Fahrbericht Renault: Verkehrswende auf Französisch

"Einfach losfahren", empfiehlt der Testbegleiter. Es ist schon verblüffend, wie leise sich dieser 16-Tonner in Bewegung setzt. Ein Start, der neugierig macht. Denn eigentlich sieht der mittelschwere Renault Truck aus wie immer. Mit seinem zwar nicht mehr taufrischen, aber sehr zustiegsfreundlichen und geräumigen Fahrerhaus, der fast perfekten Übersichtlichkeit und einem handelsüblichen Trockenfrachtkoffer. Nur dass unter dem Fahrerhaus eben kein Diesel mehr rumort, sondern an dessen Stelle beinahe geräuschfreie Elektrotechnik residiert. Den Exotenstatus hat der D Z.E. (steht abgekürzt für Zero Emission) dabei längst abgelegt, vor allem in Frankreich transformiert der Stromer bereits zahlreiche Verteilerflotten. Auch die schwedischen Konzernkollegen führen ihn als FL Electric und als FE Electric im Programm. Das schaffte wohl Mut für einen selbstbewussten Schritt: Seit Anfang des Jahres liefert Renault Trucks seine 16 bis 26 Tonnen schweren D- und D-Wide-Modelle in Deutschland nur noch mit batterieelektrischem Antrieb aus. "Wir tun das, weil wir es können, wir haben die Produkte", sagt Frederic Ruesche, der Geschäftsführer von Renault Trucks Deutschland, vollmundig. Das wollen wir sehen und erleben, aber zuerst schauen wir dem flüsterleisen Verteiler-Lkw rund ums und unters Blech. Geladen wird der Z.E. links hinter dem Fahrerhaus per CCS-Stecker mit Wechselstrom (AC) und 22 Kilowatt (kW), alternativ mit Gleichstrom (DC) und mit bis zu 150 kW. 260 km Reichweite im Regionalverkehr Eine professionelle DC-Ladelösung lohnt sich, damit bekommt der Lkw in der Mittagspause oder während des Güterumschlags wieder die volle Reichweite. Der Hersteller spricht von 260 Kilometern, die im regionalen Verteilerverkehr völlig ausreichend seien - und sich mit unseren ersten Erfahrungen decken. Die vier NMC-Batteriepacks von Akasol, die beiderseits am Rahmen montiert sind, verfügen über je 66 Kilowattstunden (kWh) Kapazität, in Summe über 264 kWh. Für zwei weitere Module wäre Platz im hinteren Überhang. Alles eine Frage des Nutzwerts und damit auch der Nutzlast, und über die muss eine Einsatzanalyse entscheiden. Deshalb zuerst ein Blick in die Zulassungspapiere: Der leere ZE-Zweiachser soll samt Ladebordwand fast 9,8 Tonnen wiegen, er darf legal damit immerhin 6,9 Tonnen transportieren. Der kompakte Permanentmagnet-Synchronmotor sitzt direkt darunter, wo die Aufbaustirnwand auf den Rahmen trifft. Seine 130 kW Dauerleistung und 425 Newtonmeter Drehmoment mögen auf den ersten Blick bescheiden erscheinen. Sobald man die E-Maschine allerdings fordert, verfliegen alle Zweifel im Einklang mit der fulminanten Beschleunigung. Fast unmerklich legt das Getriebe ab 44 km/h den schnelleren zweiten Gang nach. Zupackende Bremsanlage Der technische Kniff dabei: Die Leistungsabgabe erfolgt über ein automatisiertes zweistufiges Reduktionsgetriebe - schließlich zählt doch nur die Leistung am Rad, wie jeder Fahrzeugtechniker weiß. Bremsleistung wird übrigens erst rekuperiert, wenn die Ladeanzeige der Batterie auf unter 95 Prozent sinkt. Erst dann kann der E-Motor seine Bremsenergie im Generatorbetrieb in die Batterie speisen, davor bremst der E-Motor einfach nicht mit. Aber dann übernimmt er den überwiegenden Teil der Verzögerungen, mit dem "Retarder"-Hebel links an der Lenksäule klappt es bestens. Oder natürlich mit dem Bremspedal, doch dann merken Fahrerinnen und Fahrer nicht, wenn die Radbremsen mitwirken. Insgesamt verdient die Bremsanlage nur beste Noten: gefühlvoll und zupackend, die Zusammenarbeit von Dauerbremse (E-Generator) und Scheibenbremsen klappt ohne jegliche Irritation. Geht man vom Fahrpedal, rollt der 16-Tonner, aber mit leichter Verzögerung. Sie ist dem Schleppmoment eines Verbrennermotors nachempfunden. So lässt sich die Bewegungsenergie sinnvoll nutzen, zum Ein-Pedal-Fahren haben wir auch eine Meinung. Sie ist eher ein Fall für Pkw-Fahrer, die Energie weniger zu nutzen wissen. Generell macht der Z.E. auf der Straße eine gute Figur. Zuerst natürlich mit seinem kräftigen und flüsterleisen Antrieb. Vor allem den dürften Fahrer schnell lieben lernen. Man spürt nach einem langen Arbeitstag den positiven Effekt, wenn man akustisch weniger beschallt wird. Ebenfalls davon profitieren Passanten, Anwohner und das Transportunternehmen. Der flüsterleise Renault dürfte frühen Anlieferungen noch vor dem morgendlichen Verkehrschaos den Weg ebnen. Im Einsatz gibt es am Renault D Z.E. wenig zu kritisieren. Er läuft mit langem Radstand fast unbeirrbar geradeaus und bleibt auf kurvigen Landstraßen ohne Tücken. Rangieren und enge Radien? Kein Problem mit den großen Einschlagwinkeln der Vorderräder, der Lenkaufwand bleibt überschaubar. Der lange Zweiachser lässt sich mit dem recht großen Lenkrad leicht und präzise steuern. Keine elektrische Feststellbremse Keine Selbstverständlichkeit bei elektrischen Lenkungen. Im Z.E. erzeugt ein 24-Volt-Elektromotor den nötigen hydraulischen Druck für die Lenkung. Der Fahrwerkskomfort überrascht uns mit Blick auf die technischen Daten weniger. Der Renault federt an beiden Achsen mit Luftbälgen recht bekömmlich, ohne auffallend zu wanken. Allerdings dürfte sich wohl nicht jeder Kunde den Aufpreis für die luftgefederte Vorderachse gönnen ... Ein neues Modell ist der elektrische Renault D Z.E. allerdings nicht. Das Midlum- und Premium-Design kennt man seit Jahren, auch muss der Kunde auf manche technologische Errungenschaften verzichten. Auf die elektronische Feststellbremse beispielsweise, die wir im D Z.E. bei vielen Stopps und Anfahrvorgängen vermissen. Unser Gesamtfazit zum alternativen Franzosen: Der mittelschwere Renault wurde im Herbst seines langen Produktlebens elektrifiziert und hat sich zu einer sehr professionellen Lösung gemausert. Er hätte gewiss ein attraktiveres Erscheinungsbild verdient. Was seine Qualitäten aber nicht schmälert. Die liegen in der hohen Produktreife und seiner augenscheinlichen Nahverkehrskompetenz, die der elektrische Antrieb noch weiter verstärkt. Technische Daten Motor Permanent erregter Synchron-Elektromotor, maximale Leistung: 185 kW (252 PS); Dauerleistung: 130 kW (177 PS); maximales Drehmoment: 425 Nm Getriebe und Motorbremse automatisiertes Reduktionsgetriebe mit 2 Vorwärtsgängen und 1 Rückwärtsgang; Hypoid-Hinterachse, Übersetzung: i = 4,50 Batterien und Laden Vier NMC-Batteriemodule à 66 kWh von Akasol, optional 3–6 Module möglich; Ladeanschluss kompatibel mit Typ 2 und CCS Combo 2, geeignet für DC-Schnellladung bis 150 kW; Ladekabel Mode 2 für 20 kW, 380 V, 32 A; 24-Volt-Bordnetz für Fahrzeug-Komponenten Maße und Gewichte L x B x H: 9.805 x 2.550 x 3.500 mm, Radstand: 5.300 mm, Wendekreis: 19,1 m, Leergewicht (Werksangabe): 9.780 kg, Nutzlast: 6.920 kg, Zulässiges Gesamtgewicht: 16.700 kg Mehr zum Thema unter #HybridundElektroLkw www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Abgesehen von dem hier getesteten D Z.E. reicht das Elektro-Programm von Renault Trucks noch weiter. Unterhalb wartet der Transporter Master Z.E. mit bis zu 3,5 Tonnen Gesamtgewicht auf Kundschaft. Dank drei Achsen darf dagegen der ebenfalls vollelektrische D Wide Z.E. bis zu 26 Tonnen auf die Waage bringen.

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