Die Supernasen

Die Supernasen Die Europäische Union will die Zahl getöteter Personen bei LKW-Unfällen reduzieren und fördert mit dem Projekt Aprosys neue Ideen und Konzepte. Diese sehen in vielen Fällen die Umgestaltung der LKW-Front vor.Die Zahl ist erschreckend: Mehr als 1400 Fußgänger und Fahrradfahrer kommen jedes Jahr in EU-Staaten bei LKW-Unfällen ums Leben. Ein großer Teil könnte noch am Leben sein. Dies ist die Kernaussage eines Workshops des EU-Projektes Aprosys SP2 (Integrated Project on Advanced Protection Systems), der auf dem Gelände des Dekra Crash Test Centers in Neumünster stattfand. Wissenschaftler aus ganz Europa stellten ihre Forschungsergebnisse vor, die sich mit dem Thema LKW-Unfälle mit Fußgängern und Fahrradfahrern auseinandersetzen. Zahlreiche Ansatzpunkte für eine verbesserte passive Sicherheit bietet nach Meinung vieler Teilnehmer die Front. Wissenschaftler der Technischen Universität Graz stellten Varianten einer energieabsorbierenden LKW-Front vor – aus Schaumelementen oder mit Pressluft gefüllten Gummischläuchen. Das Ergebnis der Tests: Bei Aufprallgeschwindigkeiten bis zu 40 km/h konnte das Verletzungsrisiko an Kopf und unteren Extremitäten um bis zu 70 Prozent verringert werden. Und das, so Florian Feist von der TU Graz, bei einem "geringen zusätzlichen Gewicht von 20 bis 70 Kilogramm, niedrigen Materialkosten und wenig Mehrlänge". Doch auch auf eine komplett neu gestaltete, konvexe LKW-Front setzen die Unfallforscher ihre Hoffnungen. So hat das Institut für Kraftfahrwesen (ika) an der RWTH Aachen eine "LKW-Nase" entwickelt, die Fußgänger und Radfahrer bei einem Unfall zur Seite ablenken und vor dem Überrollen bewahren soll (siehe Bilder). Neben einer Reduzierung der Überrollquote um 85 Prozent verbessert sich nach Angaben der Wissenschaftler auch der Partnerschutz bei LKW-PKW-Unfällen – und ganz nebenbei hat die neue Nase positiven Einfluss auf die Aerodynamik.Das Problem: LängenbeschränkungenAllen Ideen, Entwürfen und Hoffnungen zum Trotz: Inwieweit die Forschungsergebnisse des Projekts auch wirklich in die Praxis umgesetzt werden, ist noch unklar. Zwar stehe man mit der Industrie in Kontakt – aber solange es keine Änderungen bei den strengen Längenbeschränkungen für Nutzfahrzeuge gebe, sei ein komplettes Neudesign von LKW kaum denkbar. "Das Interesse der Hersteller ist eingeschränkt, weil es keine Verpflichtung gibt, etwas für den passiven Fußgängerschutz zu tun", beurteilt Florian Feist die Lage. Somit gibt es nur eine Möglichkeit, Politik und Hersteller zu überzeugen. "Wir müssen aufzeigen, dass wir mit unseren Lösungen nicht nur Verbesserungen beim Fußgängerschutz erzielen, sondern auch Vorteile wie einen geringeren Luftwiderstand oder eine erhöhte Sicherheit bei PKW-LKW-Unfällen erreichen", meint Feist. Allen Widrigkeiten zum Trotz zeigt sich der Leiter des Projektes, Jürgen Gugler, zuversichtlich: "Mit unseren Konzepten zur Optimierung der LKW-Front legen wir viel versprechende Ansätze vor, die mit geringem Kostenaufwand zu dem Ziel beitragen können, die Zahl der Getöteten im Straßenverkehr zu reduzieren."❙❚■ Tobias Rauser

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