Elektronischer Frachtbrief: Noch ohne Siegel

Mit dem eCMR-Zusatzprotokoll lässt sich der CMR-Frachtbrief rechtswirksam elektronisch erstellen. Es gibt Leitplanken vor, wie eine rechtswirksame Kommunikation zwischen Vertragsparteien international auszusehen hat. National ergänzend bestehen die technikoffen formulierten Vorgaben im Handelsgesetzbuch (Paragraf 408). Über Authentizität und Integrität "Eine der Voraussetzungen, die an einen elektronischen Frachtbrief gestellt werden - egal ob eCMR- oder nationaler Frachtbrief -, ist zum Beispiel, dass Authentizität und Integrität des elektronischen Frachtbriefs gewahrt sein müssen", erklärt David Saive, Rechtswissenschaftler der Universität Oldenburg. Authentizität bedeutet die Sicherheit, dass der Frachtbrief von den Vertragsparteien stammt, erkennbar etwa an einer elektronischen Signatur. "Es muss nachvollziehbar sein, wer das Dokument unterschrieben hat, es muss eine konkrete Zuordnung erfolgen, welches Unternehmen welches Dokument unterschrieben hat", so Guido Belger, Rechtsexperte beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung BGL. Integrität heißt, es hat keine unberechtigten Veränderungen gegeben: dass etwa bei Weisungen kein Überschreiben des Dokuments erfolgt, und dass Änderungen später nachvollziehbar sind. "Wie sie diese ganzen Anforderungen umsetzen, bleibt den Softwareunternehmen überlassen. Ob sie zum Beispiel einen Verschlüsselungsalgorithmus nutzen oder das Dokument auf einer Blockchain ablegen. Das ist aufgrund der Geschwindigkeit von technologischen Entwicklungen ganz bewusst so angelegt", so Saive. Zugleich sei es aber so offen gestaltet, dass jeder vor der Unsicherheit stehe: Habe ich alle zivilrechtlichen Anforderungen erfüllt? "Habe ich die Funktionsäquivalenz von Papier und elektronischer Aufzeichnung hergestellt und wirklich einen elektronischen Frachtbrief?" Denn der sei ein Beweisdokument, der im Streitfall herangezogen werden kann. Wenn die Beweisvermutung des elektronischen Dokuments angezweifelt wird, könne das zu recht langwierigen Rechtsprozessen führen. Könne man aber nachweisen, dass die eingesetzte Lösung rechtskonform ist, sei es nicht notwendig, die Beweisvermutung anzuzweifeln. Für Klarheit sorgen Auch um einen Teil dieser Unsicherheit zu lösen, entwickelt auf nationaler Ebene auf Initiative des ICC Germany eine Arbeitsgruppe von Juristen einen Verordnungsentwurf, um diesen dem Bundesjustizministerium vorzulegen. "Wir versuchen in der Verordnung unter anderem aufzuzeigen: Was bedeutet Authentizität, was bedeutet Integrität eigentlich konkret?", sagt Saive, der die Arbeitsgruppe leitet. "Zugleich überlegen wir, ob wir nicht einen technischen Mindeststandard vordefinieren." BGL, Bankenverbände und Versicherungswirtschaft sind mit in den Prozess eingebunden, ergänzt Belger. Basis für die Entwicklung ist die in Paragraf 408 beschriebene Verordnungsermächtigung. Außerdem sei es beim eCMR-Frachtbrief wichtig, dass sich die beteiligten Parteien per AGB oder Individualvereinbarung auf ein System und Verfahren einigen, hebt Belger einen weiteren Aspekt hervor. In den AGB sollten die Rechte und Pflichten der einzelnen Parteien aufgeführt werden. "Das geht weit über den Inhalt des Frachtbriefs hinaus. Es hat auch mit Informationsschutz zu tun. Dazu zählen etwa Zugriffsrechte auf die Daten oder dass keine Weitergabe der Daten außerhalb der Vertragsbeziehungen stattfindet." EU-Zertifizierung als Sprungbrett Neben der zivilrechtlichen Ebene gibt es die öffentlich-rechtliche Ebene zu beachten, etwa Kontrollen des BAG. So legt das Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) national fest, dass Frachtbegleitdokumente für BAG-Kontrollen mitzuführen sind, erläutert Belger. Das Gesetz ermögliche, diese Dokumente auch elektronisch vorzulegen. "Wir haben hiermit national zwar eine rechtliche Regelung, in der Praxis ist es aber so, dass der Kontrolleur bei Nachfragen, gerade hinsichtlich Authentizität und Integrität, das Papierdokument vorgezeigt haben möchte." Er empfiehlt Unternehmen, die das Thema angehen wollen, aktuell auch die Papierform mitzuführen. Auf europäischer Ebene regelt die EU-Verordnung 2020/1056 über elektronische Frachtbeförderungsinformationen (eFTI), dass Behörden der Mitgliedstaaten künftig verpflichtet sind, elektronische Transportbegleitdokumente zu akzeptieren. "Wenn und soweit sie über zertifizierte eFTI-Plattformen abgerufen werden können", betont Saive. Ab August 2024 soll die Anwendung der Verordnung starten, die Einführung bis 2025 abgeschlossen sein. Für den eCMR gilt somit: Ab 2024/25 müssen Behörden ihn spätestens akzeptieren, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, etwa der Softwareanbieter entsprechend eFTI-zertifiziert ist. "Mit der Zertifizierung sind die rechtlichen Standards der Dokumente erfüllt. Somit kann die eFTI-Verordnung ein Sprungbrett auch für den eCMR sein", so Belger. Derzeit könne aber noch nicht abgeschätzt werden, wie die Umsetzung konkret erfolge. In Kürze Mit Inkrafttreten des eCMR-Zusatzprotokolls ist es möglich, den eCMR-Frachtbrief rechtswirksam einzusetzen. Zugleich bestehen aber Unsicherheiten in der rechtskonformen Auslegung. An einer Konkretisierung wird gearbeitet. Daher sollte man bei der Umsetzung von eCMR-Projekten einiges beachten. VR plus Online Achtung bei der Umsetzung Was Transportunternehmen grundsätzlich vor allem beachten sollten, wenn sie aktuell ein eCMR-Projekt im eigenen Betrieb angehen wollen oder durch Vorgaben ihres Auftraggebers angehen sollen, erfahren Leser im Profiportal VRplus. mwi www.verkehrsrundschau.de/plus/ecmr22

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