Interview Homeoffice-Pflicht: Was auch Logistikunternehmen wissen müssen

Berlin/München. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Corona-Arbeitsschutzverordnung erlassen. Sie ist nach aktuellem Stand bis 15. März 2021 gültig und verpflichtet Arbeitgeber, den Beschäftigten zu ermöglichen, alle Tätigkeiten, die sich dafür eignen, im Homeoffice auszuführen. Marc André Gimmy, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner und Leiter der Arbeitsrechtspraxis bei Taylor Wessing, beantwortet die wichtigsten Fragen, was das konkret für Unternehmen bedeutet. Die Entscheidung, ob sich eine Tätigkeit für das Homeoffice eignet, trifft der Arbeitgeber. Kann er auch einfach bestimmen, dass sich keine Tätigkeit eignet? Nein, das kann der Arbeitgeber nicht. Die Verpflichtung zum Homeoffice gilt aber nicht für alle Bereiche, sondern nur für „Büroarbeit und vergleichbare Tätigkeiten“. Im Einzelfall kann die Abgrenzung jedoch schwierig sein. Zählen etwa bei Logistikunternehmen die datenmäßige Erfassung von Waren oder die administrative Erfassung und Bearbeitung von Waren für den Versand im Lager oder der Ladezone bereits zu „vergleichbare Tätigkeiten“? Meiner Ansicht nach nicht. Hier ist eine sehr enge Auslegung der Verordnung geboten und nur solche Tätigkeiten können für Homeoffice auf Grundlage der Corona-Arbeitsschutzverordnung in Betracht kommen, die tatsächlich ausschließlich im Büro erledigt werden können. Der Arbeitgeber muss den Beschäftigten kein Homeoffice anbieten, wenn „zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen“. Was ist darunter zu verstehen? Der Begriff „zwingend“ ist im Arbeitsrecht noch nicht definiert, was zur Unsicherheit in der Praxis führt. Meiner Einschätzung nach darf der Arbeitgeber hier nur in besonderen Ausnahmefällen bei reinen Bürotätigkeiten das Angebot zum Arbeiten im Homeoffice verweigern - etwa, wenn der Arbeitnehmer auf Büro-Unterlagen zugreifen muss, die nicht in digitaler Form vorliegen. Das können beispielsweise Frachtpapiere sein. Bei digitalisierten Büroarbeiten lässt sich Homeoffice kaum im Sinne der Pandemiebekämpfung ablehnen. Was ist, wenn der Arbeitnehmer trotz Ablehnung des Arbeitgebers auf Homeoffice besteht? Der Arbeitnehmer hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice. Andererseits kann auch der Arbeitgeber einen Angestellten nicht einfach ins Homeoffice versetzen. Hierfür bedarf es einer Änderungskündigung. Letztlich kommt es daher auf die konkreten Vereinbarungen im Arbeitsvertrag zum Arbeitsort und häufig auch auf die Regelungen in Betriebsvereinbarungen an. Wie wird die Einhaltung der Verordnung kontrolliert? Welche Konsequenzen hat es für Arbeitgeber, wenn sie sich nicht daranhalten? Für die Kontrolle sind die Arbeitsschutzbehörden der einzelnen Bundesländer verantwortlich. Der Arbeitgeber muss auf Verlangen der zuständigen Behörden gut begründen und durch geeignete Unterlagen, etwa der Gefährdungsbeurteilung, nachweisen, weshalb er für die Büroarbeit in seinem Unternehmen kein Homeoffice anbieten kann. Erlässt dann die Behörde eine Anordnung auf Homeoffice, muss er diese auch befolgen. Andernfalls droht eine Untersagung der entsprechenden Tätigkeit, das heißt der Arbeitnehmer darf der entsprechenden Tätigkeit nicht mehr nachgehen, der Arbeitgeber hat aber gleichwohl die Arbeitsvergütung fortzuzahlen. Das wird meiner Erfahrung nach so auch in der Praxis durchgesetzt. Die Verordnung ist vorerst bis 15. März 2021 gültig. Ist das ein Schritt zum allgemeinen gesetzlichen Anspruch der Arbeitnehmer auf Homeoffice? Das könnte so sein. Obwohl der Gesetzgeber die Verordnung bis zum 15. März 2021 befristet hat, kann aufgrund der sehr allgemeinen Zielsetzung, „das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus bei der Arbeit zu minimieren und Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen“ leicht eine Verlängerung der Verordnung begründet werden. Der von Bundesarbeitsminister Heil vorgelegte Entwurf zum „Mobile-Arbeit-Gesetz“ hat ja das Ziel, mobile Arbeit unabhängig von der Corona-Pandemie allgemein gesetzlich zu regeln. Wesentliche Fragen für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses lässt dieses Gesetzesvorhaben aber offen und ist zudem an zentralen Stellen unklar. Hier besteht in vielen Punkten aktuell noch Klärungs- und Nachbesserungsbedarf. Ist es Ihrer Meinung nach richtig, das Recht auf Homeoffice gesetzlich festzulegen? Klare Antwort: Nein. Der Gesetzgeber täte gut daran, die örtliche Gestaltung des Arbeitslebens denjenigen zu überlassen, die es betrifft – den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern und den Arbeitnehmervertretungen. Dies entspricht aus meiner Sicht auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Homeoffice bedarf nur in einem Punkt einer gesetzlichen Regelung – und zwar im Sozialversicherungsrecht. So sollte im Unfallversicherungsrecht klargestellt werden, dass Unfälle während dem Homeoffice als Arbeitsunfälle gelten. Hier gilt aktuell ein viel zu eingeschränkter Unfallversicherungsschutz. (sn)

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