft im Markt. Was aber, wenn der Kunde da nicht mitmacht? Dann hilft nur Kostenminimierung. Die meisten Einspar-Potenziale sind allerdings ausgereizt. Nur bei den Gemeinkosten (wie Telekommunikation und Versicherungen), die zehn bis 15 Prozent der Kosten ausmachen, lassen sich durch regelmäßige Ausschreibungen fallweise noch Kosten senken. Wichtig ist auch, dass die Unternehmen prüfen und monitoren, welche von Kunden im Laufe der Zusammenarbeit geforderten Services sie kostenfrei erbringen, nur um diesen einen Gefallen zu tun. Das ist bares Geld! Die größten Potenziale liegen in der Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen. Noch aber ist die Zettelwirtschaft in vielen Unternehmen groß.

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