Bürgerproteste

Bürgerproteste Widerstand aus dem Volk Die Bürgerproteste gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 haben die Verkehrspolitik nachhaltig verändert. Bauindustrie und Deutsche Bahn wollen die Bürger künftig besser und vor allem früher in Prozesse einbinden. Der Widerstand der als beschaulich geltenden Schwaben gegen das Milliardenprojekt Stuttgart 21 hat die Planer anderer Infrastrukturvorhaben beunruhigt. „Wenn künftig große Infrastrukturprojekte gar nicht oder nur mit 10- bis 15-jährigen Planungszeiten durchzusetzen sind, ist die Modernisierung und Entwicklung unserer Verkehrsinfrastruktur und damit der Erfolg der gesamten deutschen Wirtschaft gefährdet“, warnt Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Die Grundstimmung in weiten Teilen der Bevölkerung gegen jede Art von Großprojekten sei „außerordentlich bedenklich“. „Während unsere Nachbarländer geräuschlos Großprojekte in Einklang mit den Bedürfnissen der Bevölkerung umsetzen, wie beim Gotthard-Basis-Tunnel in der Schweiz, müssen internationalen Investoren die Diskussionen um die Verpflanzung von alten Bäumen im Stuttgarter Stadtpark doch wie ein Possenspiel vorkommen“, ärgert sich Knipper. „Wir brauchen eine neue Beteiligungskultur“, betont dagegen einer der Gegner von Stuttgart 21, Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). „Es ist gut, wenn Politik und Verwaltung die Lektion lernen und in der sachlichen Begründung wie auch der Transparenz von Entscheidungen besser werden.“ Palmer kritisiert insbesondere die einsamen Entscheidungen der politischen Führungszirkel: „In der Regel wird ein politischer Grundsatzbeschluss von sehr wenigen Entscheidungsträgern gefasst.“ Selbst die Parlamente seien kaum eingebunden. „Das muss sich ändern“, betont Palmer. „Die Bürgerschaft will über den Grundsatz und nicht nur über die Farbe der Lärmschutzwände mitbestimmen.“ Bahnvorstand zeigt sich einsichtig Volker Kefer, Vorstand der Deutschen Bahn, zeigt sich einsichtig und will aus den Fehlern bei Stuttgart 21 lernen: „Es wird deshalb zu einem ganz erheblichen Teil Aufgabe der Deutschen Bahn sein, möglichem Misstrauen gegenüber Bahnprojekten durch eine frühzeitige, transparente und umfassende Information über geplante Projekte zu begegnen“, sagt Kefer. Auch Knipper will aus den Fehlern in Stuttgart lernen: „Wir müssen die Proteste ernst nehmen, dabei den Bürgern aber auch die Angst nehmen, man würde über ihre Köpfe hinweg entscheiden.“ Knipper sagt: „Für künftige Großprojekte plädieren wir daher für die frühe Einbindung der Bürger sowie für die Einschaltung von Mediatoren.“ Dies habe sich in Stuttgart bewährt. Palmer hält eine Schlichtung nach dem Stuttgarter Vorbild bei weiteren Großprojekten wie der Fehmarnbelt-Querung oder der Elbvertiefung für möglich. „Schlichtungen nach Baubeginn kranken daran, dass die Möglichkeiten zu Kompromissen stark eingeschränkt sind“, schränkt er ein. Wenn die Bagger bereits rollen, wird ein Großprojekt trotz schwerwiegender Mängel nicht mehr gekippt. Auch dies ist eine Lehre aus Stuttgart 21. ❙❚■ Sebastian Bollig Tausende Stuttgarter demonstrieren immer noch jede Woche gegen den Abriss des Hauptbahnhofs

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