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Interview: Haben Sie Angst um Ihre Existenz?

19.08.2013 16:14 Uhr
Interview: Haben Sie Angst um Ihre Existenz?
Binnenschiffer Müßig: "Ich kenne Kollegen, die lösen ihre Lebensversicherung auf, teilweise bis zur Krankenversicherung"
© Foto: Volker Muessig

Die Lage für die Binnenschiffer wird aufgrund des Streikes immer bedrohlicher. Mittelständler wie Volker Müßig fürchten um ihre Existenz.

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Bremen. Unter dem Streit zwischen Gewerkschaft und Bund in der Binnenschifffahrt leiden vor allem Dritte. Mittelständler wie Volker Müßig bangen um ihre Existenz. Was den Mittelständler bewegt und wie groß seine Verzweiflung und Wut ist, sagt er im VerkehrsRundschau-Interview.

Herr Müssig, was ist Ihr Problem zur Zeit?
Wir können unsere Rundläufe nicht mehr ordentlich planen. Eine Woche Streik, dann wieder kein Streik, das ist unkalkulierbar. Es gibt zwei Probleme: Entweder wir hängen mit der Ladung irgendwo fest oder konnten die Güter gar nicht erst laden. Das Dramatische: wir können nichts dagegen tun und nur warten, was passiert. Es gibt keinen Weg, mit der Gewerkschaft zu reden. Und seitens der Politik gibt auch nicht das geringste Anzeichen dafür, dass die sich bewegen und sich mit den Gewerkschaften an den Tisch setzen. Ich bin stinksauer, das kann ich Ihnen sagen!

Wer ist Schuld an der Situation?
Der Auslöser ist die Strukturreform von Verkehrsminister Peter Ramsauer für die Wasserstraßen. Er hat Pläne geschmiedet, ohne das im Kreise der Mitarbeiter zu diskutieren. Das hat natürlich den Unmut der Mitarbeiter erzeugt und fällt ihm nun auf die Füße. Allerdings gibt es ja auch Zusagen vom Minister in Sachen Arbeitsplatzsicherheit – was der Gewerkschaft wiederum nicht reicht, die einen Tarifvertrag will. Ich frage mich, warum etwa das Innenministerium, dass ja für die Verhandlungen zuständig ist, sich weigert, an den Verhandlungstisch zurück zu kehren? Und wir, wir werden dazwischen aufgerieben. Der Schaden, der durch den Streik angerichtet wird, hat ja nicht der Bund, sondern den haben wir. Wenn die Gewerkschaft den Bund als Arbeitgeber schädigen will, soll sie doch die Schiffe schleusen und darauf verzichten, die Wasserstraßenmaut einzufordern. Vielleicht würde der Bund dann reagieren.

Verstehen Sie die Gewerkschaft?
Eins muss man sagen: Wir sehen grad in Mainz bei der Bahn, was das Ergebnis von übertriebenen Einsparmaßnahmen sein kann. Die Schleusenwärter sind da durchaus vergleichbar. Aber dennoch trägt die Gewerkschaft ihren Streik auf unserem Rücken aus. Wir würden auch gerne mal mit den Gewerkschaftlern diskutieren, wenn zwanzig Schiffe vor der Schleuse liegen, wäre ja genug Zeit dafür. Aber vor den Schleusen stehen ja keine Streikposten oder ähnliches, da ist einfach keiner da: Schleuse zu, zwei rote Lichter und das wars.

Wie geht es weiter?
Wir haben schon drei Streikwochen hinter uns und ein Ende scheint nicht in Sicht, die vierte Woche ist schon angekündigt. Wenn sich bis zur Wahl nichts tut, dann wird sich das wohl bis Ende Oktober hinziehen, bis die neue Regierung sich des Themas annehmen kann.

Keine Hoffnung auf Besserung?
Nein. Das Problem ist: Es merkt ja keiner, dass hier ein Verkehrsträger den Bach runter geht. Nach Außen klappt ja alles. Wenn das Schiff nicht fährt, lässt man halt einen Zug fahren und alles geht ganz normal weiter.

Wieviel Geld haben Sie konkret schon verloren?
Wenn ich alle Tage zusammenrechne, kommt bestimmt eine Summe von 30.000 Euro Umsatz zusammen, der verloren ist. Und die Kosten, bis auf die Dieselkosten, laufen weiter. Das hält man nicht lange durch. Da brennt einem morgens, wenn der Wecker klingelt, schon ein bisschen der Frack.

Haben Sie Angst um Ihre Existenz?
Ja, die habe ich. Die Polster sind längst aufgebraucht, durch Winter, die allgemein schlechte Lage oder das Hochwasser. Wenn man das hochrechnet, hat man von den bisherigen acht Monaten fast einen Monaten gelegen. Und am Ende des Monats muss ich meine Leute bezahlen, und die bekommen immer ihr Geld – egal, ob die Schiffe bewegt wurden oder nicht.

Aber kalkulieren Sie nicht auch mit Leerzeiten?
Natürlich geht man davon aus, dass man zwischen Weihnachten und Neujahr mal eine Pause einlegt. Wenn man von 365 Tagen 350 Tage sein Schiff bewegt, dann passt es. Aber bei 30 Tagen und mehr, sprich einem Monatsumsatz, ist das aufgrund der geringen Marge nicht zu verkraften.

Wie geht’s den Kollegen?
In der Trockenschifffahrt sieht die Lage noch düsterer aus. Der klassische Mittelständler versucht sein Unternehmen bis zum bitteren Ende zu retten. Ich kenne Kollegen, die lösen ihre Lebensversicherung auf, teilweise bis zur Krankenversicherung.

Müssen wir dann bald mit Pleiten rechnen?
Davon kann man ausgehen. Die Löcher, die hier entstehen, kann man kaum noch ausgleichen, da die Frachten in den seltensten Fällen nach oben gehen. Und die Möglichkeiten, mehr Routen zu machen, sind sehr begrenzt.

Wie reagieren eigentlich die Kunden?
Die verlagern. Sprich: Sie fahren mit Bahn oder LKW. Das funktioniert auch aus Sicht der Kunden.

Sind diese Kunden dauerhaft weg?
Das kann ich bisher nicht beurteilen. Oft ist es jedoch so, dass die Kunden sagen: Dann versorge ich mich halt jetzt für einen ganzen Monat anders. Dann ist ein Zwölftel der Jahresleistung weg. Aber natürlich, grundsätzlich ist es eine Gefahr, wenn aufgrund Hoch- oder Niedrigwasser und jetzt auch noch Streiks sich in den Köpfen festsetzt: Die Binnenschifffahrt ist ja nicht verlässlich. Dieser Streik fügt dem System einen massiven Schaden zu.



Zum Unternehmen: Das Unternehmen Müßig Tankschifffahrt ist ein kleiner mittelständischer Reedereibetrieb aus Bremen. Volker Müßig ist Inhaber des Unternehmens. Der Spediteur im Selbsteintritt führt Mineralöltransporte per Binnenschiff mit eigenem Personal und eigenen Schiffen (drei Tankschiffe und zwei Frachtschiffe für Spezialverkehre) durch.

Das Interview führte Tobias Rauser





 

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