Dachser gibt Gas

2023 ließ es Dachser, salopp formuliert, so richtig krachen. Das Portemonnaie des Kemptener Speditions- und Logistikunternehmens war durch sein Rekordjahr 2022 prall gefüllt und interessante Übernahme-Kandidaten gab es im Jahr der Wirtschaftskrise zuhauf. Zukäufe für 244 Millionen Euro Los ging die Einkaufstour im Januar 2023 mit der Übernahme von Müller Fresh Food Logistics in den Niederlanden. Im März verstärkte sich Dachser in der See- und Luftfracht mit ACA International in Australien und Neuseeland. Mitte 2023 folgte ein Joint Venture mit Nishi-Nippon Railroad. Höhepunkt war im August der Mehrheitskauf der Stückgut- und Kontraktlogistiksparte von Fercam in Italien - die bislang drittgrößte Akquisition von Dachser - und im Dezember übernahm das Unternehmen noch den schwedischen Frische- und Tiefkühllogistiker Frigoscandia und baute so seine Präsenz im foodstarken Skandinavien aus. Alles in allem 244 Millionen Euro hat Dachser im vergangenen Jahr in den Ausbau seines Netzes über strategische Zukäufe und Joint Ventures investiert - neben Investitionen in die Digitalisierung und nachhaltige Technologien. Und vor wenigen Wochen erst folgte gleich der nächste Paukenschlag: der Kauf von Brummer Logistik in Neuburg am Inn, langjähriger Partner von Dachser und Mitglied des European-Food-Netzwerks. Mit Brummer im Gepäck wächst das Unternehmen also auch im Transport temperaturgeführter Lebensmittel zwischen Deutschland, Österreich und angrenzenden Ländern. Burkhard Eling, der seit 2021 die Geschäfte des Allgäuer Speditions- und Logistikunternehmens führt, macht also mächtig Tempo. "Als Dachser haben wir das Ziel, stets der am besten integrierte Logistikdienstleister zu sein, um für unsere Kunden eine durchgängige und transparente Supply Chain - weltweit - sicherzustellen", erklärte er seinen Dachser-Kurs auf dem Jahrespressegespräch in München. Auf dieses Ziel fokussiert, werde das Unternehmen deshalb in diesem Jahr über 500 Millionen Euro investieren, kündigte er an - die größte Investition überhaupt in der Geschichte des Allgäuer Familienunternehmens. Wachstumstreiber und -bremser Ambitioniert ist das. Vor allem in Zeiten, in denen andere namhafte Branchengrößen wie etwa Kühne + Nagel auf die Kostenbremse treten. Dachser hat aber fast keine andere Wahl. Es muss ein weltweites Speditions- und Logistiknetz etablieren. Auch weil deutsche Industrie- und Handelsunternehmen zunehmend auch außerhalb Deutschlands und der EU neue Wachstumspotenziale sehen und erschließen wollen und dafür Speditions- und Logistikpartner brauchen, die sie dabei logistisch unterstützen. Einfach wird das nicht. Denn die schwache Weltwirtschaft, der See- und Luftfrachtraten-Verfall, die Inflation und die sinkende Verbrauchernachfrage haben auch bei Dachser Spuren hinterlassen. "Dachser ist 2023 wie alle relevanten Wettbewerber zur Normalität zurückgekehrt, nach einer zweijährigen Sonderkonjunktur der Logistik als Folge der Corona-Pandemie", erklärte Eling die Unternehmenszahlen. Konkret hat Dachser im vergangenen Jahr mit 7,1 Milliarden Euro rund 12,5 Prozent weniger Umsatz erwirtschaftet als in seinem Rekordjahr 2022 - trotz seiner Zukäufe, die einem Umsatzvolumen von rund 900 Millionen Euro entsprachen. Das Sendungsvolumen ging 2023 um 4,6 Prozent auf rund 77,4 Millionen Sendungen zurück, und die Tonnage sank um 6,5 Prozent auf 40 Millionen Tonnen. Das größte Umsatzminus - mit einem Umsatzeinbruch um 46 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro - vermeldete die See- und Luftfrachtsparte Dachser Air & Sea Logistics (ASL). "Die Preise auf den internationalen Märkten der See- und Luftfracht befanden sich im freien Fall", erläuterte Eling. So seien auf der Tradeline China-Deutschland die durchschnittlichen Raten in der Luftfracht 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent und in der Seefracht sogar um fast 80 Prozent eingebrochen. Erfolgsbringer für Dachser war erneut das Geschäftsfeld "Road Logistics", in dem das Unternehmen seine Stückgut-, Kontrakt- und Lebensmittellogistik-Aktivitäten zusammenfasst. Trotz schwächelnder Wirtschaft und Verbrauchernachfrage legte der Umsatz von "Road Logistics" insgesamt leicht um 1,8 Prozent auf 5,8 Milliarden Euro zu - bei sinkender Sendungsmenge (minus 4,7 Prozent) und rückläufiger Tonnage (minus 6,5 Prozent). "Das Umsatzplus bei sinkender Tonnage zeigt, dass unsere Kunden bereit sind, für unsere hohe Qualität hohe Preise zu bezahlen", unterstrich Eling. "Unser auf Transport und Lagerung von Stückgut fokussiertes Ge-schäftsfeld hat sich als robust erwiesen." Sehr zufrieden zeigte er sich mit der "Kontraktlogistik", in der Kombination aus Transport, Warehousing und Value-Added-Services. "Unsere Warehouses sind gut ausgelastet, weil sich viele Kunden inzwischen Puffer für Krisenfälle anlegen." Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, wird Dachser seine Kapazitäten in diesem Jahr um knapp 400.000 Palettenstellplätze erhöhen. Über drei Millionen Stellplätze verfügt dann das Unternehmen insgesamt. Wie attraktiv ist der deutsche Wirtschaftsstandort? Auf dem Jahrespressegespräch von Dachser sagten Sie unlängst: "Unser Wachstum wird mittel- und langfristig stärker von Märkten außerhalb Europas bestimmt sein." Wie attraktiv ist für Sie noch der Wirtschaftsstandort Deutschland? Dieser Standort ist für uns nach wie vor sehr attraktiv. Was ihn auszeichnet, ist vor allem das gute Ausbildungsniveau, also die Möglichkeit, junge Mitarbeiter über einen sehr strukturierten Ausbildungsprozess in unser Unternehmen zu bringen. Was Deutschland da bietet, ist weltweit einzigartig. Wir als Dachser wollen unseren Kunden einen hohen Service mit hoher Qualität bieten, und das tun wir in erster Linie mit unseren Mitarbeitern. Für uns ist deshalb nichts wichtiger, als gute Leute zu bekommen, diese gut auszubilden und sie möglichst lange zu halten. Darüber hinaus verfügen wir in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern über sehr solide und verlässliche Institutionen. Am Ende können wir uns in Deutschland auf unsere Rahmenbedingungen sehr verlassen. Gleichwohl bauen Sie das Dachser-Netz gerade weltweit massiv aus. Das hat aber nichts mit dem Standort Deutschland zu tun. Das hat damit zu tun, wie sich die prognostizierten Investitionsströme in den nächsten zehn, 20 Jahren entwickeln. Und die steigen nun einmal in Richtung Nord- und Südamerika sowie in Asien deutlich stärker an als in Europa oder aber hierzulande. Das ist Fakt. Entsprechend ist es unser Ziel, unser sehr gut aufgestelltes europäisches Landverkehrsnetz mehr mit der Welt zu verbinden, also mit Amerika und mit Asien. Wir können so unseren Kunden zum einen helfen, mit uns aus Europa herauszuwachsen, zum anderen, ihre Sendungen über uns hinein nach Europa zu transportieren und zu verteilen. Deshalb investieren wir in unser globales Netz: Wir wollen weltweit integrierte Stückguttransporte anbieten. Dachser arbeitet gerade an dem weltweit durchgängigen Door-to-Door-Stückgutprodukt "Global Groupage". Wann kommt das? Das ist nicht an ein konkretes Datum geknüpft, der Weg dahin wird auch ein längerer sein. Es wird also keine Big-Bang-Lösung sein, sondern wird sukzessive ausgerollt werden. Fest steht auch: Das Rückgrat dafür ist unser europäisches Stückgutnetz, auf dem wir aufsetzen werden. "Trotz der dargestellten Umsatzrückgänge sind wir mit dem Ergebnis 2023 zufrieden", resümierte Eling. Denn die Rückkehr zur Normalität sei auf einem viel höheren Niveau als vor der Krise erfolgt. Zur Einordnung biete sich als Vergleichsjahr 2019 an, das Jahr vor den Sondereffekten durch die Corona-Pandemie, erläuterte er. Damals hatte das Unternehmen rund 5,7 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Mit 7,1 Milliarden Euro Umsatz operiere Dachser also auf einem über 25 Prozent höheren Niveau. Die Eigenkapitalquote sei 2023 sogar gegenüber dem Vorjahr nochmals gestiegen und habe nach Ablauf des Geschäftsjahres bei nun über 65 Prozent gelegen. "Es ist diese finanzielle Stabilität", betonte er, "die es uns ermöglicht, auch künftig langfristige und zukunftssichernde Investitionen zu tätigen." Antriebswende: ein langer Weg Gleichwohl blickt auch der Dachser-CEO verhalten auf 2024: "Die schwachen Wirtschaftsprognosen, insbesondere für Deutschland, dämpfen unsere Erwartungen an das Jahr 2024. Der Weg aus der wirtschaftlichen Stagnation in Europa wird dauern." Er stelle sich daher auf "weiterhin niedrige Mengen und nur ein leichtes Umsatzwachstum" ein, werde aber dennoch über 500 Millionen Euro investieren. "Wir wollen die Digitalisierung bei Dachser auf allen Ebenen vorantreiben", kündigte er an. So werde der digitale Zwilling@ILO weiter ausgerollt, ein Projekt, für das Dachser mit dem Fraunhofer Institut IML im vergangenen Jahr den Deutschen Logistik-Preis erhalten hat, weil sich dank dieser Innovation die Prozesse im Stückgutumschlag und bei den Abfahrten deutlich beschleunigen lassen. In Kopenhagen und Erlensee hat Dachser den digitalen Zwilling@ILO schon im Einsatz. Acht weitere Standorte sollen nun folgen, unter anderem in Überherrn. Beim Thema "Antriebswende" zeigte sich Eling indes skeptisch. "In Anbetracht der schieren Größe der Aufgabe liegt noch ein langer, langer Weg vor uns", bremste er da zu hohe Erwartungen. 60 batterieelektrische Lkw im Nah- und Fernverkehr setzt Dachser ein, seit 2023 auch einen Wasserstoff-Lkw sowie den ersten vollelektrischen Kühltrailer in der Food-Logistik.Was den Dachser-CEO ärgerte, ist die Einstellung des Förderprogramms für klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur in Deutschland. "Das ist ein echter Rückschritt. Die weitere Förderung wäre ein wichtiger Baustein", machte er unmissverständlich klar, "um die Transformation hin zu Null-Emissionsfahrzeugen im Straßengüterverkehr anzuschieben." Gleichwohl sei Dachser "als langfristig denkendes Familienunternehmen dem Umwelt- und Klimaschutz verpflichtet. Eine echte Herzensangelegenheit" sei da, betont er, die soeben verkündete langfristige Zusammenarbeit Dachsers mit der Klimaschutzorganisation Myclimate und der Kinderrechtsorganisation Terre des hommes. Dachser kauft Food-Logistiker Brummer Dachser kauft Brummer Logistik mit Sitz in Neuburg am Inn und Brummer Logistic Solutions, die mit 950 Mitarbeitern 2023 einen Umsatz von rund 128 Millionen Euro erwirtschaftet haben und nach eigenen Angaben zu den führenden Lebensmittellogistikern in Mitteleuropa zählen. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Die Übernahme müssen die deutschen und österreichischen Wettbewerbsbehörden noch genehmigen. Das Geschäftsfeld von Brummer Brummer hat sich auf den Transport und die Logistik von temperaturgeführten Lebensmitteln (inklusive unter minus 18 Grad Celsius) zwischen Deutschland, Österreich und angrenzenden Ländern spezialisiert. In Neuburg am Inn verfügt Brummer über 40.000 m2 Frische- und Tiefkühlanlage; Brummer hat in St. Marienkirchen, Österreich, über 45.000 m2 Lagerfläche. Darf's noch mehr sein? Lesen Sie hier, das komplette Interview mit Burkhard Eling, CEO von Dachser. www.verkehrsrundschau.de/plus/dachser

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