Binnenschifffahrt: Saubere Schiffe

Für Joachim Zöllner gibt es keine Zweifel: "Die CO2-Bilanz der Binnenschifffahrt sieht hervorragend aus. Die Energiebilanz ist top." Zöllner ist Projektkoordinator im Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST) in Duisburg. CO2-Vorteil im Vergleich zum Lkw Andererseits wird immer wieder Kritik laut. Die Schiffe sind jahrzehntelang im Einsatz. Entsprechend alt sind die Motoren. Es gibt sogar Vorwürfe, nach denen die Binnenschiffe die Luftqualität in den Städten am Rhein spürbar beeinträchtigen würden. Zöllner sieht das Binnenschiff im Vergleich zum Lkw klar im Vorteil. Er macht das an folgender Rechnung deutlich: Für den Transport einer Tonne über 100 Kilometer benötigt der Lkw zwei Liter Diesel (bei 20 Tonnen Zuladung und einem Verbrauch von 40 Liter pro 100 Kilometer). "Ein Binnenschiff benötigt im Durchschnitt 0,5 Liter pro Tonne und 100 Kilometer." Damit würde das Binnenschiff vier Mal besser abschneiden und deutlich weniger CO2 ausstoßen als der Lkw. Wobei bei den Stickoxiden der Lkw fast doppelt so sauber ist (bezogen auf den Ausstoß in Gramm (g) pro Tonnenkilometer (tkm)). Zudem schneidet die Bahn bei den Treibhausgasen besser ab: Laut Zahlen des Umweltbundesamts fallen dort 16 g/tkm an, beim Binnenschiff hingegen 31 g/tkm (Lkw: 111 g/tkm). Hier macht sich ein Manko der Branche bemerkbar: "Das Durchschnittsalter in der Binnenschifffahrtsflotte beträgt 60 Jahre", sagt Zöllner. Pro Jahr kämen nicht mehr als 60 Neubauten in den Markt. "Damit würde es etwa 100 Jahre dauern, bis die ganze Flotte erneuert ist", so der Wissenschaftler. Vor allem die Schiffsrümpfe halten mehrere Jahrzehnte. Daher hat Zöllner vor einigen Jahren vorgeschlagen, nur das Hinterschiff mit Wohnung, Ruderanlage und Motor zu erneuern und so den Antrieb zu modernisieren. Zunächst wurden dagegen Vorbehalte in der Branche laut. Mittlerweile gibt es solche Konzepte. Ein Austausch dauere drei bis vier Wochen. Der Energieverbrauch ließe sich um 20 bis 30 Prozent verringern. Wie im Straßengüterverkehr wird auch in der Binnenschifffahrt über alternative Antriebe zum Diesel diskutiert. LNG war lange Zeit ein Thema. "Der Hype ist abgeebbt, weil ein LNG-Schiff in der Anschaffung zwei Millionen Euro mehr kostet. Das können sich Partikuliere und Reeder nicht leisten", sagt Zöllner. Seiner Einschätzung nach haben hybride Systeme bestehend aus Dieselmotor und einem Elektroantrieb die derzeit besten Chancen. Wird wegen voller Last oder stromaufwärts mehr Energie benötigt, können beide Antriebe eingesetzt werden. Bei Fahrt ohne Ladung reiche ein Antrieb. Über Wasserstoff wird laut Zöllner auch debattiert. Aber dazu gäbe es noch keine Erfahrungen. "Problematisch ist zudem, dass der Antrieb und Tank den siebenfachen Raum eines Dieselantriebs benötigt, beide sich nicht unter der Wohnung befinden sollten und somit spürbar Laderaum verloren geht", sagt Zöllner. Ein anderes Thema, über das in der Binnenschifffahrt debattiert wird, ist das autonome Fahren. Hier gibt es Ansätze wie beim Lkw. Wobei die Binnenschifffahrt den Vorteil hat, dass die äußeren Einflüsse nicht so groß sind wie im Straßenverkehr. Eine Automatisierung könnte nicht nur Personal einsparen, sondern die Schiffe auch sicherer und wirtschaftlicher durch die Flüsse leiten. Die Firma Argonics bietet mit dem Argo Track-Pilot eine Bahnführung von Binnenschiffen entlang vorgegebener Leitlinien an. "Das ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zum autonomen Schiff", sagt Martin Sandler, Geschäftsführer von Argonav GmbH, einem Verbundunternehmen von Argonics. Dennoch ist er zurückhaltend: "Komplett autonom fahrende Binnenschiffe: Das sehe ich noch lange nicht." Mehr zum Thema finden Sie unter #Binnenschifffahrt www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Binnenschifffahrt ist aufgrund des gegebenen Wasserstraßennetzes limitiert. Aber dort, wo es schiffbare Flüsse und Kanäle gibt, sind Binnenschiffe eine Alternative - nicht zuletzt wegen ihrer Klimabilanz. Doch müssen die Partikuliere und Reedereien beim Schiffsantrieb ihre Hausaufgaben noch machen. BDB fordert mehr Geld für die Binnenschifffahrt Auf der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) in Duisburg hat sich der Verband mit verschiedenen Forderungen an die Politik gerichtet."Wir brauchen eine Aufstockung der Mittel für das Flottenerneuerungsprogramm Binnenschifffahrt", sagte Jens Schwanen, Geschäftsführer des BDB, der VerkehrsRundschau. Allein die ersten beiden Förderaufrufe, jeweils mit 15 Millionen (Mio.) Euro ausgestattet, waren mit 38 Mio. Euro beziehungsweise 49 Mio. Euro an Antragsvolumen überzeichnet."Wir brauchen eine deutliche Aufstockung im Etat auf 50 bis 80 Mio. Euro pro Jahr", so Schwanen. Ab 2023 droht der Wegfall von 400 Millionen Euro Mehr Geld sei auch im Bundeshaushalt für die Investitionen in die Wasserstraßen erforderlich. Für 2022 würden die notwendigen 1,2 Milliarden Euro zwar laut dem Haushaltsentwurf erreicht."Aber nur, weil es aufgrund des Klimaschutz-Sofortprogramms einen Sondereffekt gibt", sagte Schwanen. Für die Jahre 2023 und folgende würden mit dessen Wegfall etwa 400 Millionen Euro fehlen."Brüssel und Berlin wollen mehr Güter auf die nachhaltige Binnenschifffahrt verlagern. Dann sollte man den Etat für Erhalt und Ausbau nicht nur mit Einmal-Programmen, sondern dauerhaft verstetigt auf ein ausreichendes Niveau bringen", forderte Schwanen.Zudem rief der BDB die Bundesregierung dazu auf, sich in Brüssel gegen die geplante Besteuerung von Schiffsdiesel einzusetzen. Diese Abgabe ist eine Maßnahme des EU-Pakets"Fit for 55" mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß zu senken."Doch Alternativen zum Diesel gibt es derzeit zumindest für die Großschifffahrt im Güterverkehr nicht. Damit ist in breiter Verfügbarkeit erst in fünf bis zehn Jahren zu rechnen", sagte Schwanen. Die Einführung einer Steuer schon jetzt würde deshalb diesen umweltschonenden Verkehrsträger lediglich verteuern und damit weniger attraktiv machen. cd

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