Interview: Bleibt die Inflationsrate hoch?

Im Moment wird alles teurer. Wie sehr bremst das derzeit den Konsum in Deutschland aus? Die hohe Inflationsdynamik und der damit einhergehende Kaufkraftverlust der privaten Haushalte hat sich zu Jahresbeginn in einem rückläufigen Warenkonsum niedergeschlagen. Dank eines spürbaren Anstiegs der Ausgaben für Dienstleistungen hat allerdings der private Konsum insgesamt im ersten Quartal stagniert. Hier schlugen sich das Abflauen der Coronawelle und die damit einhergehende Normalisierung des Ausgabeverhaltens der privaten Haushalte nieder. Es bleibt abzuwarten, welche dieser gegenläufigen Effekte am Ende überwiegt. Welche Branchen trifft die inflationsbedingte Konsumzurückhaltung besonders stark? Die Inflation trifft Unternehmen über mehrere Kanäle. Einerseits erhöhen die steigenden Energie- und Rohstoffpreise die Produktionskosten direkt. Andererseits führt die hohe Inflation zu einem Kaufkraftverlust der Haushalte, sodass diese ihren Konsum einschränken müssen und die Nachfrage nach Produkten der Unternehmen sinkt. Letztendlich hängt die Betroffenheit von der Inflation davon ab, inwiefern Unternehmen die höheren Produktionskosten an ihre Kunden weitergeben können. Besonders stark betroffen dürften also Branchen sein, in denen ein intensiver Wettbewerb eine Weitergabe der Kosten verhindert. Zudem spielt eine Rolle, ob Verbraucher auf ein Produkt verzichten oder aber das Produkt substituieren können. Dies ist beispielsweise bei Nahrungsmitteln schwierig, sodass hier die Weitergabe der steigenden Kosten besonders hoch sein dürfte. Die ersten Tarifgespräche zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern finden bereits statt. IG Metall fordert sieben bis acht Prozent. Verdi wird wohl ähnlich hoch einsteigen. Droht in Deutschland eine Lohn-Preis-Spirale wie in den USA? Arbeitgeber und Gewerkschaften befinden sich in einer schwierigen Situation. Da es sich in erster Linie um eine importierte Inflation handelt, ist der Verteilungsspielraum bei vielen Unternehmen gering. Andererseits erleiden Arbeitnehmer bei nur schwach steigenden Nominallöhnen einen hohen Kaufkraftverlust, was wiederum ihre Nachfrage nach Gütern sinken lässt. Insofern ist davon auszugehen, dass Gewerkschaften und Arbeitgebern sich am Ende auf höhere, aber immer noch moderate Lohnsteigerungen einigen werden. Insgesamt werden die Reallöhne aufgrund der hohen Inflationsdynamik also trotzdem sinken. Daher kann man nur sehr bedingt von einer Lohn-Preis-Spirale in Deutschland sprechen. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Vorschlag einer steuerfreien Einmalig-Zahlung, den unlängst Bundeskanzler Olaf Scholz gemacht hat, um so die Inflation abzumildern? Eine Einmal-Zahlung kann zwar kurzfristig für Entlastung bei den Haushalten sorgen, jedoch werden staatliche Maßnahmen den Kaufkraftverlust durch die stark steigenden Preise nicht dauerhaft abfangen können. Insofern sollten staatliche Maßnahmen sehr gezielt eingesetzt werden und Haushalte unterstützen, die von der Inflation besonders stark betroffen sind. Das sind in der Regel einkommensschwache Haushalte, die über sehr geringe oder gar keine Ersparnisse verfügen. Im Moment (Stand Ende Juni 2022) haben wir in Deutschland eine Inflationsrate von 7,6 Prozent. Bei welcher Inflationsrate könnten wir in drei Monaten liegen und bei welcher durchschnittlichen Inflationsrate werden wir hierzulande in Deutschland in diesem Jahr „landen“? Die Inflationsrate hat sich schon im Juni temporär auf 7,6 Prozent abgeschwächt, nachdem sie im Mai noch bei 7,9 Prozent lag. Das ist allerdings hauptsächlich auf die staatlichen Maßnahmen zurückzuführen, also das 9-Euro Ticket und der Tankrabatt. Diese Maßnahmen haben für sich genommen die Inflationsrate um rund einen Prozentpunkt gesenkt. Nach Ablauf dieser Maßnahmen dürfte die Inflationsrate allerdings wieder ansteigen, sodass der Höhepunkt der Preisdynamik erst im zweiten Halbjahr erreicht werden dürfte. Wir rechnen damit, dass die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2022 bei rund 7 Prozent liegen wird. Würden Sie sagen, dass die hohe Inflationsrate in Deutschland zeitlich befristet ist, oder rechnen Sie auch in 2023 mit einer höheren Inflationsrate in Deutschland? Die momentan hohe Preisdynamik wird sich auch noch im nächsten Jahr bemerkbar machen. Wir gehen zwar davon aus, dass die Energiepreise im nächsten Jahr wieder leicht sinken werden. Dennoch wird auch im nächsten Jahr die Inflation bei über 3 Prozent liegen. Aus historischer Perspektive ist das immer noch eine sehr hohe Rate. Umso mehr ist es jetzt wichtig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zügig mit einem Anstieg der Leitzinsen reagiert. Stehen wir da erst am Anfang eines Abwärts-Trends in Deutschland, sind wir da mittendrin, oder haben wir bereits das Schlimmste überstanden? Die hohe Inflation, die anhaltenden Lieferengpässe und der Krieg in der Ukraine bremsen die wirtschaftliche Erholung in Deutschland deutlich aus. Konjunkturtreibend wirkt hingegen die Normalisierung des Konsums nach Corona. In unserer Ifo-Sommerprognose gehen wir daher immer noch von einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent in diesem und 3,7 Prozent im nächstem Jahr aus. (eh) Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa Hinweis der Redaktion: Wie die Inflation Transport- und Logistikunternehmen trifft, und was dies für die Preise heißt, lesen Sie in der aktuellen VerkehrsRundschau Ausgabe 14/2022, die am 14. Juli 2022 erscheint.

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