Ist der Kunde wirklich König?

Ist der Kunde wirklich König?Aktiv mit dem Kunden in Kontakt treten: In Speditionen gibt es viele Möglichkeiten, den Umgang mit Kunden und die Serviceleistungen zu verbessern – Stichwort Kundenbindung. Doch wie kann dieses Potenzial erkannt und genutzt werden?Alles soll perfekt koordiniert und organisiert sein, doch Zufälle und unliebsame Überraschungen lassen sich nicht vermeiden. Wenn ein Fahrer, der mit einer dringenden Sendung unterwegs ist, in einen längeren Stau gerät, wirft das die beste Planung über den Haufen. „Sehr geehrter Herr Müller, es tut uns leid, dass die für heute 9 Uhr anvisierte Sendung voraussichtlich später ankommen wird“, meldet sich dann zum Beispiel das „Customer Service Team“ des Expressdienstleisters TNT aus Troisdorf beim Kunden. „Reicht es Ihnen, wenn die Sendung bis 10.00 Uhr bei Ihnen eintrifft“, erkundigen sich die TNT-Mitarbeiter. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Kunden diese proaktiven Anrufe sehr schätzen“, sagt Markus Wohler, Senior General Manager PR bei TNT und erklärt. „Mit 800 Mitarbeitern im Verkauf und den Customer-Service-Teams haben wir den größten Verkaufsapparat aller deutscher Expressdienstleister.“ Denn bei TNT lautet die Philosophie: „Wir wollen die Erwartungen des Kunden übertreffen.“ Deshalb gibt es im Konzern weltweit Messkriterien für Kundenorientierung. Dazu gehören Servicequalität, Erreichbarkeit sowie die Qualität der Aussagen gegenüber den Kunden.Vernachlässigter ServiceIn Zeiten zunehmend ähnlicher Produkte und Serviceleistungen gewinnt für deutsche Verkehrsdienstleister die Frage nach Kundenorientierung immer mehr an Bedeutung. Umfragen zufolge wird eine schnellere und effizientere Bedienung von Kundenwünschen für 85,4 Prozent der befragten Betriebe immer wichtiger. Es fallen Schlagworte wie „Kundenzufriedenheit“, „Kundenbindung“, „Customer-Relationship-Management (CRM)“ und Reklamationsmanagement. „Das Grundproblem ist, dass in den letzten Jahren vor allem starke Kostensenkungen im Fokus des Managements standen und ganzheitliche Kundenorientierung eher vernachlässigt wurde“, analysiert Unternehmensberater Christian König die Situation. König ist Manager im Marketing Center Logistik, Transport und Verkehr bei Steria Mummert Consulting in Berlin. Bei ganzheitlicher Kundenorientierung denkt er nicht nur an die Mitarbeiter im Vertrieb, die direkten Kundenkontakt haben, sondern auch an die Mitarbeiter im operativen Tagesgeschäft, bei denen sich Kunden beispielsweise über Rechnungen oder aber unpünktliche Auslieferung beschweren.Unmengen unnötiger KundendatenHerauszufinden, was der Auftraggeber wirklich wünscht, ist für Dienstleister das A und O, um eine hohe Kundenorientierung und damit eine große Kundenzufriedenheit und -bindung zu erreichen. „Wo-rauf legt der Kunde Wert? Was wünscht er sich?“ Das sind die wichtigsten Fragen, die ein Unternehmer klären sollte, rät der Berliner Vertriebstrainer Rainer Tente von Tente-Training. „Große deutsche KEP-Dienstleister verfügen deshalb, wie wir aus Projekten wissen, über Unmengen an Kundendaten“, erzählt Unternehmensberater König. Eine kontinuierliche Auswertung der Informationen fehle aber häufig, obwohl es dafür inzwischen geeignete Softwarelösungen gebe. Oftmals reicht es aber im ersten Schritt schon aus, bestimmte Fragen zu klären, um als Dienstleister die Kundenbeziehung zu verbessern, zum Beispiel:Wie hat sich die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden im Lauf der Zeit verändert?Welche Geschäfte wurden mit ihm in den letzten Jahren gemacht?Welche Transporte des Kunden lohnen sich aus Sicht des Dienstleisters? Welche eher weniger?Was könnte das eigene Unternehmen tun, um den Kunden stärker zu binden? Darauf aufbauend sollte ein Dienstleister festlegen, wie er Schritt für Schritt die Beziehung zu seinen Kunden verbessern will. Für manche empfiehlt sich zum Beispiel der Ausbau eines spezialisierten Nischenangebots. Zuweilen hilft die Kooperation mit anderen Speditionen, die über ein bestimmtes Spezialwissen verfügen. Diese Herangehensweise empfiehlt zum Beispiel Unternehmensberater König mittelständischen Betrieben, um sich gegen Branchenriesen erfolgreich zu behaupten. Mitarbeiter einbeziehenEiner der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Umgang mit Kunden sind indes kompetente und zufriedene Mitarbeiter. Sie sind meist die wichtigste Schnittstelle zum Auftraggeber. Entsprechend müsste „das Management den Mitarbeitern das Thema Kundenorientierung vorleben“, rät Christian König. „Alle Mitarbeiter auf allen Wertschöpfungsstufen sollten in dieses Thema eingebunden werden“, sagt er. Innerbetrieblich organisierte Arbeitsgruppen und Workshops zum Thema Kundenorientierung können die Beschäftigten für dieses Thema sensibilisieren und motivieren. Oft hilft aber auch gezielte Mitarbeiterweiterbildung weiter, etwa im Bereich Reklamationsmanagement, Telefonmar-keting und Vertrieb. Interessant: Die Servicequalität ihrer Mitarbeiter können Unternehmen mittlerweile sogar zertifizieren lassen. So schuf die Prüforganisation Dekra in diesem Jahr drei neue „Service-Siegel“, die auch für Transport- und Speditionsbetriebe inte-ressant sind. Zur Auswahl stehen die Siegel „Best Service“ und „Best Service Gold“ sowie die „Dienstleistungs-Zertifizierung“. Wer zum Beispiel das neue Siegel „Best Service“ anstrebt, absolviert zunächst mit Dekra einen Workshop, in dem die Schwerpunkte festgelegt werden. „Wesentlicher Baustein des Seminars ist eine Kundenbefragung mit einem 60 Fragen umfassenden Fragebogen “, erläutert Frank Hoffritz von der Dekra Certification, „wobei viele Fragen kundenspezifisch angepasst werden.“ So werden die Kunden zum Beispiel nach der erwarteten Servicequalität gefragt, welche Serviceprozesse ihnen wichtig sind und wie sie diese wahrnehmen. „Mit diesem Ergebnis kann das Unternehmen arbeiten und zum Beispiel ableiten, ob geplante Investitionen in bestimmte Ser-vicebereiche dem Kunden wichtig erscheinen oder nicht“, sagt Hoffritz. Zudem könne die Kundenbefragung zeigen, in welchen Bereichen ein Dienstleister etwaige Schwachstellen abbauen und Stärken ausbauen sollte. Momentan arbeitet die Dekra-Certification auch für drei Verkehrsdienstleister, unter anderem für eine Stückgutspedition. Für diese eruiert Dekra zum Beispiel die Fragen: „Erhält der Kunde Informationen über die Sendungsstati? Weiß er, wo sich seine Ware gerade befindet? Aber auch: „Wie flächendeckend kann die Speditionen Sendungen überhaupt ausliefern?“ Nach der Kundenbefragung führt Dekra einen so genannten „Mystery Check“ durch. Ähnlich wie bei versteckten Testkäufen tritt hier die Prüforganisation als unbekannter Testkunde auf und beurteilt anschließend die Servicequalität des Verkehrsdienstleisters. Die anschließende Potenzialanalyse untersucht die Stärken und Schwächen der Firma. Geprüft wird dafür zum Beispiel die telefonische Erreichbarkeit der Mitarbeiter, aber auch wie schnell Kundenanfragen beantwortet werden. Als Prüfkriterien nennt Hoffritz unter anderem Reaktionszeit, Zuverlässigkeit, Kompetenz und Individualität des Mitarbeiters.Wettbewerbern eine Nasenlänge voraus „Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme und Kundenbefragung sowie des Mystery Checks münden schließlich in eine Potenzialanalyse“ erläutert Dekra-Mann Hoffritz. So erfahre eine Firma sehr schnell, was sie getan oder versäumt habe, um einen guten Service zu erbringen. Erst nach allen diesen Schritten kann sich ein Unternehmen mit dem „Best Service“-Siegel zertifizieren lassen. Und erst mit diesem Siegel in der Tasche kann sich eine Firma um das „Best Service Gold“- Siegel bewerben. Zusätzlich muss er sich dafür einer anonymen Befragung der Mitarbeiter unterziehen, ob diese zum Beispiel bestimmte Service-Level-Vereinbarungen und Arbeitsanweisungen kennen. Außerdem muss das Management eine erkennbare Service-Philosophie vorweisen. Dann werden die Aussagen der Führungsriege mit denen der Kunden und Mitarbeiter abgeglichen. Im Gegensatz zu den beiden genannten Siegeln beschränkt sich die Dienstleistungszertifizierung auf einen bestimmten Bereich, etwa mit den Worten „ausgezeichnete Dienstleistung: Transportqualität“ oder „ausgezeichnete Dienstleistung: Laufzeitenkontrolle“. Die Vorteile dieser drei Service-Zertifizierungen liegen laut Hoffritz auf der Hand: „Eine Firma ist Wettbewerbern durchaus eine Nasenlänge voraus, wenn sie zum Beispiel den Branchen-Benchmark setzt. Vor allem aber sei die Auszeichnung für die Mitarbeiter Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen. ❙❚■Sibylla Machens, freie JournalistinEs ist nicht alles Gold, was glänzt: Wer sich vom Kunden die Krone aufsetzen lassen will, muss im Vorfeld einiges geleistet habenSo wird Ihr Unternehmen „kundenorientiert“Zuverlässigkeit, gepflegte Fahrzeuge, kompetente Ansprechpartner: Für Kunden zählt nicht nur der Preis, meint Rainer Tente vom Tente-Training in Berlin, der als Vertriebstrainer auch Speditionen berät.In welchen Bereichen kann eine Spedition heute Kundenorientierung beweisen?Rainer Tente: Nicht allein der Preis ist ausschlaggebend, was ja oft angenommen wird. Wichtig sind Zuverlässigkeit, Lieferung just-in-time, gepflegte Fahrzeuge, deutschsprachige, ordentliche Fahrer, aber auch kompetente Ansprechpartner, die auf die Schnelle Probleme lösen können. Worauf sollte ein Unternehmer bei der Kundenorientierung verstärkt achten?Wichtig ist, sich zu überlegen, worauf der Kunde Wert legt. Mein Motto lautet: „Kunden finden ist schon schwer, Kunden binden noch viel mehr.“ Daher sollten zur Kontaktpflege die wichtigen Kunden einmal im Monat besucht werden. Ein gutes Klima mit hoher Vertrauens- und Sympathiequote erleichtert zudem dem Kunden, seine Wünsche oder auch Kritik zu äußern. Hilfreich ist es, den Mitarbeitern ein Budget zur Kontaktpflege zur Verfügung zu stellen.Wie kann die Führung die Mitarbeiter bei kundenorientierter Arbeit unterstützen?Jeder Mensch braucht Lob und Anerkennung. Das Management sollte die Mitarbeiter auch einmal für Alltagstätigkeiten loben. Workshops können den Austausch der Beschäftigten untereinander fördern. Regelmäßige Schulungen sollten möglichst praxisnah sein. Denn solche Schulungen machen die Mitarbeiter nicht nur selbstsicherer, abschlussstark und einwandsicher, sondern motivieren sie auch. smChecklisteDie 3 C der KundenzufriedenheitCompetence:Wie schätzen die Kunden das Unternehmen bei der Beratung in puncto Glaubwürdigkeit und Vertrauen ein?Convenience: Was bietet das Unternehmen dem Kunden an Mehrwert und Bequemlichkeit?Customization:Welche individuellen und bedarfsgerechten Leistungsangebote hat das Unternehmen?Die 7 K der KundenorientierungKundenorientierung: Sie beginnt beim Vorstand und hört beim einfachen Angestellten auf.Kompetenz: Die richtige Auswahl und Motivation der Mitarbeiter und Partner schafft die nötige Ser-vicebereitschaft bei allen Beteiligten.Kontrolle: Beratung und Servicequalität werden täglich neu auf den Prüfstand gestellt.Konfiguration: Die Ansprüche des Kundens und die Leistung des Unternehmens sollten sich decken. Kommunikation: Von Unternehmerseite wird bewusst die Kommunikation mit dem Kunden gefördert.Kooperation: Das Leistungsangebot des Unternehmens wird durch Kooperationspartner erweitert.Kommerzialisierung: Es gilt, Erfolg versprechende Kunden zu entdecken und sich auf sie zu fokussieren.Alle sieben Stichpunkte wirken nicht isoliert, sonder greifen ineinander und verstärken sich im Idealfall gegenseitig.Quelle: Das 7-K-Modell aus der Customer-Value-Forschung der Universität St. GallenTesten Sie mit: Wie zufrieden sind die Auftraggeber?PraxislösungZum kundenorientiertesten Dienstleister Deutschland wurde im letzten Jahr TNT Express in Troisdorf gekürt. Ausgewählt wurde das Unterneh-men unter 180 Dienstleistern aus verschiedenen Branchen von einer Jury der Universität St. Gallen, der Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting und dem Handelsblatt. „Die Auszeichnung ist für uns eine außerordent-lich wichtige Bestätigung unserer kompromisslosen Kundenorientierung“, freut sich Thomas Kraus, Vorsitzender der Geschäftsführung bei TNT Express. Zusätzlich sehe im Übrigen auch jeder der 4400 Mitarbeiter seine Kollegen als interne Kunden an, erklärt Jutta Roller, die den internen Vertrieb bei TNT Express als Director Customer Service leitet. Bei dem Wettbewerb „Deutschlands kunden-orientiertester Dienstleister“ musste die Führungsriege jedes teilnehmenden Unternehmens einen Fragebogen ausfüllen. Außerdem fand bei jeweils 100 Kunden eine Kundenzufriedenheitsanalyse statt.Ein wichtiger Punkt bei der Kundenorientierung ist die schnelle Erreichbarkeit des Unternehmens. So gingen in diesem Frühjahr bei TNT in Troisdorf allein jede Woche 76.000 Anrufe in der Customer-Service-Abteilung ein. „90 Prozent aller eingehenden Anrufen beantworten wir innerhalb von zehn Sekunden“, erzählt Jutta Roller und fügt hinzu: „Außerdem werden bei TNT Express keine Anrufer mit Bandansagen oder Sprachsteuerung abgespeist, sondern von Menschen bedient.“ Nur mit eigenem Personal und ohne externe Call Center. Ergänzt wird der Customer Service in Troisdorf durch ein so genanntes Customer Care Center in Bonn, das via Hotline erreichbar ist, TNT-Standardlösungen erklärt und Spezialfragen professionell beantwortet, zum Beispiel zum Versand klinischer Proben, Retourenmanagement oder zur Automotive-Beschaffungslogistik.TNT Express: „Kompromisslose Kundenorientierung“Mit welchen Mitteln der Troisdorfer Expressdienstleister TNT Express das Thema Kundenbindung pflegt, und warum sich dieser Service nun auszahlte.

Lebensmittellogistik: Transgourmet übernimmt Deutschlandgeschäft von Pier 7 Foods

Veränderte Regeln für Arbeitnehmerüberlassung in Konzernen

Deutsche Autobranche vor schwierigem Jahr - E-Autos im Fokus

Geisterfahrer auf der Autobahn - Experten geben Tipps

Post-Covid könnte bald als Folge einer Berufskrankheit gelten

Alle Schlagzeilen

Ist der Kunde wirklich König?

MEISTGELESEN

Stückgut: Neues Mitglied bei System Alliance Europe

E-Rechnung: So erfüllen Logistikunternehmen die Empfangspflicht

Lkw-Fahrermangel 2025: 39 Prozent der Fahrer stehen kurz vor der Rente

WEITERLESEN

NEWSLETTER