H2-Verbrenner

Der Abschied vom Verbrenner fällt schwer. Vielleicht ist er auch gar nicht nötig. Denn einige Hersteller experimentieren mittlerweile mit Lkw-Aggregaten, die weder mit Erdgas noch mit Diesel oder Benzin angetrieben werden - sondern mit Wasserstoff. Das Prinzip ist nicht neu. Anfang der 2000er-Jahre brachte BMW den "Hydrogen 7" auf den Markt - ein Pkw selbstredend. Allerdings wurden nur rund 100 Fahrzeuge des Typs produziert, danach stellte der Motorenhersteller die Fertigung schon wieder ein. Ein Flop, möchte man denken. Doch nun scheint die Technik "von damals" wieder aufzublühen. Denn, wie eine Umfrage der VerkehrsRundschau bei den Herstellern ergab, wird punktuell sehr gezielt mit dem Wasserstoff-Verbrenner experimentiert. Und: Es gibt sogar schon fahrende Ergebnisse. Zunächst aber erst ein Blick auf die Technik in einem H2-Motor: Der Wasserstoff wird mithilfe einer Düse gasförmig in den Brennraum gespritzt und dort für gewöhnlich via Zündkerze entflammt. Allgemein hat das Gas andere Eigenschaften, wie es beispielsweise bei Diesel oder Benzin der Fall ist. Wasserstoff ist äußerst leicht entzündlich und benötigt dementsprechend wenig Energie, um die Verbrennung einzuleiten. Diese läuft schneller ab, als man es von anderen Stoffen kennt. Richtig eingesetzt kann das einen besseren Wirkungsgrad des Motors zur Folge haben. Allerdings führen diese Umstände auch zu Problemen: So neigen H2-Motoren häufiger zu Früh- oder Fehlzündungen. Wasserstoff ist als kleinstes Element des Periodensystems auch gerne bereit, sich zu verflüchtigen, was bedeutet, dass das komplette System ziemlich dicht sein muss, um keine externe Zündung zu verursachen. Ein weiterer Punkt ist, dass auch bei der Wasserstoff-Verbrennung in einem Kolbenmotor ungewünschte Stoffe aus dem Auspuff kommen. Zwar besteht Wasserstoffgas lediglich aus einem Element - eben Wasserstoff - allerdings wird dieses vor der Verbrennung mit Luft vermischt, was je nach Verhältnis zur vermehrten Bildung von Stickoxiden führen kann. Diese können natürlich durch eine Abgasnachbehandlung herausgefiltert werden, wobei auch das populärste Mittel dafür, AdBlue, selbst auch geringe CO2-Emissionen verursacht (rund 1,6 Kilogramm pro Liter). Höchstwahrscheinlich wird in den Laboren der Welt aber auch schon an einer umweltfreundlichen Alternative für das Harnstoffgemisch geforscht. Im Wasserstoffmotor wird außerdem auch ein Teil des Öles, welches zur Motorschmierung eingesetzt wird, verbrennen, wodurch ebenfalls geringe Kohlenstoffemissionen, wie etwa CO und CO2, entstehen. Insgesamt ist das H2-Aggregat aber erheblich sauberer als die gängigen Verbrennungsmotoren. Experimente mit dem H2-Verbrenner? In der Umfrage der VerkehrsRundschau gab ein Großteil der Hersteller zu Protokoll, sich in irgendeiner Form mit der Forschung an solchen Motoren zu befassen. Nur Scania erteilt eine klare Absage und erklärt, dass der Fokus auf batterieelektrischen Antrieben liegt; Wasserstoff werde nur im Zusammenhang mit der Brennstoffzelle in Betracht gezogen. Volvo spricht von einer ganzheitlichen Sicht, mit der man nachhaltige Fortbewegung ermöglichen wolle. Auch Verbrennermotoren auf Wasserstoffbasis seien eine "interessante Alternative", deren Potenziale man ernsthaft eruiere. Ähnlich klingen die Äußerungen der Konzernschwester Renault, die ihren Kunden H2-Verbrenner anbieten will, wenn sich die Technologie bewähren und genug grüner Wasserstoff verfügbar sein sollte. Seitens Daimler erreicht uns die Nachricht, dass man den H2-Verbrenner generell untersuche, allerdings lediglich zu Forschungszwecken. Konkretere Rückmeldungen liefern DAF und MAN. Bei den Niederländern gibt es sogar schon einen Prototypen, der in Spanien seine Runden dreht. Der XF Hydrogen basiert auf einem CNG-Fahrzeug, wurde aber an einigen Punkten, wie etwa den Tanks oder der Einspritzung, modifiziert. Der Prototyp wurde vorerst noch etwas kleiner dimensioniert und arbeitet mit einem 170-PS-Motor mit indirekter Einspritzung. In einem nächsten Schritt wolle man die Direkteinspritzung entwickeln, um den Wasserstoff effizienter verarbeiten zu können. Das Erprobungsfahrzeug hat eine Reichweite von rund 120 Kilometern, wobei diese maßgeblich von der speicherbaren Menge an Wasserstoff abhängt. Und da ist man schon bei der vielleicht größten Herausforderung: Denn mit aktuellen Drucksystemen lässt sich DAF zufolge nur Kraftstoff für rund 500 Kilometer speichern. Für eine deutliche Steigerung bräuchte es flüssigen Wasserstoff, der allerdings bei rund -250 Grad gelagert werden muss - also fast 100 Grad kälter als LNG. Warum setzt man bei DAF dennoch auf den H2-Verbrenner? "Das hat drei Gründe", erklärt Raoul Wijnands, der Testing Manager des Herstellers: "Zum einen ist der Verbrennungsmotor im Vergleich zur Brennstoffzelle deutlich unempfindlicher, wenn der Wasserstoff nicht zu 100 Prozent rein ist. Zweitens: Der Wirkungsgrad einer Brennstoffzelle nimmt bei Schwerlastfahrzeugen erheblich ab. So sehen wir den Einsatzschwerpunkt der Fuel-Cell-Varianten eher im Bereich von zehn bis 20 Tonnen. Drittens ist der Drehmomentaufbau des Verbrenners im Vergleich zur Brennstoffzelle deutlich besser. Diese benötigt zusätzlich noch eine Batterie, um die dynamische Leistungsabgabe, zum Beispiel beim Beschleunigen, zu unterstützen." Auch MAN testet den Verbrenner Ob wohl auch MAN diese Erfahrungen teilt? Im Entwicklungszentrum in Nürnberg testet der Hersteller alle Antriebsstränge, die mit Wasserstoff als Treibstoff arbeiten. Dazu gehört vorwiegend die Brennstoffzelle, aber auch ein H2-Verbrenner wird hier entwickelt. Der Vorteil dieses Antriebs sei, dass man solche Fahrzeuge relativ schnell in Serienreife bringen könne, heißt es seitens MAN. Im kommenden Jahr will man einen Prototypen mit Wasserstoffverbrennungsmotor auf die Straße bringen. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, dass auch MAN die Zukunft eher in elektrischen Antrieben sieht: "Langfristig halte er (Michael Bernath, Leiter New Powertrain Components, Anm. d. Red.) aber für die meisten Anwendungen von Nutzfahrzeugen die Komplementärtechnologien Wasserstoff-Brennstoffzelle und Elektrobatterie für die zukunftsträchtigeren Lösungen", heißt es sogar in einem hauseigenen Artikel, in dem unter anderem auch über H2-Verbrenner berichtet wurde. Ist eine Umrüstung sinnvoll? Der Komponentenhersteller Westport Fuels Systems (WFS) in den Niederlanden geht noch einen Schritt weiter. Dieser hat das sogenannte HPDI-System entwickelt. Dabei werden bestehende Dieselmotoren umgerüstet und erhalten eine neue Kraftstoffeinspritzung, über die der Wasserstoff in den Brennraum geführt wird. Allerdings setzt man im Anschluss nicht auf eine Funkenzündung, wie Bert van Aerle, der Vice President Product and Business Strategy des Unternehmens, erklärt: "Im Gegensatz dazu verwendet unsere kommerziell erhältliche HPDI-Kraftstoffsystemtechnologie die Direkteinspritzung eines gasförmigen Kraftstoffs unter hohem Druck und Selbstzündung. Westport Fuel Systems hat anhand umfangreicher Verbrennungsanalysen und Labormotorentests nachgewiesen, dass HPDI mit Wasserstoff erhebliche Effizienz- und Leistungsvorteile gegenüber dem Basisdieselmotor erzielen kann." Auf diesem Weg könne nahezu jeder Dieselmotor mit Wasserstoff laufen - die einzige Umrüstung wären die Einspritzdüsen. Verbrenner oder Brennstoffzelle? Allgemein scheint das Elektrosystem mit Brennstoffzelle bei den Herstellern mehr Anklang zu finden. Hyundai hat bereits einige Fahrzeuge der Gattung im Einsatz, Daimler testet derweil seinen "Gen H2" auf einem hausinternen Gelände und hat gemeinsam mit Volvo das Start-up Cellcentric gegründet, das Brennstoffzellen entwickeln und verkaufen soll. Was ist also besser für den Wasserstoff - die Brennstoffzelle oder der H2-Verbrenner? Beide Systeme haben wohl ihre Vor- und Nachteile. Während ein Verbrenner, übertrieben formuliert, alles schluckt, was ihm in den Tank gegeben wird, ist eine Brennstoffzelle eher ein Sensibelchen. Kleinste Änderungen in der Reinheit des Wasserstoffes können zu Problemen führen, sagen zumindest DAF und WFS. Die beiden niederländischen Unternehmen wollen bei ihren Verbrennerversuchen abhängig von den Rahmenbedingungen auch einen größeren Wirkungsgrad gegenüber dem Elektroantrieb festgestellt haben. Für die Brennstoffzelle sprechen die Arbeitslautstärke des Systems und die absolute Reinheit des Abgases. Gegen die Brennstoffzelle - zumindest aktuell - kann man wiederum die immensen Herstellungskosten und das hohe Eigengewicht der Fahrzeuge ins Rennen schicken. Zudem muss dafür ein neuer Antriebsstrang mit Elektromotor entwickelt werden. Am Ende führen wie immer wohl viele Wege nach Rom und jeder Hersteller wird seinen eigenen gehen. Wichtig ist so oder so, dass es genügend grünen Wasserstoff gibt. Ob man ihn dann verbrennt oder mit ihm Strom erzeugt, ist schon fast nebensächlich. Schlussendlich wird es Transportunternehmern wie beim Diesel auch um die Frage gehen: Wer verbraucht am wenigsten? Mehr zum Thema finden Sie unter #GrueneLogistik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wenn von einem "Wasserstoff-Lkw" die Rede ist, meinen wohl die meisten den Betrieb mit einer Brennstoffzelle. Das ist aber eigentlich nicht richtig, denn es gibt auch Motoren, die den Wasserstoff verbrennen. Und auch wenn diese Technologie eher unbekannt ist, beschäftigen sich die Hersteller sehr wohl damit. Erste Serienfertigung Auch in der Motorenwelt außerhalb des Lkw-Daseins tüfteln Ingenieure an Wasserstoffmotoren. Der Hersteller Deutz ist mit seinen Ambitionen wohl schon sehr weit: Der TCG 7.8 H2 ist ein H2-Verbrenner, der bereits 2024 in Serienfertigung gehen soll. Das Aggregat basiert auf einem bestehenden Motorblock und wurde nur punktuell verändert. Der Sechszylinder bietet im Betrieb mit Wasserstoff 200 kW (271 PS) Leistung und gilt, gemessen an der EU-Norm, als CO2-neutral. In den kommenden Monaten soll eine Erprobungsphase mit einem Kunden beginnen, der den Motor für die Stromerzeugung in einer stationären Anlage einsetzen will. Mögliche weitere Einsatzfelder sind laut Deutz aber auch denkbar: Grundsätzlich könne der Motor in allen Anwendungen des Herstellers laufen, also beispielsweise auch in Land- oder Baumaschinen. ff

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