"Den Bereich B2C stärker angehen"

Meyer & Meyer ist ein Familienunternehmen. Warum haben Sie mit Jan Weber nun ein Nicht-Familienmitglied in Ihr Unternehmen geholt und zum CEO gemacht? Rolf Meyer: Wir wollen auch weiterhin ein Familienunternehmen bleiben. Mein Cousin hat zwei, ich selbst habe vier Kinder. Unsere Söhne und Töchter haben Interesse, sind aber noch nicht so weit. Deshalb entschieden wir uns für Jan Weber, der seit April als CEO unser Unternehmen führt - unterstützt von einem Management-Team. Herr Weber, Sie kommen von Nordkalk, dem größten Kalkproduzenten Nordeuropas, zum Mittelständler. Wollen Sie jetzt aus Meyer & Meyer einen Konzern machen? Jan Weber: Richtig ist, dass Nordkalk mit 350 bis 400 Millionen Euro etwas mehr Umsatz als Meyer & Meyer hat und in der gesamten Firmengruppe über 6000 Mitarbeiter beschäftigt. Nordkalk ist aber kein Konzern, wie viele meinen, sondern in Familienhand. Es gibt aber dort durchaus Prozesse, die ich mir vorstellen kann auch bei Meyer & Meyer zu implementieren, etwa im Bereich Compliance und Controlling. Viel wichtiger ist mir aber, dass das Unternehmen in Zukunft noch internationaler wird und wir das Wachstum wieder anschieben. Wie wollen Sie Meyer & Meyer künftig im Markt positionieren? Weber: Wir werden stärker in die Richtung des Omnichannel gehen und unseren Kunden Lösungen auf allen Kanälen anbieten. Dies wird ein ganz wichtiger Eckpfeiler unserer Strategie sein. Für uns heißt das auch, dass wir den Bereich B2C stärker angehen, denn wer erfolgreich Omnichannel anbieten will, muss nicht nur im B2B-Geschäft, in dem wir führender Dienstleister in der Fashionbranche sind, stark sein, sondern auch im B2C. Außerdem werden wir die Internationalisierung vorantreiben. Wir müssen dafür nicht auf allen internationalen Märkten mit eigenen Standorten präsent sein. Aber wir müssen mehr internationale Retailer und Marken in unserem Portfolio haben - sowohl stationär als auch online. Welche Rolle spielt noch Ihr Eigenfuhrpark - auch vor dem Hintergrund Ihres jüngsten Fuhrpark-Outsourcings in Peine? Meyer: Wir sind heute Spediteur und werden auch morgen Spediteur sein. Die Prozesse sind aber im Wandel. Zu Ihrer Frage: Fuhrpark ist ein knallhartes Geschäft. Das funktioniert im Fernverkehr nur, wenn man ganztägig - zumindest in zwei Schichten - fährt, also die Fixkosten optimal verteilt sind. Das war an unserem Standort in Peine nicht optimal möglich. Wir haben dort mit PEX ein Unternehmen gefunden, dem dies besser gelingt als uns. Deshalb haben wir uns an diesem Standort für das Outsourcing entschieden. Für unsere Fahrer bringt das keine Nachteile - sie arbeiten bei PEX zu den gleichen Bedingungen. Planen Sie nun an anderen Standorten ein ähnliches Fuhrpark-Outsourcing? Weber: Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Wir werden das von Fall zu Fall sehr genau prüfen und entscheiden, ob bestimmte Fahrzeuge nicht mehr zu uns passen, und ob diese ein Transportpartner nicht besser als wir managen kann. Wir schließen aber nicht kategorisch aus, wieder in eigene Fahrzeuge zu investieren. Wenn unsere Kunden dies wünschen, machen wir das. Wir haben das Managen des Equipments ja nicht verlernt. Wir haben es nur nicht mehr so im Fokus. Fahrzeuge steuern können wir dagegen sehr, sehr gut. Das zeigt uns unser Transportmanagement-Konzept, das wir vor einigen Jahren aufgelegt haben. Wir handeln für unsere Transportpartner sogar Großkundenrabatte beim Einkauf von Diesel und Versicherungen aus und sind für die Fahrzeug-Steuerung verantwortlich. Meyer & Meyer wird Innovationstreiber im Bereich Elektro-Lkw bleiben? Meyer: Aber sicher! Auch wenn viele sagen, schwere Elektro-Lkw seien Unsinn! Wir arbeiten hier weiter an Lösungen, obwohl dies sehr schwierig ist, weil wir keinerlei Unterstützung seitens der OEM und First-Tiers erhalten. Wir entwickeln dies mit kleineren Herstellern und Fraunhofer-Instituten. Denn derzeit ist die Elektromobilität aus unserer Sicht die einzige Alternative zum fossilen Fahren - auch bei schweren Lkw. Welche neuen Konzepte werden Sie auf der diesjährigen IAA in Hannover präsentieren? Meyer: Wir werden auf der IAA, wenn alles gut geht, einen Lkw mit Tauschbatterien präsentieren, den wir im Rahmen des Schaufenster-Projekts mit dem Fraunhofer Institut entwickeln. Zudem verfolgen wir das Folgeprojekt "Route-Charge", das von der Bundesregierung gefördert wird, mit dem wir beweisen wollen, dass man auch auf längeren Strecken Lkw mit Tauschbatterien einsetzen und dafür auch fluktuierende Quellen wie Windenergie einsetzen kann. Sie haben zuletzt mit Ihrem einstigen Großkunden Gerry Weber einiges an Volumen verloren. Haben Sie das bereits kompensieren können? Wenn ja, wie? Weber: Natürlich hat uns die Entscheidung von Gerry Weber, ein eigenes Großlogistikzentrum in Peine zu errichten, zunächst in eine Art Schockstarre versetzt. Wir haben ja für den Kunden zwei Lager betrieben. Unsere Organisation hat aber gezeigt, dass wir starke Teams haben und wir haben also relativ schnell Neuumsatz generiert - in Osnabrück und anderen Standorten. Unterm Strich macht Meyer & Meyer zeitnah mehr Umsatz als vorher. Meyer: Wenn ich ergänzen darf: Gerry Weber ist nach wie vor einer unserer wichtigsten Kunden, für den wir die gesamte Supply Chain abbilden: Wir haben lediglich den Warehouse-Umsatz verloren. Das hat uns Gerry Weber aber rechtzeitig mitgeteilt. Wir konnten dies also planen. Welche Umsatz- und Mengenziele peilen Sie mit Meyer & Meyer in 2016 an? Weber: 2016 werden wir mit insgesamt 1800 Mitarbeitern zwischen 240 und 245 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Und in den kommenden drei Jahren wollen wir über 300 Millionen Euro Umsatz schaffen - das ist unser Mittelfrist-Ziel. Gibt es da tatsächlich noch so viel Potenzial? Weber: Eckpfeiler unserer Strategie sind, wie ich schon sagte, die Internationalisierung und Omnichannel. Diese beiden Trends sehen wir ganz klar als Wachstumstreiber. Sind auch Zukäufe ein Thema? Weber: Wir schließen Mergers oder Zukäufe zwar nicht aus. Aus unserer Sicht bergen die internationalen Märkte und der Omni-Channel-Trend aber noch so viel Wachstumspotenzial, dass wir unsere Umsatzziele auch ohne Zukäufe aus eigener Kraft schaffen können. B2C wächst ja in Europa nach wie vor zweistellig, während B2B leicht rückläufig ist. Andererseits sorgt gerade der E-Commerce dafür, dass immer mehr Textilien liegend über Paketdienste und nicht hängend über Meyer & Meyer versandt werden. Weber: Wir befinden uns da in der Tat in einer Übergangsphase. Wir werden zwar auch in Zukunft der Transport- und Lagerspezialist von hängender Ware sein. Dieser Markt ist indes insgesamt rückläufig, auch wenn unser Marktanteil nicht sinkt. Wir müssen uns aber auch für den Trend Liegeware weiter öffnen und dafür sorgen, dass unsere Strukturen und Standorte flexibel sind, beide Segmente zu bedienen. Wir errichten zum Beispiel aktuell in Peine Kapazitäten, die ausschließlich auf das Handling von Paketen ausgerichtet sind. Und in unserem automatisierten Liegewarenzentrum in Osnabrück legen wir schon seit 2008 den Fokus auf die Abwicklung liegender Textilien. Das ist der Weg, wohin wir streben. Und in welchen Ländern sehen Sie konkret noch Wachstumspotenzial? Sie sind ja eigentlich schon sehr international präsent. Weber: Wir sind in diesen Ländern aber noch sehr transportlastig unterwegs. Es gibt aber in der Fashionbranche viele Beschaffungs- und Veredelungsthemen, die wir nun verstärkt angehen. Im Zusammenspiel mit unserem Joint Venture WKS können wir die gesamte textile Wertschöpfungskette abbilden - Stichwort "from sheep to shop". Das kann keiner unserer Wettbewerber. Dieses Know-how werden wir noch stärker in anderen Ländern ausrollen. Potenzial sehen wir in Marokko und Tunesien, Bulgarien, Mazedonien, Polen sowie in der Türkei. Und wir werden in den nächsten zwölf Monaten in Äthiopien ein weiteres Büro eröffnen. Herr Meyer, wir haben Sie als sehr wert-orientierten Unternehmenschef kennengelernt. Welche Werte wollen Sie gerne Ihrem Nachfolger Jan Weber mitgeben? Meyer: Als Familienunternehmen versuchen wir wert-orientiert zu handeln. Gerade Wertschätzung und Nachhaltigkeit sind für uns sehr wichtig. Wir denken nicht shareholder-orientiert und kurzfristig, sondern für die kommenden Generationen sehr, sehr langfristig. Als Dienstleister treibt uns beide auch der Faktor Mensch an - für uns sind so viele Menschen tätig, die gerade in einer komplexer werdenden Welt immer wichtiger werden. Diese Wertorientierung wird künftig sogar noch stärker unser Wirken und Handeln beeinflussen. Mehr zum Thema im Dossier Meyer & Meyer Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Meyer & Meyer Meyer & Meyer ist ein international tätiges Speditions- und Logistikunternehmen mit Sitz in Osnabrück (Niedersachsen), das sich auf Textillogistik spezialisiert hat. Das Unternehmen erwirtschaftet in diesem Jahr nach eigenen Angaben mit rund 1800 Mitarbeitern zwischen 240 und 245 Millionen Euro Umsatz. Das Unternehmen wurde 1902 gegründet und ist in dritter Generation im Familienbesitz. Zum 1. April wurde Jan Weber zum CEO der Unternehmensgruppe ernannt. Zuvor war er lange Jahre als Chief Operating Officer (COO) bei Nordkalk, dem größten Kalkproduzenten Nordeuropas, tätig. Ende 2016 wechseln bei Meyer & Meyer die beiden bisherigen geschäftsführenden Gesellschafter Michael Meyer und Rolf Meyer sowie der Holding-Geschäftsführer Clemens Haskamp in einen neu gegründeten Beirat.eh

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