In der Preiszange

In der PreiszangeIm Schatten der Konzerne sucht der Mittelstand nach neuen Rezepten. Hier sind die wichtigsten Markttrends in der Abfallentsorgung.Eigentlich hatte sich die H. Brühne Entsorgung GmbH & Co. KG vor ein paar Jahren aus dem Transportgeschäft zurückgezogen. Fortan sollten nur mehr mineralische Stoffe verwertet und aufbereitet werden. Alles andere sollten externe Dienstleister erledigen. Doch die aktuellen Entwicklungen im Markt haben Burkhard Ebeling, Vertriebsgeschäftsführer bei Brühne, zum erneuten Umdenken bewegt. "Wir versuchen kurz- bis mittelfristig, den Transport wieder selbst zu übernehmen."Weil viele kleine Unternehmen im Konkurrenzkampf der Konzerne die Segel gestrichen haben, werden mancherorts die Transportkapazitäten knapp. Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht, glaubt Werner Baumann, Geschäftsführer der Entsorgergemeinschaft Regionaler Wirtschaftsverkehr (EGRW): "Ich gehe davon aus, dass sich noch mindestens 10 Prozent der mittelständischen Unternehmen aus dem Geschäft verabschieden." Der Konzentrationsprozess in der Branche ist in vollem Gange. Und ein Ende sei nicht in Sicht, sagt Henrik Hauser, Abteilungsleiter für Entsorgungslogistik am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund: "Die Konzentration nimmt weiter zu. Denn eigentlich ist der deutsche Markt im Vergleich zum europäischen Ausland noch relativ fragmentiert." Die privaten Mittelständler müssen nicht nur den Konzernen trotzen, sondern auch gegen öffentliche Entsorger bestehen. Derzeit blicken Private und Öffentliche gespannt nach Brüssel. Die EU-Kommission stellt die immer noch bestehende Mehrwertsteuerbefreiung für die kommunalen Entsorger auf den Prüfstand. Die Privatwirtschaft empfindet das Steuerprivileg als unerträgliche Benachteiligung gegenüber den Betrieben im öffentlichen Sektor. Diese wiederum sehen die Abfallentsorgung als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge an, die bewusst vom Wettbewerb ausgenommen sein müsse. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus.Auf und ab im PreiskarussellAuch die Abfallpreise erleichtern die Situation der Mittelständler nicht. Sie haben in den letzten Jahren eine Berg- und Talfahrt erlebt: Zum einen ist dank der steigenden Rohstoffpreise Verwertbares zu wertvollem Gut geworden. Nicht von ungefähr pflastern Städte und Konzerne mancherorts die Straßen mit Sammeltonnen, um an das Altpapier der Bürger zu kommen. Zum anderen hat die TA Siedlungsabfall (TASi) mit dem Verbot der Ablagerung vorbehandelter Abfälle ab 2005 die Preise für Ersatzbrennstoffe zwischenzeitlich in Schwindel erregende Höhen getrieben. Doch inzwischen sind die Preise bereits wieder deutlich zurückgegangen, die thermischen Anlagen sind teils schon nicht mehr zu 100 Prozent ausgelastet. "Manche sprechen bereits von Überkapazitäten und prognostizieren einen Preiskampf", erläutert Sandra Giern, Referentin für Logistik, Abfallbehandlung und Sonderabfall beim Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE), der sich mit 750 Mitgliedsunternehmen als größter Branchenverband behauptet. "Derzeit werden 75 Euro für die Tonne Ersatzbrennstoffe gezahlt", bestätigt Holger Alwast, Marktfeldleiter Abfall & Sekundärrohstoffe bei der Prognos AG in Berlin. "Das kann auch schnell auf 50 Euro runtergehen oder sich halbieren."Überleben in der NischeBereits jetzt befinden sich viele Mittelständler in der Preisklemme: "Der Druck wird größer", klagt Johann Wittmann, Seniorchef des gleichnamigen Entsorgungsunternehmens mit rund 100 LKW in Gräfelfing bei München. "Die Großen versuchen, den Mittelstand an die Wand zu drücken." Diese Erfahrung bestätigt auch EGRW-Geschäftsführer Baumann: "Wir erleben in der Fläche einen harten Preiskampf – nicht nur um Altpapier, sondern auch um gewerbliche und andere Abfälle." Dabei ist das Ende der Fahnenstange nach Ansicht von Experten noch nicht erreicht: "Wahrscheinlich wird der Preiskampf auf der Straße künftig noch viel schärfer ausgetragen werden", meint Marktforscher Alwast. Der Grund: Die Kapazität der thermischen Anlagen in Deutschland wird weiter wachsen. "Wenn diese Kapazität steht, werden die Transportentfernungen deutlich zurückgehen." Während sich der Markt konsolidiert, stehen für den Mittelstand Nischenstrategien hoch im Kurs: "Darunter fallen Leistungen, die für die Großen nicht interessant oder administrierbar sind", umreißt Henrik Hauser vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik den lukrativen Markt: Beim Kunststoffrecycling beispielsweise sei sehr viel Wissen und Flexibilität gefragt, hier könnten sich Mittelständler besonders hervortun. Auch Klaus Schindling nutzt den Vorteil der Nische: "In unserem Marktsegment, der Entsorgung von Baustellen, können wir uns nicht beklagen", meint der Geschäftsführer der Schindling Stoffstrom-Vertriebsgesellschaft mbH in Frankfurt. "Wenn jemand die Deutsche Bank entkernt, braucht er jemanden, der auch dann noch arbeitet, wenn die Entsorgungskonzerne schon längst ihre Anrufbeantworter laufen lassen."Zusatzleistungen stehen hoch im KursDer Anspruch an Zusatzleistungen ist gestiegen: "Bei Bauvorhaben werden immer mehr Gewerke in eine Hand gelegt", weiß Schindling. "Zur Baustellenreinigung kommt die Versorgung mit Schüttgütern oder das gesamte Logistikmanagement." Ähnliche Entwicklungen hat Henrik Hauser am Fraunhofer-Institut auch in anderen Bereichen der Entsorgung beobachtet: "Der Kunde arbeitet immer lieber mit Unternehmen zusammen, die Zusatzdienstleistungen anbieten können. Diejenigen, die das nicht tun, werden es schwer haben." Außerdem gewinnt die moderne technische Ausstattung an Bedeutung: Nach Angaben von BDE-Referentin Sandra Giern wird die Tourenplanung mithilfe speziell für die Branche entwickelter Software optimiert und in den LKW kommen spezielle Navigationssysteme für Entsorgungsfahrzeuge zum Einsatz.Trotz der hart geführten Kämpfe der Konzerne um die Kontrolle der Stoffströme besteht für den Mittelstand kein Grund zur Resignation: "Die Stimmung ist gar nicht so schlecht", glaubt Hauser. "Schließlich gewinnt die Entsorgungsbranche vor dem Hintergrund der Umweltdiskussion auch an Reputation." ❚■ Florian Beck, freier Journalist

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