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E-Mobilität bei MAN: Frederik Zohm über die Herausforderungen der Euro 7-Norm

06.02.2025 09:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Frederik Zohm, Vorstand für Forschung und Entwicklung bei MAN
Frederik Zohm, Vorstand für Forschung und Entwicklung bei MAN
© Foto: MAN

In einem exklusiven VR-Interview spricht Frederik Zohm, Vorstand für Forschung und Entwicklung bei MAN, über die Zukunft der Antriebstechnologien, die Herausforderungen der Transformation zur E-Mobilität und die strategische Ausrichtung des Unternehmens im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Innovation.

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Es gibt Gerüchte, dass der neue D30-Motor der einzige „echte“ MAN-Motor ist, der im Portfolio bleibt und dass auch er D38 über kurz oder lang entfallen soll. Ist da was dran?

Frederik Zohm: Das hängt davon ab, wie sich die Truckindustrie künftig weiterentwickelt. Sie kennen die definierten Ziele, dass wir eine Reduktion der Treibhausgasemissionen pro Fahrzeugkilometer der von MAN verkauften Trucks, Busse und Transporter um 28 Prozent (Basisjahr 2019) erreichen wollen. Auf der IAA in Hannover haben wir daher z.B den Wasserstoffverbrenner H45 auf Basis des D38 vorgestellt, der als Zero Emission Fahrzeug (ZEV) klassifiziert ist und unsere Lösung für die High Power Range darstellt. Beim Dieselverbrenner-Portfolio müssen wir uns natürlich mit Euro7 beschäftigen.

Also, bis Euro 7 bleibt erst mal alles wie bisher?

Ja, der D38 ist bei den Stückzahlen zwar nicht der Volumenmotor, aber es gibt in dem Segment wichtige Anwendungen  z.B. im Baubereich. Langfristig forcieren wir auch in diesem Bereich Zero Emission Antriebe. Deshalb kann sich jeder ausmalen, dass es für uns als MAN und Teil von TRATON keinen Sinn macht alle heutigen Motorenplattformen bis in alle Ewigkeiten zu bespielen. Wir werden uns hierzu an den künftigen Rahmenbedingungen ausrichten.

Ist es ein großes Handicap, alle Antriebsarten bespielen zu müssen – oder zu wollen?

Dazu ein klares „Ja“. Im Dialog mit der Politik machen wir deutlich, dass wir uns eigentlich zu viele Wege offenhalten. Wer mit offenen Augen über die IAA Transportation gegangen ist, hat viele Wettbewerber aus Amerika und China gesehen, die mit batterieelektrischen Sattelzugmaschinen in den europäischen Markt kommen wollen. Vor diesem Hintergrund macht es wenig Sinn, wenn die europäischen Hersteller seitens der Politik aufgefordert sind, bis 2050 alle möglichen Antriebsvarianten aufrechtzuerhalten. Stattdessen müssen wir unsere Kräfte bündeln um in den in den Kerntechnologien wirkliche Durchbrüche zu erzielen, welche die Kunden dann auch langfristig begeistern. Deshalb würden wir uns wünschen, dass es zur Erreichung von Zero Emission bei Wasserstoff-Verbrennern, Brennstoffzelle und Batterieelektrik bleibt – auch wenn wir den Beitrag von HVO im Übergang für die Bestandsflotte als sinnvoll erachten. Langfristig betrachtet, machen hydrierte Pflanzenöle wenig Sinn, da sie die CO2 Emissionen nicht nachhaltig senken. Und die Frage ist auch: Wieviel verschiedene Infrastrukturen kann Deutschland bzw. Europa aufbauen?

Also gibt es bei MAN eine größere Skepsis gegenüber biogenen Kraftstoffen?

Die Frage ist doch, wie hoch ist tatsächlich die zur Verfügung stehende umweltfreundliche Menge? Sollen wir Rohstoffquellen wie Abfälle zukaufen? Oder wollen wir landwirtschaftliche Nutzfläche umwandeln? Wir bei MAN finden, dass wir das nicht mehr unter uns ausmachen können. Die Gesellschaft als Ganzes, also Politik, Industrie, Verbände, Bürger: Wir alle gemeinsam schaffen diese Transformation. Fakt ist auf jeden Fall, dass wir schnellstmöglich handeln müssen, um dem Klimawandel entgegen zusteuern.

Aber der Wähler gibt seine Stimme für Parteien ab, die versprechen, dass alles so bleibt wie es ist – obwohl jeder der nachdenkt, einsehen muss, dass es immer Veränderungen gab und geben wird...

Technologie basiert auf Physik und hat nichts mit politischen Wunschvorstellungen zu tun. Batterieelektrische Antriebe haben bei der Energieeffizienz und den Betriebs- und Energiekosten aktuell deutliche Vorteile gegenüber anderen Antriebskonzepten. Und die Politik in Deutschland muss klare und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Wir als Hersteller und vor allem auch unsere Kunden brauchen von der Bundesregierung langfristige Planbarkeit und Verlässlichkeit – Investitionen können nicht dem 4-Jahresrhythmus von Wahlperioden folgen. Nur ein Beispiel: Auf der einen Seite wurde die Lkw-Maut für den Diesel nahezu verdoppelt. Und zum gleichen Zeitpunkt hat die Bundesregierung aber auch die Förderung für vollelektrische Nutzfahrzeuge zu Beginn des Hochlaufs der eTrucks quasi wieder eingestellt. Das passt nicht zusammen. Und was meinen Sie, was unsere Kunden dazu sagen?

Und wie sähe Ihre Idee dazu aus?

Wir sprechen aktuell von rund acht Milliarden Maut-Mehreinnahmen in diesem Jahr. Ein Großteil davon geht als Investition in die Bahn, was langfristig sicherlich richtig ist, der Rest geht in den Haushalt oder als Invest zurück in die Straße. Ich würde mir wünschen, dass zumindest in den wichtigen Hochlaufjahren für emissionsfreie Lkw die Hälfte der Zusatzeinnahmen aus der aktuellen CO2-Lkw-Mauterhöhung in den wichtigen Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Förderung von emissionsfreien Fahrzeugen fließen würde. Haben wir den Ein- und damit Umstieg für alle Beteiligten initial unterstützt, kann der Fokus wieder auf die Bahn gelegt werden.   

Setzt voraus, dass die Transportdienstleister mitziehen. Aber viele davon sind mit Bio-Diesel auf die Nase gefallen, haben in LNG investiert und ein Desaster erlebt. Und jetzt sollen sie in die Batterieelektrik investieren. Dass es da eine gewisse Skepsis gibt, kann man doch nachvollziehen, oder?

Unsere Kunden haben Fünf- bis Zehnjahres-Entscheidungen zu treffen. Da geht es um hohe Investitionen und unternehmerische Risiken. Wenn die Politik kurzfristig die Spielregeln ändert, wird es aufgrund der mangelnden Planungssicherheit schwierig langfristige Entscheidungen zu treffen. Dies gilt insbesondere z.B. auch für die Restwerte. Wir richten den klaren Appell an die Politik, die Rahmenbedingungen planbar zu machen um die Chancen für die E-Mobilität, die wir klarsehen, hochzuhalten. Denn E-Mobilität ist effizient. Ich mache das an drei Punkten fest:

1. die Rekuperation. Nehmen wir z.B. die Strecke Innsbruck-Brenner. Auf dieser verbraucht ein Lkw rund 380 Kilowattstunden Energie. Aber er rekuperiert wieder 150 Kilowattstunden. Ein Verbrenner macht das nicht. Das ist bares Geld in der Tasche unserer Kunden.

2. Unternehmen können die  Energie  teilweise selbst erzeugen.  Bei rund einem Drittel Kraftstoffkosten aktuell mit dem Diesel kann dies erheblich die Kosten reduzieren. Das könnte durch Photovoltaik-Anlagen auf den Logistikgebäuden erfolgen. Es gibt somit viele Möglichkeiten dezentral Energie für das Transportgewerbe zu erzeugen.

3. Das batterieelektrische Fahrzeug fährt sich viel leiser, dynamischer und hat mehr Beschleunigungspower: Jeder, wirklich jeder Fahrer ist begeistert.

Wenn da nicht oft die schwierigen Genehmigungsverfahren wären…

Stimmt natürlich - solange der Netz- oder Ladeinfrastrukturausbau nicht massiv an Fahrt gewinnt, ist der der Hochlauf des BEV heraufordernd. Die Transformation muss schnell an Geschwindigkeit gewinnen. Positiv zu bewerten ist, dass die Nationale Leitstelle Infrastruktur nun offiziell die Ausschreibung für den Aufbau eines Schnellladenetzes für Lkw entlang der Bundesautobahnen gestartet hat – zumindest im ersten Schritt für 130 unbewirtschaftete Rastanlagen. Und auch wir tragen unseren Teil dazu bei, dass die Transformation jetzt Fahrt aufnimmt. So statten wir bspw. unsere Servicepunkte in einer Kooperation mit E.ON mit öffentlich zugänglichen Ladepunkten aus. Im ersten Schritt werden die Servicestandorte mit jeweils mehreren 400 Kilowatt-Ladepunkten ausgestattet. Damit kann ein durchschnittlicher Elektro-Lkw in rund 45 Minuten Strom für eine Reichweite von bis zu 300 Kilometer nachladen. Eine spätere Umrüstung der Standorte auf das Megawatt-Ladesystem MCS ist vorgesehen. Wichtig sind auch Kooperationen wie wir sie jetzt mit dem FC Bayern haben. Da sind riesige Parkflächen, die nur an den Spieltagen genutzt werden und  an den anderen Tagen im Jahr nicht belegt sind. Es ist ideal so eine Fläche zu transformieren - genau auf diese Weise müssen wir Schritt für Schritt in Infrastruktur investieren. Und selbstverständlich brauchen wir dann auch eine Ertüchtigung der Stromnetze.

Kommen wir noch mal zurück zum Status Quo. Wir durften schon mit dem neuen D30-Motor fahren. Der war noch ziemlich „laut“. Wolltet Ihr nicht bei der Geräuschdämmung was verbessern?

Das im Test gefahrene Fahrzeug war noch in einem Vorserienstand. Für die Serie verbessern wir die Dämmung zwischen Motor und Kabine. Wir haben auch Optimierungen bei der Windschutzscheibe gemacht. Damit wird das Fahrzeug deutlich leiser. Ich bin davon überzeugt, dass sich die MAN-Fahrer sich in unserem Fahrzeug wohlfühlen werden und dass es uns gelungen ist, einen sehr attraktiven Antrieb mit einem straken Sound zu realisieren.

Wann bringt MAN eine lange, aerodynamischere Kabine mit mehr Platz für den Fahrer? 

Aerodynamik hatte schon immer eine Schlüsselfunktion, jetzt bei den batterieelektrischen Fahrzeugen noch mehr. Und natürlich denken wir darüber nach, mit der Längengesetzgebung bessere Kundenerlebnisse zu erfüllen. Zu gegebener Zeit werden wir darüber reden, was wir konkret umsetzen.

Und wie steht’s ums Thema 44 Tonnen Gesamtgewicht beziehungsweise Nutzlastkompensation beim eTruck?

Was das zweite Thema betrifft, haben wir bereits die Erlaubnis mit zwei Tonnen mehr Gesamtgewicht zu fahren, also 42 Tonnen. Grundsätzlich befürworten wir eine Anpassung der Maße und Gewichte der Zero Emission Fahrzeuge. Wir wissen aber auch, dass hinter diesem Thema eine sehr komplexe Gesetzgebung steht, mit viele Stakeholdern und vielen unterschiedlichen technischen Aspekten.

Bei unserem kürzlich durchgeführten BEV-Truck-Vergleich fiel auf, dass MAN und Scania, obwohl beides Teil der TRATON-Group, völlig unterschiedliche Antriebstränge haben. Gäbe es da keine Synergien?

Ganz so groß sind die Unterschiede nicht: So haben beide Fahrzeuge ein relativ gleichen Mittelantriebsmotor. Am Ende ist ein Lkw immer ein Baukasten, der die Komponenten bereitstellt und sicherstellt, dass diese auch miteinander kompatibel sind. Wir hatten den Vorteil, dass wir aus unserem Dieselbaukasten ein relativ breites Rahmen-Frontend haben. Da passte das Power-Pack aus flacher Batterie und Leistungselektronik perfekt hinein, wo früher Motor und Getriebe waren. Zusammen mit den Batterien an der Seite konnten wir ein sehr modulares Konzept für viele Anwendungen möglich machen.

MAN ist stark im Bereich Schwertransport. Wie geht es da weiter vor dem Hintergrund der E-Mobilität?

Mit dem Wasserstoffverbrenner mit D38-Motor haben wir nun etwas im Portfolio, was solche Anwendungen sehr gut kann. Und was das Thema eTruck betrifft, ist das aktuell nicht die letzte Batteriegeneration, die wir anbieten werden. Mehr Energiedichte kann ich mir gut vorstellen. Und auch bei den E-Motoren sind noch höhere Power-Ratings denkbar. Natürlich brauchen Schwertransporte auch mehr Bremsleistung und dabei müssen wir auch die Integration eines guten Rekuperationsverhaltens berücksichtigen. Grundsätzlich schauen wir uns auch das Thema Hybridisierung an, die wir schon aus unserem Bus Bereich kennen.

Geht MAN künftig auch weg vom Mittelmotor und hin zur E-Achse?

Klar, logisch. Das ist ja das Tolle im Ingenieurs-Leben. Das Bessere ist des Guten Feind. Wir werden Schritt für Schritt machen und auf der IAA Transportation in zwei Jahren sicherlich weitere interessante Technikentwicklungen zeigen. Entscheidende ist, dass die Politik jetzt Kurs hält und dass wir die Transformation gemeinsam vorantreiben.

Manche Konkurrenten betätigen sich als Fullline-Anbieter. Auch MAN bietet den TGE als Crafter-Derivat an. Wie wäre es denn mit einem Fahrzeug unterhalb des TGE, auf Basis des neuen „Bulli“?

Unser Portfolio reicht vom Transporter MAN TGE bis zum schweren Lkw MAN TGX. Dieses Portfolio müssen wir jetzt durchgängig elektrifizieren und in die andere Anwendung kommen, ehe wir über eine Portfolioerweiterung diskutieren. Für uns ist eine der nächsten Fragen, in welchem Umfang sich der H2-Verbrenner bei unseren Kunden durchsetzt und wie sich das Kundenverhalten in und außerhalb Europas entwickelt. Das Segment der dreieinhalb bis siebeneinhalb Tonnen ist für uns sicher wichtig. Deshalb bieten wir unseren MAN TGE an. Ein Eintonnen-Transporter dagegen passt nicht in unser Portfolio.

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#MAN Trucks and Buses

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