Viel Dynamik: Nutzfahrzeuge bei Nutzfahrzeugen
Seit Jahren führt Florian Petzi als amtlich anerkannter Sachverständiger bei TÜV SÜD Hauptuntersuchungen bei Nutzfahrzeugen durch. Was fällt ihm auf, welche (Fahr- und Prüf-)Technologien erwartet er in der Zukunft - und was wünscht sich der Prüf-Profi von den Kunden?
Er kennt die Praxis wie kaum ein anderer: Bei rund 10.000 Nutzfahrzeugen hat Florian Petzi in seinem Berufsleben bereits eine Hauptuntersuchung (HU) durchgeführt.
Der amtlich anerkannte Sachverständige arbeitet seit 2008 bei TÜV SÜD - erst als Praktikant, dann als Werkstudent, Diplomand, Sachverständigen-Azubi, später berufsbegleitend als Masterand. Und immer mit dem Schwerpunkt Lkw. Der Diplom-Ingenieur arbeitet heute zu 100 Prozent im Außendienst, ist vor allem bei Herstellern tätig.
Die HU beginnt laut Petzi heute wie vor dreißig Jahren: mit Sichtkontrollen und der Überprüfung der Funktionskontrollleuchten. "Dank der Unterstützung der FSD Fahrzeugsystemdaten in Dresden werden uns zudem die Fahrzeugsystemdaten bereitgestellt, die wir via HU Adapter bewerten", berichtet Petzi. "Der geht mittlerweile stark in die Tiefe und zeigt uns auch Fehler an, die beim ersten Auslesen nicht offensichtlich sind, etwa am Steuergerät oder Totwinkel-Assistenten, selbst wenn die Kontrollleuchten diese nicht anzeigen."
Jedes fünfte Nfz fällt durch die HU
Die Zahl der Nutzfahrzeuge mit gravierenden Mängeln nimmt laut "TÜV-Report Nutzfahrzeuge 2025" weiter zu. Demnach wiesen 20,4 Prozent aller untersuchten Fahrzeuge bei der HU "erhebliche" oder "gefährliche Mängel" auf. Das entspricht einem Anstieg um 0,8 Prozentpunkten im Vergleich zum letzten Report 2023.
FAS bei der HU
Seit 2024 sind viele neue Fahrerassistenzsysteme (FAS) Pflicht für neue Lkw - und auch die Tools für die Sachverständigen werden kontinuierlich weiterentwickelt. Fahrzeugscanner können bereits die Profiltiefe erfassen, digitale Sprachassistenten sparen den Prüfern Zeit. Petzi fühlt sich gut aufgestellt. "Bei einigen FAS wären allerdings Erweiterungen gut", ergänzt er. Laut TÜV Verband besteht generell bei elektronischen Assistenten Handlungsbedarf, da sie sich nicht umfassend in die HU integrieren lassen. Der Grund: Die Hersteller verwehren den Prüforganisationen teils einen vollständigen Zugriff auf prüfungsrelevante Fahrzeugdaten.
Steigende Effizienz
Im Laufe der Zeit wurde die Durchführung einer Lkw-Untersuchung immer effektiver dank des HU Adapters. Im vergangenen Jahr war Petzi bei der FSD in Dresden für das Roll-out des Truck Trailer Interfaces (VIS.TTI) - ein weiterer Schritt hin zu mehr Effizienz. Damit lässt sich der HU-Adapter auch bei Nutzfahrzeuganhängern nutzen. "Das Interface funktioniert sehr gut und erleichtert unsere Arbeit enorm", so sein Resümee aus der Praxis.
E- und autonome Fahrzeuge
Und die Entwicklung geht weiter. Petzi rechnet in den nächsten Jahren mit weiteren Fortschritten, etwa einer Stoßdämpfer-Prüfung über den HU Adapter, mit dem sich auch ohne Prüfstand das Dämpfungsverhalten eines Fahrzeugs prüfen lässt.
"Alle neuen Prüftechnologien müssen aber immer empirisch ermittelt werden", erklärt Petzi die Herausforderung. "Man braucht Referenz-, Neu-, Altfahrzeuge mit defektem Dämpfer et cetera, um das Verfahren zu entwickeln - das ist aufwendig und dauert."
Das gilt erst recht mit Blick auf neue Fahrtechnologien wie den E-Antrieb oder autonome Fahrfunktionen. Auch wenn es noch diverse (Infrastruktur- und Kosten-)Hürden für Speditionen gibt, auf Stromer umzusteigen, und auch wenn der Anteil von Lkw mit Elektro-Antrieb laut TÜV-Report Nutzfahrzeuge 2025 aktuell nur bei 2,4 Prozent liegt: Bei den Neuzulassungen von Januar bis Juli 2025 stieg er bereits auf 8,7 Prozent.
FSD Fahrzeugsystemdaten
Um neue Fahrerassistenzsysteme sowie künftige automatisierte und vernetzte Fahrfunktionen und die Elektromobilität auf Sicherheit und Umweltschutz hin überprüfen zu können, entwickelt die FSD Fahrzeugsystemdaten in Dresden kontinuierlich Prüftechnologien und Verfahren weiter. Immerhin sind 90 Prozent aller Innovationen in Fahrzeugen mittlerweile elektronischer Art.
Ausblick auf autonome Lkw
Petzi rechnet mit neuen Prüfverfahren, wenn die Nfz-Elektromobilität erst mal im breiten Markt angekommen ist. Bislang hat er aber vor allem Elektrobusse geprüft, die in großen Städten und Kommunen verstärkt zum Einsatz kommen. "Hinsichtlich der Batterie gibt es schon Versuchsreihen", so Petzi. Auch autonome Fahrzeuge spielen in Petzis HU-Alltag aktuell noch keine Rolle. "Bis der erste Level-4/5-Lkw kommt, wird das noch dauern, denn Lkw-Konfigurationen sind höchstindividuell, es gibt nicht den einen Standard-Lkw - abgesehen von der Sattelzugmaschine."
Pflichten für Kunden?
Petzi würde sich wünschen, dass HU-Kunden mehr in die Pflicht genommen werden.
"In der Schweiz müssen Fahrzeuge eine gewisse Grundbeladung mitbringen, um überhaupt geprüft zu werden. In Deutschland gibt es dagegen nur indirekt eine gesetzliche Vorgabe für die Beladung der Anhänger bei einer HU, denn es wird ein Mindestbremsdruck benötigt, um valide Aussagen zu treffen", erklärt der Sachverständige. Auch eine verpflichtende Reinigung des Fahrzeugs vor der HU wäre für Petzi begrüßenswert. "Es sind nur wenige Fahrzeuge, die verdreckt kommen - aber die bedeuten für uns Sachverständige einen enormen Aufwand."
Mit Blick auf die Zukunft hat Petzi klare Erwartungen: "Sobald Level 4/5 im Nutzfahrzeugbereich kommt, braucht es neue Prüfverfahren, zum Beispiel Teststrecken und klare Regularien. So sind zum Beispiel Verfahren denkbar, die etwa plötzlich auftauchende Hindernisse simulieren, um die Funktionstüchtigkeit der autonomen Fahrfunktionen prüfen zu können."
Ob Petzi am Ende seiner beruflichen Laufbahn auch auf 10.000 geprüfte autonom fahrende Nutzfahrzeuge wird zurückblicken können?
TÜV SÜD Ansprechpartner
Service Center München Nord
Florian Petzi
Amtl. anerkannter Sachverständiger
Tel: +49 89 5190-5101
E-Mail: florian.petzi@tuvsud.com