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Interview: Hamburg mit Vorteilen beim Hinterland

20.04.2012 13:06 Uhr
Interview: Hamburg mit Vorteilen beim Hinterland
Sagt dem Hafen Hamburg Marktanteilsverlust voraus, wenn die Elbvertiefung nicht kommt: Burkhard Lemper
© Foto: ISL

Welche Bedeutung die Vertiefung der Elbe für den Hafen Hamburg und für den Erfolg des neuen Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven hat: Ein Interview mit dem Seeschifffahrtsexperten Burkhard Lemper

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Welche Bedeutung die Vertiefung der Elbe für den Hafen Hamburg hat, wie sehr diese Maßnahme den Erfolg für den neuen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven beeinträchtigen würde und warum die Reedereien bei der Schiffsgröße von 18.000 TEU so langsam an ihre Grenzen stoßen: Ein Interview mit Burkhard Lemper, Professor am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen und Leiter der Abteilung Maritime Wirtschaft und Verkehr

Ist der Hafen Hamburg auf die Elbrinnenvertiefung angewiesen?
Burkhard Lemper: Nein, nicht existentiell. Aber die Fahrrinnenanpassung spielt für die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens sicher eine wichtige Rolle und damit für die Entwicklung von Marktanteilen und Umschlagmengen.

Was würde denn passieren, wenn die Elbvertiefung nicht kommt?
Es ist mit deutlichen Marktanteilsverlusten in der Nordrange zu rechnen, deren Höhe sich jedoch nur schwer bestimmen lässt. Wir schätzen, dass es mehr als drei Prozent sein dürften. Damit würde das Wachstum merklich geringer ausfallen, als es eigentlich sein könnte.

Welche Vorteile bringt eine größere Wassertiefe?
Schiffe mit größeren Tiefgängen können den Hafen anlaufen. Das verursacht geringere Kosten für die Reeder, die nicht in anderen Häfen leichtern oder Wartezeiten auf Tidehochwasser in Kauf nehmen müssen. Außerdem können in Teilen längere Hinterlandanbindungen an die Quellen und Ziele der Ladung vermieden werden – mit positiven Auswirkungen auf Kosten und Emissionen.

Mit welchen Gütermengen ist künftig in Hamburg zu rechnen?
Unabhängig von der Fahrrinnenanpassung ist mit einem kräftigen Zuwachs aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung zu rechnen. Nach unserer Prognose ist in Hamburg bis 2025 ein Volumen von 25 Millionen TEU möglich, wenn es keine Einschränkungen hinsichtlich Infrastruktur sowohl im Hafen als auch im Zulauf und im Hinterland gibt. Derzeit sind es knapp 9 Millionen TEU, so dass wir von einer jährlichen Wachstumsrate von 7,7 Prozent sprechen. Um diesen Zuwachs stemmen zu können, sind Kapazitätserweiterungen notwendig.

Zeichnen sich bei den Hinterlandanbindungen Engpässe ab?
Ja, die hat es ja vor der Krise bereits gegeben. Es gibt Staus auf den Autobahnen, im Elbtunnel. Die Forderung der Hafenquerspanne steht im Raum wie auch die Y-Trasse. Aber der größte Zuwachs wird bei den Feederverkehren stattfinden, so dass der Hinterlandverkehr nicht ganz so stark zunehmen wird.

Wird der neue Jade-Weser-Port (JWP) in Wilhelmshaven unter dem Ausbau der Elbe leiden?
Meines Erachtens hat das keine Auswirkung. Der JWP muss sich in dem Markt neu etablieren. Da Maersk über ihre Tochter APM Terminals International an der dortigen Terminalbetreibergesellschaft beteiligt ist, sind dort entsprechende Mengen zu erwarten. Was ansonsten in Wilhelmshaven akquiriert werden kann, muss man abwarten. Man sollte aber nicht vergessen: Der JWP hat in der ersten Ausbauphase eine Kapazität von 2,7 oder vielleicht 3 Millionen TEU. Bremerhaven und Hamburg haben 2011 rund 15 Millionen TEU umgeschlagen. Der JWP ist also nur eine Ergänzung, eine beachtliche, der auch in Wettbewerb zu den deutschen Häfen treten wird, aber keine Erweiterung, die zu drastischen Veränderungen in der Struktur der Nordrange führt.

Braucht es den JWP dann überhaupt?
Ja. Es handelt sich um eine Infrastrukturplanung, die auf etliche Jahrzehnte angelegt ist und nicht für ein oder zwei Jahre. Man kann nicht ausschließen, dass der JWP in der Anfangsphase aufgrund der Nachwehen der Wirtschaftskrise womöglich langsamer starten wird  als ursprünglich gedacht oder zeitweise auch ungeplant als Wettbewerber zu den bestehenden deutschen Containerhäfen antritt. Aber der Hafen ist erforderlich für den norddeutschen Raum. Wenn die Vollauslastung der Kapazität von 2,7 Millionen TEU in drei oder vier Jahren gelingt, kann man sicher sehr zufrieden sein.

Warum sollen Reedereien eigentlich ihre Mega-Schiffe 100 Kilometer die Elbe aufwärts schippern lassen, wenn sie im JWP quasi noch in der Nordsee vor Anker gehen können?
Wilhelmshaven hat die Kapazitäten nicht, um alle großen Schiffe abfertigen zu können. Und die großen Reeder haben ein System an Diensten, an denen wiederum kleinere und mittlere Dienste hängen. Da macht es keinen Sinn, die großen Dienste nur in einem großen Hafen zu bündeln. Außerdem hat Hamburg Vorteile bei der Lage zu wichtigen Märkten im Hinterland, beispielsweise in Mittel- und Osteuropa, und einen großen lokalen Markt.

Können mit der Elbvertiefung dann 18.000-TEU-Schiffe Hamburg anlaufen?
Zumindest dann, wenn sie vorher woanders teilweise abgeladen sind, dürfte der Tiefgang der Schiffe nicht das Problem sein. Es gibt noch keine offiziellen Angaben, aber die 18.000 TEU-Schiffe sollen mit ca. 15 Meter einen geringeren Tiefgang haben als die 15.000 TEU-Schiffe, weil sie um 2,5 Meter breiter sind. Problematisch ist eher deren Länge. 400 Meter lange Schiffe auf der Elbe zu drehen ist heute nicht unproblematisch. Und die Schiffsbreite könnte auch zu gravierenden Problemen auf der Elbe bei Begegnungsverkehren führen. Da gibt es Einschränkungen, welche Schiffsgrößen sich begegnen dürfen. Dies könnte zu erheblichen Beeinträchtigungen im Schiffsverkehr führen.

Ist jetzt denn bei 18.000 TEU mal Schluss oder ist damit zu rechnen, dass die Schiffe noch größer werden?
Es gibt bei Werften fertige Pläne für Schiffe mit 22.000 TEU. Die hat noch niemand bestellt. Da werden die Einschränkungen in den Häfen, was Breite, Länge und Tiefgang betrifft, noch größer. Ich denke, die 18.000 TEU werden auf absehbare Zeit Spitze bleiben. Es zieht auch im Moment keiner nach: Maersk ist die einzige Reederei, die 18.000-TEU-Schiffe bestellt hat. Die Konkurrenten beschränken sich auf 13.000, 14.000 TEU und maximal 370 Meter Länge. Nur die Maersk-Schiffe reichen an die 400 Meter heran. Das ist ein Indiz dafür, dass die Größenvorteile nicht mehr so gewaltig sind im Vergleich zu den Einschränkungen beim Einsatzgebiet. Hinzu kommt, dass auch Maersk sich bei den Bestellungen zurückhält. Ursprünglich hatte die Reederei mal zehn dieser 18.000-TEU-Schiffe bestellt und für 20 eine Option abgegeben. Jetzt hat das Unternehmen 20 Schiffe in Auftrag gegeben und die Option auf die letzten zehn wohl verfallen lassen.  (cd)           

 

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