Bewährungsfrist für Insolvenzen

Auf die Corona-Krise soll eine riesige Insolvenzwelle folgen. So lautet eine aktuelle Einschätzung des Kreditversicherers Euler Hermes. In einer Analyse der Allianz-Tochter heißt es, dass die Insolvenzen noch in diesem Jahr um 20 Prozent steigen dürften. Für Deutschland erwartet Euler Hermes zwar nur zehn Prozent mehr Firmenpleiten gegenüber dem Vorjahr - allerdings unter der Voraussetzung, dass es weiterhin staatliche Hilfsmaßnahmen für betroffene Unternehmen gibt. Insolvenzantragspflicht ausgesetzt Um diejenigen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, zeitweise zu entlasten, hat die Bundesregierung neben den anderen Rettungsprogrammen beschlossen, die Vorschriften des Insolvenzrechts rückwirkend zum 1. März 2020 zu lockern. Bisher galt: Wenn Firmen nicht binnen drei Wochen nach Zahlungsunfähigkeit Insolvenz beantragten, wurden sie bestraft. Diese Insolvenzantragspflicht ist vorerst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, sofern die Aussicht auf eine glaubhafte Sanierung des Schuldners besteht. Damit entfallen auch die üblicherweise geltenden Haftungspflichten der Geschäftsführung. Zudem dürfen Gläubiger während eines dreimonatigen Übergangszeitraums keine Eröffnung von Insolvenzverfahren beantragen. Ziel ist es, die Liquidität und Geschäftsfähigkeit von Unternehmen in dem Zeitraum zu gewährleisten, bis sie die Finanzhilfen von Bund und Ländern wie Kurzarbeitergeld und Schnellkredite bekommen. Wie die Bundesagentur für Arbeit kürzlich mitteilte, kann eine Firma weiterhin Kurzarbeitergeld beziehen, nachdem sie einen Insolvenzantrag gestellt hat und wenn die entsprechenden Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Für die Lockerung des Insolvenzrechts gibt es zwei Bedingungen: Zum einen muss der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruhen. Zum anderen sollte die Aussicht darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Dabei wird vermutet, dass beide Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 noch nicht zahlungsunfähig war. Aber reicht das, um Betriebe in der aktuellen Krise vor einer Pleite zu bewahren? Grundsätzlich sei die Bewährungsfrist für insolvenzbedrohte Unternehmen sinnvoll und ausreichend, meint Reinhold Horn. Er ist Komplementär der Insolvenzverwaltung Herbold & Horn, seit 2011 als Insolvenzverwalter tätig und war unter anderem für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens der Reico Spedition aus Zossen verantwortlich. "Die gesamten Maßnahmen dürften bei einem gesunden Unternehmen ausreichen, um eine Insolvenz durch die erlittenen Umsatzeinbußen bezogen auf die Länge des jetzigen Lockdowns zu vermeiden", lautet seine Einschätzung. Allerdings geht er davon aus, dass der Zeitraum bis zum kompletten Hochfahren der Wirtschaft länger sein wird als nur ein paar Wochen. Wenn es deutlich länger dauert, würden die beschlossenen Maßnahmen wohl nicht ausreichen. "Dann wird es zu einer Marktbereinigung auch in der Transportbranche kommen", glaubt Horn. Generell rechnen Finanzexperten mit einer nachgelagerten Pleitewelle ab Herbst. Fuhrpark-Finanzierung entscheidend Auch Gerd Bretschneider, Geschäftsführer der Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg, sieht einige seiner Mitgliedsunternehmen aus dem gewerblichen Güterkraftverkehr insolvenzbedroht. "Vor allem sehr kleine Betriebe mit zehn bis 20 Fahrzeugen mit geringer Eigenkapitalbasis und ausschließlich geleasten Fahrzeugen sind gefährdet", beobachtet er. Besonders hart treffe es derzeit den Bereich Messe,- Veranstaltungs- und Kongresslogistik sowie Transportunternehmen, die ausschließlich für Hotellerie, Gastronomie und den Flughafen Berlin fahren. Als zentrales Element für Speditionen und Transportunternehmen, um sich derzeit wirtschaftlich über Wasser zu halten, hebt Bretschneider vor allem die Fuhrpark- Finanzierung hervor. "Wie hoch sind hier die Kreditlasten, und erreiche ich Stundungen bei der entsprechenden Bank?", seien wichtige Fragen, die sich Geschäftsführer stellen müssten. Professionelle Rechtsberatung wichtig Sollte ein Unternehmen während der Corona-Krise finanziell in Bedrängnis geraten, rät Insolvenzverwalter Horn, frühzeitig über mögliche Strategien nachzudenken und sich eng getaktete rechtliche Beratung zu holen. Denn eine eigene Aufstellung ist in diesem Fall nicht mehr ausreichend. So könnten Geschäftsführer dahin gehend sichergehen, ob sie trotz der bis Ende September geltenden Ausnahmeregelung im Fall einer Insolvenz antragspflichtig sind oder nicht und die bei einem Regelverstoß drohende persönliche Haftung vermeiden. In jedem Fall gelte bei Zahlungsproblemen: "Bevor die Haftungsansprüche der Gläubiger zu groß sind, sollte man eine Insolvenz immer in die Optionsliste aufnehmen", so Horn. In Kürze Die Bundesregierung setzt die Vorschriften des Insolvenzrechts bis 30. September 2020 teilweise außer Kraft. Damit will sie die Auswirkungen der Corona-Krise auf Unternehmen abmildern. Das soll Betrieben die Möglichkeit geben, die Zeit zu überbrücken, bis die Finanzhilfen wirken. Online - Darf's noch mehr sein? Auf unserer Profiplattform VerkehrsRundschau plus haben wir - gratis für VerkehrsRundschau-Abonnenten - eine Playlist rund ums Thema Corona erstellt. Dort finden Sie jetzt neu die Einschätzung eines Fachanwalts zu "Corona trifft Insolvenzrecht". snwww.verkehrsrundschau.de/plus/corona

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