Wie die Spedition Rothermel die Flottentransformation stemmt

Die Transformation der Lkw-Fuhrparks in Richtung emissionsfreie Antriebe geht in Deutschland nur langsam voran – gerade einmal 2,3 Prozent beträgt der Anteil von Elektro-Lkw (E-Lkw) am gesamten Lkw-Markt in der Gewichtsklasse ab 16 Tonnen, wie jüngste Auswertungen der European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA) für die ersten drei Quartale 2025 ergaben. Neben den hohen Anschaffungskosten für E-Lkw dürfte auch die noch im Aufbau befindliche öffentliche Ladeinfrastruktur das Wachstum ausbremsen. Eine mittelständische Spedition, die sich trotz der noch widrigen Umstände nicht davon abhalten lässt, die Flottentransformation in Angriff zu nehmen, ist die Edgar Rothermel Internationale Spedition mit Sitz im baden-württembergischen Östringen. „Die Elektrifizierung ist ein fester Baustein in unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Wir wollen in Sachen Emissionsminderung und Implementierung erneuerbarer Energien Pionierarbeit leisten“, betont Geschäftsführer Martin Rothermel. Nächste Stufe Batteriespeicher Aktuell betreibt die Spedition eine Flotte von rund 100 eigenen Sattelzugmaschinen, fünf davon vollelektrisch. Der Eigenfuhrpark besteht überwiegend aus Lkw von Daimler Truck. „Daimler Truck will seine Inbound-Verkehre zeitnah elektrifizieren – und wir waren einer der ersten Partner, die an diesem Projekt mitgewirkt haben“, erklärt Rothermel. Gestartet wurde entsprechend mit fest getakteten und damit gut planbaren Linienverkehren. „Die Ladeinfrastruktur ist aktuell noch das Nadelöhr – wir wollen aber sichergehen, dass die E-Lkw-Verkehre für den Disponenten, den Fahrer und den Kunden vom Start weg funktionieren“, so der Spediteur. Geladen wird mit eigenerzeugtem Strom aus Photovoltaik (PV) und mit zugekauftem Grünstrom. „Der zweite PV-Bauabschnitt geht in Bälde in Betrieb, dann kommen wir auf eine PV-Leistung von 400 Kilowatt“, erzählt Rothermel. Der nächste Schritt sei ein Batteriespeicher, dann könne die E-Flotte auf mindestens 20 Fahrzeuge ausgebaut werden. Kurzportrait Unternehmen und Fuhrpark Die 1963 gegründete Edgar Rothermel Internationale Spedition erbringt umfassende Transportleistungen mit über 100 eigenen Fahrzeugen. Rothermel ist unter anderem Logistikpartner für die Belieferung der Mercedes-Benz-Lkw-Werke und auch Teil des Projekts „Electrify Inbound Logistics“ des Lkw-Herstellers. Konkret werden vier Mercedes eActros 600 und ein eActros 300 eingesetzt. Drei weitere eActros 600 befinden sich kurzfristig im Zulauf, im Frühjahr 2026 sollen noch mal drei dazukommen. Förderprogramme ermöglichten Einstieg Ganz wesentlich, um überhaupt den Start zu ermöglichen, sei die Unterstützung durch Förderprogramme, betont der Unternehmenschef. „Allein die Ladeinfrastruktur mit Erschließung, Trafo, Netzanschluss – da sprechen wir von einer Dimension zwischen 600.000 und 700.000 Euro.“ Gestartet ist man mit dem damaligen KsNI-Programm, die zweite Ladesäule wurde durch den Projektträger Jülich (PtJ) gefördert. Die Anschaffung der ersten vier E-Lkw wurde vom Landesförderprogramm BW-e-Trucks unterstützt. „Die Förderung und Kunden, die auch bereit sind, kostenseitig ihren Teil dazu beizutragen, machen das Ganze erst wirtschaftlich machbar“, sagt Rothermel. Die politische Entscheidung, die Mautbefreiung bis Mitte 2031 zu fixieren, gebe weitere Planungssicherheit. Limitierter Netzanschluss Rothermels E-Lkw sind mitnichten nur im näheren Umkreis unterwegs. Einer der E-Lkw werde im Zweischichtbetrieb eingesetzt und lege 900 Kilometer am Tag zurück, berichtet Disponent Paul Neumeister: „Er startet in Östringen, holt in der Pfalz einen Trailer und fährt dann bis nach München und wieder zurück.“ Ein zweiter Fahrer übernehme anschließend noch eine Nahverkehrstour. Grundsätzlich werde darauf geachtet, dass ein E-Lkw im Tagesschnitt auf mindestens 500 Kilometer Strecke kommt. „Die schafft der eActros 600 auch ganz problemlos mit einer Akkuladung“, so Neumeister. Wobei wir beim aktuell noch größten Problem wären, mit dem viele Unternehmen, die über eine eigene Ladeinfrastruktur nachdenken, konfrontiert sind: der Netzanschluss beziehungsweise die Leistung, mit der E-Lkw auf dem Hof laden können. „Mit circa 300 kW in der Spitze sind wir noch deutlich limitiert. Zumal die Ladeleistung für das einzelne Fahrzeug weiter schrumpft, je mehr Lkw zeitgleich geladen werden“, sagt Neumeister. Man habe zwar mündliche Zusagen vom Netzbetreiber, dass die Netzkapazität erhöht werden soll – „aber mit einem für uns eher unbefriedigenden zeitlichen Rahmen“, wie der Disponent beklagt. Umso wichtiger sei, die Ladeleistung dynamisch zu verteilen, damit nach Bedarf einzelne Fahrzeuge schneller und andere wiederum langsamer geladen werden können. „Seit Frühsommer 2025 haben wir dafür die Lademanagementplattform Panion von K2 Mobility im Einsatz“, so Neumeister. Anbindung an Strombörse 2023 gegründet, hat sich das Potsdamer Start-up auf integriertes Lademanagement für schwere elektrische Nutzfahrzeuge spezialisiert, sprich: die dynamische Energie- und Ladeplanung. „Dank Anbindung an die Strombörse wird der günstigste Zeitpunkt für das Laden ermitteln – stets unter Berücksichtigung der Belastbarkeit des Netzanschlusses und mit Fokus auf eine Minimierung der Energiekosten“, erklärt Ulrich Kalex, einer der beiden Gründer und Managing Director K2 Mobility. Batteriedaten aus der Telematik Das optimierte Lademanagement an den eigenen Ladesäulen ist die eine Seite. Panion möchte aber auch die Ladeplanung unterwegs unterstützen. „Wir verstehen ganz genau, wie die Fahrzeuge fahren, wie viel Energie sie konsumieren und berücksichtigen dies dann in der Organisation der Ladeaktivitäten“, sagt Kalex. Die Anbindung der Fahrzeuge an Panion werde über die Telematikdaten, in diesem Fall Fleetboard, realisiert. „Über die Autorisierungs-Keys, die Rothermel vom Hersteller zur Verfügung stehen, können wir die Batteriedaten im Live-Betrieb abrufen“, erklärt Kalex. Dieses Prinzip wendet das Start-up übrigens für alle Lkw-Herstellerplattformen an. Damit Routen- und Ladeplanung aus einem Guss funktioniert, braucht es die Anbindung ans Transport-Management-System (TMS). „Unsere Intention ist nicht, dem Disponenten eine zweite Applikation zur Hand zu geben“, sagt der Gründer. Panion sei eine Applikation im Hintergrund, die automatisch sicherstelle, dass die Touren, so wie sie im TMS geplant sind, durchführbar sind – und sich melde, wenn es Probleme gibt. Umgesetzt ist die Anbindung ans TMS von Rothermel jedoch noch nicht. TMS-Anbindung für 2026 geplant „Momentan sind wir noch in Abstimmung mit dem TMS-Anbieter über eine API-Integration – wir hoffen, dass die Anbindung im nächsten Jahr umgesetzt wird“, sagt Kalex. Markus Kröger, ebenfalls Gründer und Managing Director K2 Mobility, betont in diesem Zusammenhang, dass es aktuell nicht viele Lademanagement-Anbieter gebe, die eine TMS-Anbindung integrieren können. „Diese Integration mit den kritischen logistischen Systemen ist gerade vor dem Hintergrund knapper Energieressourcen und Anschlussleistungen und gleichzeitig dem Fokus auf die TCO aber immens wichtig“, so Kröger. Wie zentral die TMS-Anbindung für die Ladeplanung ist, weiß auch Rothermel-Disponent Neumeister: „Perspektivisch wollen wir mit dem Austausch zwischen TMS und Panion sicherstellen, flexiblere Einsatzszenarien abzubilden. Alles andere wäre verschenktes Optimierungspotenzial.“ Weil die Spedition momentan noch planbare Linienverkehre fahre, könne er das Unterwegsladen noch relativ unproblematisch umsetzen. „Wenn bei einer Tour eine Zwischenladung unumgänglich ist, prüfe ich im Vorfeld über diverse Apps, welche geeigneten Ladestationen an der Route liegen und ob die Ladestrompreise in die Kalkulation passen“, sagt Neumeister. Preistransparenz schwierig Beim Unterwegsladen sei Preistransparenz ein entscheidender Faktor, betont auch K2-Gründer Kalex und kündigt an: „Wir sind dabei, externe Informationsquellen, sei es von professionellen Anbietern oder Community-Apps, in unsere Lösung integrieren.“ Auch Lademöglichkeiten bei Partnern, die in der Regel immer noch um 50 Prozent günstiger seien als bei einem öffentlichen Ladeinfrastrukturanbieter, spielten demnach eine große Rolle. „In skandinavischen Ländern wie Norwegen und Schweden haben wir das schon realisieren können – für Deutschland bereiten wir die Integration von Ladestrompreisen vor.“ Andere Länder sind weiter Warum hinkt Deutschland auch hier mal wieder hinterher? Kalex erklärt: „Norwegen und Schweden haben deutlich früher die politischen Rahmenbedingungen geschaffen – von Förderung über Mautbefreiung bis hin zur Lockerung von Nachtfahrverboten für E-Lkw – und sind nun Vorreiter, was Elektromobilität im Transportgewerbe angeht.“ „Heute sind Ladesäulen oft frei – irgendwann aber wird der Tag kommen, wo mehr E-Lkw auf den Straßen unterwegs sind“, meint Martin Rothermel. Dann werde aber auch eine Reservierungsfunktion unumgänglich. „Begleitend zum Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur wird ein Teil des Hochlaufs auch sein müssen, dass wir unter Kollegen untereinander die Netze öffnen“, sagt Rothermel. Momentan stehe das Thema Third-Party-Laden aber noch am Anfang, wie Disponent Neumeister ergänzt. Das Interesse der Speditionen, bei Kollegen zu laden, sei zwar groß. „Allerdings haben die wenigsten - so wie wir auch – aktuell ausreichende Netzkapazitäten dafür“, so Neumeister. Wirtschaftlicher Betrieb möglich Kalex von K2 ist zuversichtlich, dass wir in Deutschland mittlerweile einen Punkt erreicht haben, „wo der Knoten platzt“. Co-Gründer Kröger ergänzt: „Für das Gelingen der Antriebswende im Straßengüterverkehr braucht es mehr Unternehmer wie Herrn Rothermel – die Elektromobilität als Chance verstehen, aber auch gewillt sind, sich mit dem Thema jetzt wirklich intensiv zu befassen.“ Das intelligente Beschaffen von Energie spare Kosten. „Wer hier jetzt vorneweg geht, wird später Marktanteile dazu gewinnen“, ist sich Kröger sicher. Auch Martin Rothermel ist zuversichtlich, dass die Nachhaltigkeitsstrategie der Spedition Früchte trägt: „Inzwischen sehen wir die ersten Wettbewerbsvorteile – wir bekommen Anfragen von ganz neuen Kunden, die Interesse an emissionsfreien Transporten zeigen.“ Er ist sich zudem sicher, dass der Zeitpunkt kommen werde, wo die Flottentransformation ohne Förderung fliegen muss. „Wir haben die Grundlagen dafür gelegt“, sagt Rothermel. Auch wenn die Fahrzeuge heute noch deutlich teurer sind als Verbrenner, könne der Break-even seiner Einschätzung nach schon jetzt möglich sein: Mit entsprechender Laufleistung, der Mautbefreiung und nicht zuletzt durch den Einsatz von Smart Charging. Mehr zum Thema E-Lkw hier lesen!