VR-Lkw-Test: Dieser FH geht einfach aus!

Zunächst startet diese Testfahrt wie jede andere: Nachdem wir unseren auf 24 Tonnen ausgeladenen Krone-Trailer auf die Sattelplatte "gelegt" haben, aktivieren wir auf der Autobahn bei 85 km/h routiniert den Tempomaten. Schon nach wenigen Kilometern beugt sich dann aber der auf dem Beifahrersitz mitreisende Volvo-Werksfahrer neugierig vor und fragt, ob uns gerade nichts auffallen würde? Interessiert überfliegen die Augen des VR-Testers die Instrumente im digital dargestellten Zentraldisplay und verharren verdutzt beim Drehzahlmesser. Dessen Nadel steht bei Null, der Sechszylinder ist also aus, obwohl der FH Aero mit 88 Sachen über die A 9 nördlich von München rollt. Das kann doch nur ein technischer Fehler sein, oder? Mitnichten, vielmehr hat Volvo Trucks die nächste Runde in Sachen Verbrauchssenkung eingeläutet und bringt als erster Hersteller eine automatische Motorabschaltung in einen europäischen Lastwagen. Die Technik stellt den D13-Sechszylinder konsequent ab, sobald seine Dienste auf der Strecke nicht gebraucht werden, weil es beispielsweise gerade leicht bergab geht. Solche Fälle waren (und sind bei den Wettbewerbern) bislang ein Fall für den Eco-Roll-Modus. Der nimmt den Motor zwar ebenfalls aus dem Rennen, er verbrennt hier im Leerlauf aber wertvollen Kraftstoff. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (D13T420A,Turbo-TC), Common-Rail-Einspritzung,Turbolader mit Wastegate,Turbocompound-Turbine; Bohrung x Hub: 131 x 158 mm, Euro 6e mit SCR-Kat.,gekühlter Abgasrückführung, Partikelfilter;Hubraum: 12.800 cm³,Leistung: 420 PS (309 kW) b. 1230-1600/min,maximales Drehmoment: 2400 Nm bei 900-1230/min Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe „I-Shift“ (AT2812), unsynchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe, Range- und Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge,4 Rückwärtsgänge, Hinterachsübersetzung: i = 2,31 Fahrwerk HA: 12,0-t-Antriebsachse (Volvo RSS1244B), Vierbalg-Luftfederung, StabilisatorVA: 7,5-t-Achse, Einblatt-Parabelfederung Bremsen Zweikreis-Druckluft-Bremsanlage,Scheibenbremsen, „Volvo Engine Brake“(VEB+): 435 kW bei 2300/min, Option: Retarder (nicht im Test-Lkw verbaut) Maße und Gewicht Radstand: 3700 mm;L x B x H: 6129 x 2495x 3739 mm; Leergewicht: 7152 kg (ohne Fahrer), inkl. 400 l Diesel, 60 l AdBlue Kaum merkliches Abschalten Genau auf diesen Anteil hat es die "I-Roll with Motor-Stop-Start" genannte Technik abgesehen. Hier wird in den Schubphasen keinerlei Diesel mehr in die sechs Zylinder eingespritzt. Bemerkenswert ist, wie harmonisch und gut abgestimmt das System zu Werke geht. Man fiebert dem nächsten Gefälle regelrecht entgegen, um den Drehzahlmesser auf seinem Weg zur Null beobachten zu können. Denn anders, beispielsweise durch Geräusche oder Vibrationen, ist die Aktivierung der Motorabschaltung nicht zu spüren - hier darf man den Ingenieur:innen zu ihrer Arbeit gratulieren. Erst recht, wenn man bedenkt, welch technischer Aufwand dahinter steckt. Einerseits harmoniert das System bestens mit dem GPS-Tempomaten und wird oft schon vor dem eigentlichen Start ins Gefälle aktiv, was zusätzliche Tropfen Diesel spart. Andererseits muss die Elektronik auch die Temperatur der Abgasreinigungsbox im Auge behalten, damit diese ihrer Bestimmung stets störungsfrei nachgehen kann. Kühlung? Kein Problem! Und natürlich steht auf der anderen Seite das Thema Kühlung auf der Agenda. Auf unserer Testfahrt hatten wir mehrmals die Situation, dass der D13 die Fuhre erst den Berg hinaufschieben muss, um gleich im Anschluss bergab in den ebenfalls temperaturfördernden Bremsmodus zu wechseln. Trotzdem scheinen solche Manöver beim Sechszylinder keinen Wunsch nach zusätzlicher Kühlluft auszulösen, denn er schaltet sich auch nach solchen Situationen umgehend ab, sobald es ins Rollen geht. Gewährleisten müssen die Volvo-Techniker auch die einwandfreie Funktion der elektro-hydraulischen Servolenkung. Die Lösung liegt in einer zusätzlichen Hydraulikpumpe am Antriebsflansch der Ausgangswelle, die den Druck aufrecht hält, wenn der Diesel aus ist. Verbräuche und Geschwindigkeiten: 342,8-km-Teststrecke l/100 km km/h Autobahn medium (32 t)A 9 Allershausen – A 93 Regensburg 21,13 84,62 Autobahn hügelig (32 t)A 3 Regensburg – Nürnberg 22,51 83,86 Autobahn Rolletappe (32 t)A 9 Nürnberg – Langenbruck 21,54 84,26 Landstraße (32 t)Langenbruck – Dasing 19,84 62,45 Autobahn leicht (32 t)A 8 Dasing – A 99 Unterschleißheim 24,60 84,47 Durchschnitt: 21,74 80,14 Verbrauch AdBlue: 1,26 l/100 km (5,32 % vom Dieselverbrauch); AdBlue anteilig mit 44 % ins Verbrauchsergebnis eingerechnet Anlassen über die Kupplung Bleibt noch die Frage, wie der Motor zurück ins Leben findet, wenn er wieder gebraucht wird? Der klassische Anlasser hat dabei Pause, vielmehr erfolgt das Starten des Motors ausschließlich über die Kupplung, weshalb hier ebenfalls kein Tropfen Diesel vergeudet wird. Abgeschaltet wird auch in der Ebene regelmäßig. Nämlich dann, wenn der Volvo seine "Extended-I-Roll"-Funktion nutzt. Dabei wird die Geschwindigkeit zunächst von Tempo 85 auf 88 erhöht, der Diesel wird abgeschaltet und der Sattelzug rollt mitunter gefühlt ewig bis auf 82 km/h runter, wo wieder auf 88 beschleunigt wird und das Prozedere neu startet. Dieses Programm ist, genau wie die automatische Motorabschaltung und die dynamische Drehmomentreduzierung (I-Torque) an Steigungen, im Eco-Modus aktiv. Den wählt man über eine Taste an der Schaltkonsole rechts neben dem Fahrersitz an. Bewertung Volvo FH Aero 420 I-Save Globetrotter Motor/Antrieb (max. 140) Getriebe/Kupplung (max. 140) Bremsen (max. 120) Lenkung (max. 40) Pedale (max. 20) Fahrverhalten (max. 60) Sicht (max. 50) Klima/Lüftung (max. 50) Sitze (max. 40) Armaturen/Instrumente (max. 50) Scheibenwischer (max. 30) Fahrerhaus (max. 240) 1Gesamtwertung (max. 980) 1281261063616514544344524198853 Testurteil + Dank Turbocompound bieten die 420 PS Fahrleistungen, die eher in die Klasse der 460-PS-Lkw gehören, geschmeidigeFahrstufenwechsel, leise Geräuschkulisse, beste Verarbeitung im Fahrerhaus, wertige Materialien - Teilweise umständlich zu bedienendes Spiegelersatzsystem, die Getriebebedienung wäre am rechten Lenkstockhebel besseraufgehoben, anstatt neben dem Fahrersitz, eher durchschnittliche Platzverhältnisse im Globetrotter-Fahrerhaus Zahlt sich das System aus? Aber zahlt sich der Mix der Sparsysteme wirklich aus? Im Falle der automatischen Motorabschaltung ist die Rechnung einfach: Auf unserer 343 Kilometer langen Testfahrt hatten die 420 PS über 70 Minuten Pause. Bedenkt man, dass ein moderner Lkw-Reihensechser im Leerlauf knapp 1,7 Liter Sprit pro Stunde konsumiert, lässt sich die Ersparnis mit bis zu zwei Litern Diesel auf der Testrunde berechnen, die der Schwede allein durch dieses System einfährt. Und diesen Bonus gibt es, ohne dass der Fahrer oder die Fahrerin den eigenen Fahrstil umfangreich auf Spritsparen umstellen müsste. Alles, was getan werden muss, ist das besagte Eco-Programm anzuwählen, was wir nach der Testfahrt uneingeschränkt empfehlen. Erstens, weil das Durchschnittstempo und die Fahrleistungen des Volvos auch im Eco-Modus völlig in Ordnung gehen. Vor allem aber legt der FH Aero 420 I-Save einen Verbrauch von 21,74 l/100 km vor, mit dem er sich an die Spitze unseres Verbrauchsrankings schiebt. Nicht zuletzt deswegen sind wir uns ziemlich sicher, dass in den Entwicklungsabteilungen in Södertälje, München, Wörth am Rhein und Co. aktuell intensiv an ähnlichen "Aus-und-wieder-an"-Techniken gefeilt wird! Fazit Besser mit der neuen Front Was dieser Test beweist? Einerseits die Wirksamkeit und die perfekte Arbeitsweise von Volvos neuem Sparsystem. Das zudem funktioniert, ohne dass das Fahrpersonal etwas dafür tun muss, geschweige denn eine Schulung zu absolvieren hätte. Und noch etwas zeigt sich: Die Hersteller haben den Dieselmotor als Antriebsquelle noch längst nicht abgeschrieben, sondern treiben die Entwicklung weiter voran.