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Interview: "Wir müssen zu uns selbst disruptiv sein"

17.03.2017 11:36 Uhr
Interview: "Wir müssen zu uns selbst disruptiv sein"
David P. Abney, Unternehmenschef von UPS, im Gespräch mit VR-Redakteurin Eva Hassa
© Foto: Holger Ostwald

Was die Digitalisierung für UPS heißt und welche Strategie der Paket- und Expressdienstleister angesichts der neuen Wettbewerber Amazon und Uber einschlägt, verrät UPS-CEO David P. Abney.

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VerkehrsRundschau: Das Thema Digitalisierung ist derzeit in der Logistikbranche in aller Munde: Stehen die Unternehmen da erst am Anfang einer großen Entwicklung, ist der Hype bereits erreicht oder flaut dieser Trend schon wieder ab?

David P. Abney: Dass dieser Trend abflacht, sehe ich überhaupt nicht. In den letzten Jahren ist die Digitalisierung sehr weit vorangeschritten. Dies hat sich auch auf unser Geschäft ausgewirkt. Trotzdem glaube ich, dass wir beide in zehn Jahren darüber lachen, was wir – Stand heute – in Sachen Digitalisierung erreicht haben. Denn in diesem Bereich liegt sehr, sehr viel Potenzial. Vor allem und gerade, was das Thema künstliche Intelligenz angeht.

Natürlich müssen wir aber bei der Nutzung dieser künstlichen Intelligenz darauf achten, dass wir bestimmte Werte einhalten, etwa im Bereich Privatsphäre und Datenschutz. Trotzdem birgt dieses Thema für uns unendlich viele Chancen. Die Digitalisierung wird die nächste Revolution sein, was Produktivität und Effizienz angeht. Wir können die Art und Weise, wie sich dadurch die Welt verändert, lieben oder nicht. Wir werden aber nicht verhindern können, dass sich die Welt verändert. Wir müssen diese Entwicklung daher umarmen und nicht am Alten festhalten, auch wenn uns dies früher erfolgreich gemacht hat.

Themen wie Automatisierung und IT-ge-stützte Prozesse sind nicht so neu. UPS nutzt solche Tools seit vielen Jahren. Was bedeutet die Digitalisierung also für UPS: Ist es eine Evolution oder eine Revolution?

Letztlich beides! Die Evolution besteht für unser Unternehmen darin, dass wir die Automatisierung zum Beispiel in unseren Gebäuden weiter vorantreiben. Zunächst haben wir das für Päckchen und Pakete getan; nun steht dies auch für die schwereren Packstücke an. Trotz der Automatisierung müssen Produkte aber immer noch be- und entladen werden und dafür setzen wir nach wie vor Menschen ein. Revolutionär ist, wie schnell diese neuen Entwicklungen voranschreiten. Was früher zehn Jahre brauchte, verändert sich heute binnen einem Jahr. Darauf müssen wir reagieren – und das immer schneller. Die Digitalisierung ist also, um Ihre Frage zu beantworten, ein evolutionärer Prozess. Da das Ganze aber so schnell passiert, wirkt es wie eine Revolution.

Wie wird die Digitalisierung die Rolle der Logistikunternehmen verändern?

Menschen nutzen uns schon immer, um Waren von A nach B zu befördern. Mittlerweile beziehen sie uns auch in ihre Planungsprozesse ein. Sie nutzen uns als Ratgeber, der ihnen sagt, wie sich bestimmte Trends für sie entwickeln und welche logistischen Lösungen sich aus unserer Erfahrung für ihre Kunden eignen. Vor diesem Hintergrund hat sich UPS sukzessive vom Transportdienstleister zu einem Komplettanbieter für logistische Lösungen entwickelt. Abgesehen davon entwickelt sich mit der Digitalisierung der Endkunde zu einem immer wichtigeren Treiber in der Logistikkette. Während früher die produzierenden Unternehmen den Takt in der Logistik vorgegeben haben, sind es heute schon oft die Endverbraucher.

Produkte werden heute digitalisiert – manche verschwinden dadurch völlig. Die Medien spüren diesen Wandel derzeit massiv. Wie stark gefährdet die Digitalisierung also das Geschäftsmodell von UPS?

Fallweise wird sich dadurch etwas verändern, wohl aber nicht so viel. Es gibt genügend Tätigkeiten, die auch weiterhin anfallen. Denken Sie zum Beispiel an die vielen gesetzlichen Vorschriften und Verträge, die mit einer Sendungsabwicklung verbunden sein können. Solche Aufgaben werden künftig abnehmen, aber nicht verschwinden. So weit zu den negativen Seiten. Die positiven überwiegen ganz eindeutig.

Worin liegen für UPS konkret die Chancen?

E-Commerce eröffnet für kleine und mittelständische Unternehmen gigantische Märkte. Das sagt uns jede Regierung – egal in welchem Land. Trotzdem exportieren kleine und mittelständische Firmen noch zu wenig. In den USA ist es gerade einmal ein Prozent. In Deutschland liegt die Exportquote zwar höher – aber auch hier gibt es Potenzial. Der E-Commerce – und damit meine ich nicht nur das Geschäft mit dem Endverbraucher – bietet also enorme Wachstumschancen, und dafür benötigen kleine und mittelständische Betriebe nicht einmal viel Finanzkraft. Sie brauchen nur einen starken Logistikpartner wie UPS. Wir wissen ganz genau, wie die Waren zu den Empfängern kommen: Wir kennen den Weg, wir kennen die Regeln.

Andererseits drängen durch die Digitalisierung zunehmend neue Wettbewerber in das Revier von UPS, zum Beispiel Amazon und Uber.

UPS hat seit jeher Wettbewerber. In Europa konkurrieren wir zum Beispiel mit den Post­gesellschaften sehr stark. Und durch die Digitalisierung entstehen neue Anbieter und neue Wettbewerber, etwa im Bereich Crowdsourcing-Delivery. Sie haben aber nicht die Skalierungsmöglichkeiten, die UPS aufgrund seiner Größe hat. Diese neuen Anbieter haben vielleicht die Technologie. Wir haben durch unsere Größe die Effizienzvorteile. Wenn wir unser Geschäftsmodell also nicht selbst zerstören und nicht selbst diese neuen Technologien implementieren, dann werden es diese neuen Anbieter tun. Das ist die Bedrohung. Aber wir haben diese genau im Blick, und wie gesagt: Wir haben die Größe, die Skalierungsmöglichkeiten und die Technologien. Nicht die neuen Anbieter werden uns zerstören. Wenn dies notwendig sein sollte, werden wir das gewissermaßen selbst tun: Wir müssen zu uns selbst disruptiv sein. 

Ist das der Grund, warum UPS auch gezielt in Start-ups investiert?

Wir investieren in solche Unternehmen, um von diesen zu lernen. Private-Equity-Firmen wollen durch solche Start-ups Geld verdienen. Wir wollen von diesen lernen, von ihrem Wissen profitieren, was ist der neueste Stand der Technologie. Was ist der neueste Stand der Fahrzeugtechnik? Das sind die Fragen, die uns bewegen, und dann treffen wir eine Entscheidung.

Sie wollen damit also der Innovationstreiber der KEP- und Logistikindustrie bleiben?

Absolut! Wir wollen unsere Marktposition halten, die wir weltweit erreicht haben. Das schaffen wir nur mit Innovationen. Denn nur dann entscheiden sich die Kunden für uns. Und wer ist für Sie persönlich derzeit der größte Innovationstreiber in der Logistikindustrie? Wen würden Sie nennen? (lacht)

Uber oder Google . . .

Uber – vielleicht. Aber Google? Fragen wir unsere Kunden!

Was bedeutet die Digitalisierung schlussendlich für kleine Transport- und Speditionsbetriebe? Sind sie die großen Verlierer der Entwicklung?

Nein, nicht unbedingt. Kleinere Dienstleister stehen sicherlich vor der Herausforderung, mit der Digitalisierung Schritt halten zu müssen. Dann ist die Digitalisierung aber auch eine Chance. Mit unseren Akquisitionen von Coyote und Freightex vermitteln wir Transporte zwischen Anbietern und Nutzern. Gerade kleinere Speditionen können wir so dabei unterstützen, Leerfahrten zu minimieren.  

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa. Mehr zu den Zukunftsplänen des US-amerikanischen Paket- und Expressdienstleisters lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der VerkehrsRundschau (11/2017).

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