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Interview: CER-Chef Ludewig fordert höhere LKW-Maut

06.08.2009 19:30 Uhr
Interview: CER-Chef Ludewig fordert höhere LKW-Maut
Johannes Ludewig ist seit 2002 Generaldirektor der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (CER).
© Foto: Michael Gottschalk / ddp

Im VerkehrsRundschau-Interview rechtfertig der CER-Chef die Anlastung der externen Kosten und fordert eine Mauthöhe nach Schweizer Vorbild

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Laut einer neuen Studie des Instituts für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung der Uni Karlsruhe würde die Anlastung der externen Kosten im Straßengüterverkehr CO2-Emissionen einsparen und für mehr Güterverkehr auf den Schienen sorgen. Demnach könnten durch die Anrechnung dieser Kosten bis zu sieben Prozent der bis 2020 geforderten CO2-Einsparungen im Verkehr realisiert werden. Der Anteil der Bahn bei Transporten über 300 Kilometer könnte von 19 auf 24 Prozent steigen. VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes führte zu diesem Thema ein Interview mit Johannes Ludewig, seit 2002 Generaldirektor der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (CER) in Brüssel. Von 1997 bis 1999 war Ludewig Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG. Warum soll der LKW noch mehr Maut zahlen? Preise in einer Wirtschaft sollen die Kosten widerspiegeln, die mit der Erzeugung einer Leistung entstehen. Das funktioniert leider im Verkehr nicht, weil man die externen Kosten außen vor gelassen hat. Erschwerend kommt hinzu, dass der Straßengüterverkehr der einzige Verkehrsträger ist, bei dem eine Berücksichtigung der externen Kosten laut einer Richtlinie untersagt wird. Das ist angesichts der zunehmenden Bedeutung des Umwelt- und Klimaschutzes absurd. Mittlerweile gibt es aber ja einen Vorschlag der Europäischen Kommission, externe Kosten anzurechnen. Richtig. Dieser Vorschlag ist ein wichtiger erster Schritt, aber er bringt nur Teillösungen, die in der Sache nicht ausreichen. Warum? Weil er nicht alle externen Kosten berücksichtigt wie die CO2-Emissionen oder die Unfallkosten, soweit diese nicht durch Versicherungen gedeckt sind. Außerdem wird die Höhe der Maut begrenzt. Es ist ein vorsichtiger Ansatz, um einige Mitgliedstaaten nicht vor den Kopf zu stoßen, die sich am Rande der EU befinden, die also lange Transportwege haben und befürchten, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft könne durch höhere Transportkosten leiden. Daher ist der Vorschlag nur ein erster Schritt, der das Problem in Gänze keinesfalls löst. Wir müssen uns überlegen, was wir wollen: Preise, die die Kosten widerspiegeln, oder wollen wir weiter eine solche Märchenveranstaltung, mit künstlich niedrigen Preisen, deren Kosten letztlich vom Steuerzahler bezahlt werden. Um wie viel müsste die Maut steigen, damit der LKW all seine Kosten deckt? Ein Anhaltspunkt ist die Schweiz. Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, das uns eine korrekte Anlastung der Kosten vormacht. Dort liegt die Mautgebühr bei 49 Cent pro Kilometer. Das ist das Dreifache von dem in Deutschland. Die Schweiz wäre also der richtige Maßstab? Durch die Topografie in der Schweiz ist die Umweltbelastung durch Verkehre sicher höher als auf dem flachen Lande. Vom Prinzip her kann man die Schweizer LKW-Maut als Richtschnur für die EU heranziehen. Generell wird die Mauthöhe aber von der jeweiligen konkreten Belastung ab. Insofern wäre die Maut in der Regel sicher nicht so hoch wie in der Schweiz, aber um einen deutlichen Anstieg der Gebühren werden wir nicht umhin kommen. Diese Ansicht vertreten alle Fachleute und auch immer mehr Politiker. Müssen sich die Bahnen nicht auch an die eigene Nase fassen – siehe Lärmkosten? Selbstverständlich. Wir sind ja nicht dafür, dass externe Kosten nur bei der Straße angelastet werden. Die Kommission arbeitet ja an einem Vorschlag für lärmabhängige Trassengebühren. Dem werden wir uns nicht verschließen. Außerdem führt der Emissionshandel dazu, dass auf die Bahnen spätestens 2012 zusätzliche Kosten zukommen. Dann müssen die Stromerzeuger Geld zahlen für die Zertifikate. Und diese Kosten werden sie weiterleiten an ihr Kunden, zu denen die Bahnen gehören, die zu 80 Prozent mit Strom fahren. Aber auch der LKW zahlt Mineralöl- und Ökosteuer für den Treibstoff. Die Gelder reichen aber nicht für die Abdeckung der gesamten Infrastrukturkosten einschließlich der Instandhaltung plus den externen Kosten aus. Das zeigen auch Untersuchungen der Europäischen Umweltagentur. Letztlich deckt der Transport generell nicht seine Kosten und vor allem die Straße tut das nicht. Es ist zudem allerhöchste Eisenbahn, dass zwischen den Verkehrsträgern eine vergleichbare Wettbewerbssituation geschaffen wird. Die Leute denken: Eisenbahn ist teuer, LKW ist billig. Die Wirklichkeit ist eine andere, wie die Schweiz zeigt: Nicht umsonst laufen dort zwei Drittel des Gütertransports auf der Schiene und nur ein Drittel auf der Straße. Sind die Bahnen überhaupt in der Lage, die Mengen aufzunehmen, die die von der CER in Auftrag gegebene Studie bei einer Verteuerung des LKW prognostiziert? Selbstverständlich. Vor zwei Jahren hat eine McKinsey-Studie festgestellt, dass sich mit relativ überschaubaren Investitionen die Kapazität der wichtigsten Korridore in Europa ohne Neubau um 70 Prozent steigern lässt. Man muss dazu allerdings in die Schiene investieren. Die Schweiz zeigt, wie es geht: Das kleine Land baut derzeit den längsten Eisenbahntunnel der Welt. Ohne einen einzigen Euro von der EU. Und die EU redet und redet, und wenn wir Glück haben, gibt es nach 20 Jahren Diskussion eine Finanzierungvereinbarung für den Brenner-Basis-Tunnel, der dann vielleicht in 15 Jahren einmal fertig wird. Scheitert die Verlagerung daran, dass die Bahn eine schlechte Qualität abliefert, nicht so flexibel wie der LKW ist und nicht jeden Ort in der Fläche erreichen kann? Das lässt sich so nicht sagen. Der jetzige Zustand ist nicht nachhaltig und so kann es nicht bleiben. Der Transportsektor ist der einzige, bei dem es mit den CO2-Emission munter weiter nach oben geht. Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen wollen, müssen wir dagegen steuern. Da führt der Weg eindeutig über die Anrechnung der externen Kosten. Die Verlader werden die Verteuerung des LKW zu spüren bekommen und sich dann genau überlegen, ob sich nicht doch der Einsatz der Eisenbahn lohnt. Aber in der Tat, auch die Bahn muss ihre Hausaufgaben machen und noch erhebliche Anstrengungen unternehmen, um das Angebot zu verbessern. Bevor der LKW weiter geschröpft wird: Müssten Sie sich nicht zunächst den PKW vorknüpfen, der in vielen Ländern – auch in der von Ihnen so gerühmten Schweiz – ungeschoren davon kommt. Vom Grundsatz ist das richtig. Und es wird auch ein entsprechendes Mautsystem für den PKW kommen, weil wir sonst das CO2-Problem meiner Meinung nach nicht in den Griff bekommen. Aber wir als CER kümmern uns vor allem um internationale Verkehre. Der Personenverkehr ist jedoch zu über 90 Prozent nationaler Verkehr, während der Güterverkehr zu mehr als 50 Prozent international ist. Aber derzeit sträubt sich vor allem die Politik, dieses heiße Eisen anzufassen. Wie lange wird es noch dauern, bis die ersten EU-Staaten dem LKW die externen Kosten anlasten werden? Ich gehe davon aus, dass im nächsten Jahr auf EU-Ebene die entsprechenden Entscheidungen gefällt werden. Dann dauert die Umsetzung erfahrungsgemäß zwei, drei Jahre, so dass es 2012/2013 soweit sein könnte. (cd)

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