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Die Debatte um den Klimaschutz treibt einen Keil in die VerkehrsbrancheDrängler auf der Klima-AutobahnExpertentreffen im Harz: Die rund 1500 Fachleute lieferten auf dem46. Verkehrsgerichtstag in Goslar neue Impulse in Sachen Klima, Knöllchen, Kraftfahrer.Kritische Worte aus Goslar: Verkehrsgerichtstagspräsident Friedrich Dencker monierte, dass der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Oliver Wittke mit seinen Gigaliner-Plänen (siehe S. 19) auf EU-Ebene aktiv werden wolle – trotz der Absage, die die Verkehrsministerkonferenz dem 25-Meter-LKW im vergangenen Oktober erteilte. "Das Gigaliner-Beispiel zeigt den Versuch des Politikers, der für seine Politik hier keine Mehrheit findet, sie der Mehrheit 'via Brüssel' aufzuzwingen", klagte Dencker. Zu einem anderen Zündstoff-Thema fand der Präsident der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft Kay Nehm deutliche Worte. Er forderte eine sachlichere Debatte zum Thema allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen. Im letzten Jahr hatte sich der Verkehrsgerichtstag gegen ein generelles Tempolimit ausgesprochen. SPD-Basis kämpft für Tempolimit "Meines Erachtens krankt die Diskussion in unserem Lande an notorischer Unaufrichtigkeit", kritisierte Nehm. Seit dem Beschluss des jüngsten Hamburger SPD-Parteitages könne jedoch niemand mehr an diesem Thema vorbeigehen. Auf dem Parteitag Ende Oktober 2007 hatte sich die SPD-Basis gegen die eigene Spitze durchgesetzt, die Vorschläge der Umweltverbände und der Grünen aufgenommen und fortan beschlossen für eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h zu kämpfen. Im Gespräch mit der VerkehrsRundschau erklärte der ehemalige Generalbundesanwalt Nehm, dass er selbst eher auf ein freiwilliges Handeln der Verkehrsteilnehmer setze und die in Deutschland geltende Richtgeschwindigkeit von 130 für sinnvoll halte (siehe Interview oben). Mit seiner Tempolösung ist Deutschland eine Insel in Europa – in anderen Ländern ist eine generelle Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen längst gang und gäbe (siehe Kasten rechts).Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will, dass Deutschland nachzieht. Jüngst erklärte er, dass Deutschland um ein generelles Tempolimit nicht herumkäme. Hintergrund: der jüngste Vorschlag der EU-Kommission bezüglich konkreter Ziele zur Einsparung von Treibhausgasen und zur Förderung erneuerbarer Energien. Danach muss Deutschland den Treibhausgasausstoß bis 2020 drastisch drücken. Limitgegner sehen kaum SparpotenzialDer Verband der Automobilindustrie (VDA) hält ein Tempolimit jedoch nicht für ein geeignetes Mittel für den Klimaschutz. "Ein Tempolimit ist medienwirksamer Aktionismus ohne Nutzen für den Klimaschutz. Klimaschutz muss sich an Fakten orientieren", fordert der Verband. Statt auf Maßnahmen mit "homöopathischer Wirkung" zu setzen, könnten laut dem Automobilverband allein durch die Beseitigung von Staus und Engpässen auf deutschen Fernstraßen jährlich 30 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Auch Deutschlands größter Automobilclub, der ADAC, gehört zu den Skeptikern. "Ein Tempolimit hätte eine symbolische Bedeutung. Es ist unserer Meinung nach weder aus Sicht der Umwelt noch der Verkehrssicherheit notwendig", sagt der Pressesprecher Andreas Hölzel. Auf die CO2-Bilanz hätte eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung kaum Einfluss. Eine Höchstgeschwindigkeit für PKW von 120 Stundenkilometern würde gerade einmal ein bis zwei Prozent Kraftstoff sparen. Beim Thema Tempolimit für Kleintransporter fordert der ADAC eine Aktualisierung der letzten BAST-Studie, die zum Schluss kam, dass von den Vans keine besondere Unfallgefahr ausgehe. Hoffnung auf sicherere AutobahnenAuch Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) lehnt eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung ab. "Wir halten nichts von Pauschalregelungen. In der Praxis haben sich vielmehr örtlich und zeitlich differenzierte Verkehrssicherheitsmaßnahmen bewährt. Unfallursache sind in den meisten Fällen nicht zu hohe, sondern nicht angepasste Geschwindigkeiten", so Schmidt. Keine Sorgen bereitet ein generelles Tempolimit dagegen dem Vorsitzenden des Bundesverbands der Kurier-Express-Post-Dienste Rudolf Pfeiffer: "Die Kep-Branche hätte keine Nachteile. Das Bild des rasenden Transporters in der Kurierbranche entspricht nicht der Wirklichkeit."Peter Hennicke, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, schlägt sich auf Gabriels Seite. Ein Tempolimit auf Autobahnen und Bundesstraßen sei – auch im europäischen Vergleich – überfällig, so Hennicke. Neben einer direkten CO2-Minderung um drei bis sechs Millionen Tonnen pro Jahr und höheren indirekten Minderungseffekten, zum Beispiel durch Fahrzeuganpassung, sänken die Zahl und Schwere von Unfällen sowie die Lärmbelastung. In die gleiche Kerbe schlägt Hermann-Josef Vogt, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). "Bei Klimaschutz und Verkehrssicherheit helfen keine großen Worte, sondern nur konkrete Maßnahmen. Das Tempolimit ist eine davon, und zwar eine äußerst wirksame", so Vogt. Ein Tempolimit von 120 km/h leiste nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz, sondern bringe auch mehr Sicherheit auf den Autobahnen und verbessere den Verkehrsfluss. Doch so aufgeregt die Debatten um das Reizthema Tempolimit, so zahm ging es dieses Jahr in den Arbeitskreisen in Goslar zu. "Dieser Verkehrsgerichtstag war ungewöhnlich, weil es kaum streitige Themen gab", lautet dann auch das Fazit von Kay Nehm zum Abschluss des dreitägigen Kongresses. Einigkeit herrschte zum Beispiel unter den Experten des Arbeitskreises zum Fuhrparkmanagement, die sich mit der Halterhaftung im Straßenverkehrsrecht beschäftigten. Die Fachleute weisen darauf hin, dass den Fahrzeughalter Auswahl-, Kontroll- und Organisationspflichten treffen, die sich auf die Fahrereignung (gültige Fahr-erlaubnis, gesundheitlicher Zustand), den Fahrzeugzustand (Technik, Ladung) und eine sichere Fahrt (Lenk- und Ruhezeiten) beziehen. Die Verletzung dieser Pflichten sei straf- und bußgeldbewehrt. Delegiere der Halter seine Pflichten auf einen Fuhrparkverantwortlichen, so müsse dieser sorgfältig ausgewählt und mit klaren Weisungen und Kompetenzen versehen werden, so der Expertenrat. Beim Halter verbliebe eine Überwachungspflicht.Ein Chip sorgt für Sicherheit Insbesondere fordert die Expertenrunde in ihren Empfehlungen, dass die Anforderungen an eine Führerscheinkontrolle durch den Halter nicht überspannt werden dürfen (siehe Kasten rechts). Nach der Rechtsprechung genüge grundsätzlich die erstmalige Kontrolle des Führerscheins und die Reaktion bei Auffälligkeiten. Bei größeren Fuhrparks könnten sich wiederkehrende – auch elektronische oder firmenexterne – Kontrollen empfehlen. Bei der elektronischen Kont-rolle erfolgt die Prüfung über einen Chip auf dem Führerschein und eine Lese- station per Funk an einen Zentralser- ver. Allerdings sei für die elektronische Führerscheinkontrolle die Zustimmung des Mitarbeiters oder eine Betriebsvereinbarung erforderlich, stellt Rechtsanwältin Katja Löhr-Müller fest. Zudem empfiehlt sie, den Mitarbeiter vertraglich zu verpflichten, den Verlust der Fahrerlaubnis mitzuteilen. Bei Verstößen könnten dann arbeitsrechtliche Sanktionen folgen. Ungemach anderer Art droht möglicherweise den Verkehrsexperten bei ihrer nächsten Fahrt nach Goslar: Der politische Ehrgeiz der Tempolimit-Befürworter könnte dann plötzlich für ungeliebte Punkte in Flensburg sorgen. ❙❚■ Kathrin Petersen, Rocco Swantusch

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