Auf Wiedersehen, Mittelmaß!

Gut besucht: Der 1. Perspektiventag der VerkehrsRundschau Auf Wiedersehen, Mittelmaß! Richtig positionieren: Über den Faktor Mensch können sich Transport- und Logistikdienstleister auch künftig vom Wettbewerb abheben. Das aber war nur ein Ergebnis des 1. VR-Perspektiventages, der namhafte Experten in München zusammenbrachte.S ind Transport- und Speditionsdienstleister für künftige Herausforderungen in der Logistik gerüstet? In welchen Geschäftsfeldern liegt für sie noch Wachstumspotenzial? Darüber diskutierten namhafte Experten auf dem 1. Perspektiventag der VerkehrsRundschau in München. "Anders sein als andere" – das ist das Erfolgsrezept, das Business Expert Hermann Scherer Transport- und Speditionsunternehmern auf ihrem Weg in die Zukunft mitgab. "Verabschieden Sie sich vom Mittelmaß, und setzen Sie auf ein Leben mit Leidenschaft", riet er den Teilnehmern des 1. Perspektiventags der VerkehrsRundschau in München. Denn im Kampf um die Gunst des Kunden zählt laut Scherer nur eines: "Wer nicht auffällt, fällt weg." Qualität allein reiche heute nicht mehr, um im Wettbewerb um Aufträge die Nase vorne zu haben. Stattdessen müsse ein Unternehmer alle Gelegenheiten nutzen, um aufzufallen. Hermann Scherer: "Wer Kundenservice wirklich ernst nimmt, gibt sich mit Freundlichkeiten nicht zufrieden." Ein Transport- und Logistikdienstleister, der Marktführer sein will, müsse "Probleme lösen, die möglicherweise noch gar nicht von den Kunden als Problem wahrgenommen werden".Wo drückt der Schuh?Doch in welchen Bereichen drückt Unternehmen aus Industrie und Handel der Schuh, welche logistischen Mehrwertdienste erwarten sie von ihren Transport- und Speditionspartnern? Aufschluss da-rüber gibt eine aktuelle Verlader- und Spediteurs-Befragung der Unternehmensberatung Bearing Point, die Direktor Ralf Stenger nun in München vorstellte. Fakt ist: Die Vorstellungen der Auftraggeber und ihrer Dienstleister klaffen laut Studie zum Teil weit auseinander. So sähen Spediteure in der Kontraktlogistik zum Beispiel Potenzial in den Mehrwertdiensten "Auftragsabwicklung" so-wie "Produktion und Montage", während die Verlader hier nur wenig Outsourcing-Bestrebungen zeigten und sich bei ihren Entscheidungen durchaus ambivalent verhielten. Einerseits vergäben sie meist aus monetären Gründen ihre Logistik an Dienstleister ("Vermeidung eigener Investitionen", "Kostenreduktion" und "Reduktion der Kapitalbindung"). Andererseits schreckten sie vor mehr Outsourcing oft zurück, weil sie "zu schlechte Leistung/Schlechtleistung" und die "Nichteinhaltung von Terminvorgaben" seitens der Dienstleister fürchteten. Unterm Strich aber würden Spediteure auch künftig vom Outsourcen der Logistik profitieren, zeigte sich Stenger zuversichtlich. So lag das Gesamtumsatzvo-lumen logistischer Leistungen 2007 deutschlandweit bei rund 200 Milliarden Euro. Davon werden bislang nur 45 Prozent durch Logistikdienstleister erbracht, während 55 Prozent nach wie vor in den Händen von Industrie und Handel liegen. "Fünf bis 10 Prozent Outsourcing-Potenzial sind allemal drin", schätzt Stenger - insbesondere "in der Automobilindustrie und im Handel". Fokus auf WachstumsmärkteVorausgesetzt den Spediteuren gelingt es, für ihre Kunden Innovationen voranzutreiben, sowohl als Manager übergreifender Verkehrsträger als auch bei Industrieplattformen sowie als IT-Innovator. Außerdem sollten sich Spediteure, rät Unternehmensberater Stenger, auf Wachstumsmärkte fokussieren – dank Key Account Management, Fokus auf die Kernkompetenz und Kooperationen/Mergern – und schließlich sollten sie in globalen Wertschöpfungsketten ihre Qualitätsstandards aufrechterhalten. Weit weniger euphorisch zeigte sich in München Klaus Friemann, Leiter Kontraktlogistik Material- und Teiletransporte der BMW Group, in seinem Vortrag. Darin schilderte er aus Kundensicht seine Erfahrungen mit Speditionen. Und diese sind, glaubt man Friemann, erschreckend schlecht auf die wirklichen Bedürfnisse eines Automobilherstellers vorbereitet.Umfangreicher ForderungskatalogDer Kontraktlogistikleiter wörtlich: "Die Spediteure sprechen nicht unsere Sprache. Sie kennen nicht wirklich die Prozesse in unserem Unternehmen." Die Dienstleister würden sich zwar professionell präsentieren, blicke man aber hinter die Kulissen, sei das Ergebnis oft niederschmetternd: Selbst internationale Speditionshäuser bieten laut Friemann "nur Standardware", und selbst bei dieser gebe es "häufig große Qualitätsunterschiede". Kurz: "Spediteure haben kein Verständnis für logistische Gesamtprozesse in der Automobilindustrie", allenfalls hätten sie Kenntnisse im Transport- und Lagerbereich, so der Vorwurf des BMW-Manns. Friemann ist das bei Weitem zu wenig. Er forderte von seinen Logistikpartnern in der Kontraktlogistik mehr, zum Beispiel:Wissen über die gesamte Lieferkette vom Lieferanten bis zum Montageort;Kenntnisse des Material-Teilespektrums und dessen Besonderheiten in der Versorgungskette;Detaillierte Kenntnisse über die unterschiedlichen Versorgungsarten, etwa just in time;Kenntnisse der Materialsteuerungsprinzipien;Beherrschung der Material-Qualitätsanforderungen hinsichtlich Dokumentation, Funktionalität, Schadenseinflüsse und bei spezifischen Teilen;Fähigkeit zur Gesamtprozessverbesserung (mehr finden Sie im Internet unter www.verkehrsrundschau.de).Verständlich, dass die Kritik des BMW-Manns nicht jedem Teilnehmer schmeckte. Manche monierten gar hinter vorgehaltener Hand, dass "BMW-Manager eben immer maßlos arrogant" seien. Gleichwohl räumte Stefan Wimmer, Geschäftsführungsmitglied von Hellmann Worldwide Logistics und dort für den Bereich Personal verantwortlich, in seinem Vortrag ein: "In den 80er- und 90er-Jahren haben die deutschen Speditionen in ihrer Personalarbeit tatsächlich geschlampt. Wir haben sowohl auf Verlader- als auch auf Spediteursseite eine grottenschlechte Personalarbeit gemacht." Mit der Folge, dass die Branche heute unter einem "eklatanten Fachkräftemangel" leide, der durch den demografischen Wandel in den nächsten zehn Jahren dramatisch verschärft werde. Wimmer sprach deshalb vom "war for Talents", einem Krieg um die besten Mitarbeiter. Corporate DNA als "Waffe"Umso wichtiger sei es, so der Personalmanager, "dass Hellmann am Arbeitsmarkt als attraktiver und zukunftsweisender Arbeitgeber wahrgenommen wird – und das über die Grenzen des traditionellen Hellmann-Gebiets hinaus". Um diesen Kampf zu gewinnen, entwickelte das Osnabrücker Logistikunternehmen nicht nur eine "Human Resource Strategie", sondern auch eine so genannte "Corporate DNA", in der Hellmann firmen-eigene Werte für seine Mitarbeiter und Führungskräfte schuf und damit die Grundlage der unternehmenseigenen Personalarbeit. Unterm Strich ist der Personalmanager also davon überzeugt: Hellmann tut alles, um gute Mitarbeiter zu finden und sie ans Unternehmen zu binden. Friemanns Vorwurf, Spediteure seien mit ihren Mitarbeitern nicht für die Bedürfnisse der Verlader gerüstet, wies Wimmer deshalb vehement zurück. ❙❚■ Eva HassaZiel des Kongresses war es, Firmenchefs Wege aufzuzeigen, ihr Unternehmen auch künftig erfolgreich am Markt zu positionieren. Im Grand Hotel Arabella Sheraton hatten die Unternehmer Gelegenheit, mit renommierten Experten aus Industrie, Handel und der Logistikbranche über die wichtigsten Trends, Entwicklungen und Chancen in den kommenden Jahren zu diskutieren. Referenten auf dem 1. Perspektiventag waren unter anderem Business Expert Hermann Scherer, Freising bei München, Ralf Stenger, Direktor der Unternehmensberatung Bearing Point, Frankfurt/Main, Klaus Friemann, Leiter Kontraktlogistik, Material- und Teiletransporte der BMW Group, München, Stefan Wimmer, Personalchef Hellmann Worldwide Logistics, Osnabrück, Jochen Kröber, Principal und Kompetenzfeldleiter Supply Chain der Miebach Consulting GmbH, Frankfurt/Main, Cornelius Geber, Geschäftsführer der CG Beteiligungs- und Management GmbH, Hamburg, und Michael Arretz, Geschäftsführer der Systain GmbH, Hamburg. Moderator der Veranstaltung war Professor Wolf-Rüdiger Bretzke, Barkawi Management Consultants, München. ehWas bringt die Zukunft, was erwarten Auftraggeber und Auftragnehmer? Die wichtigsten Ergebnisse der Diskussion: Die Dienstleistung "Transport" ist laut Spediteur Berthold Barth (Spedition Kraftverkehr Barth) auch künftig "kein austauschbares Gut", über den Faktor Mensch könne sich auch in Zukunft ein Dienstleister positiv vom Wettbewerb abheben. Andreas Bunz (Willi Betz Unternehmensgruppe): "Eine Industrialisierung der Ladungsverkehre wie in den USA sehen wir in Deutschland bislang nicht", und sie sei auch "nicht absehbar". Zu den Erfolgsaussichten mittelständischer Kontraktlogistik-Spezialisten befragt, sagte Claus Huttner (Bi-Log): "Der Erfolg hängt sicher davon ab, in welcher Branche der Dienstleister aufgestellt ist. In den Branchen, in denen höherwertige Mehrwertdienste von den Verladern gefordert werden, sind auch höhere Gewinnmargen für die Logistikunternehmen möglich." Auf die Frage, ob große Verlader in Zukunft nur noch mit großen Speditionspartnern zusammenarbeiten wollen, meinte Albert Blum: "Unser Erfolg basiert unter anderem auf der Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Speditionen. Daran werden wir auch künftig festhalten." Berater Jochen Kröber (Miebach Consulting): "In der Beschaffungslogistik setzen Verlader zunehmend auf die Reduzierung ihrer Komplexität, Administration und Steuerung. Das bringt Chancen, aber auch Risiken für mittelständische Spediteure." eh

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